Wird zukünftig auch die ärztliche Gutachtenerstellung in weiterem Umfang als bisher steuerbefreit sein?

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​​​​​​​​​​veröffentlicht am 30. November 2020


Ärztliche Heilbehandlungsleistungen sowie Krankenhausbehandlungen sind von der Umsatzsteuer befreit. Nicht befreit ist allerdings die Erstellung von ärztlichen Gutachten, wenn kein therapeutischer Zweck im Vordergrund steht. Die deutsche Finanzverwaltung und auch die Gerichte begründen dies damit, dass es sich bei der Gutachtenerstellung nicht um eine ärztliche Heilbehandlungsleistung handelt und auch nicht um eine eng mit einer Krankenhausbehandlung verbundene Leistung. Der EuGH entschied jedoch in einem kürzlich ergangenen Urteil, dass die Gutachtenerstellung steuerbefreit sein kann.
 
Nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht ist die Erbringung von ärztlichen Heilbehandlungsleistungen sowie von Krankenhausbehandlungen nach § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit.

Als ärztliche Heilbehandlung gelten dabei Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorsorge, Diagnostik, Befunderhebung, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden. Diese müssen durch bestimmte im Gesetz aufgeführte Personen (z.B. Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser, u.a.) erbracht werden.

Nicht von der Umsatzsteuer befreit ist allerdings die Erstellung von ärztlichen Gutachten, wenn kein therapeutischer Zweck im Vordergrund steht. Die deutsche Finanzverwaltung und auch die Gerichte begründen dies damit, dass es sich bei der Gutachtenerstellung nicht um eine ärztliche Heilbehandlungsleistung handelt und auch nicht um eine eng mit einer Krankenhausbehandlung verbundenen Leistung. Die Finanzverwaltung hat einen Katalog veröffentlicht, in welchem Fall die Erstellung von Gutachten steuerbefreit ist und wann eine steuerpflichtige Leistung anzunehmen ist.
Der EuGH entschied jedoch in einem kürzlich ergangenen Urteil (EuGU vom 08.10.2020, C-657/19) zur Gutachtenerstellung für den medizinischen Dienst einer Pflegeversicherungskasse, dass die Gutachtenerstellung steuerbefreit sein kann.

Der EuGH begründete seine Auffassung damit, dass es sich bei der Gutachtenerstellung um eine „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistung … einer als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannten Einrichtung” handeln kann. Derartige Leistungen sind zwar nicht explizit nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz von der Umsatzsteuer befreit, aber nach europäischem Recht (Art. 132 Abs. 1 g) der MwStSystRL). Soweit die Steuerbefreiung nach europäischen Recht weiter gefasst ist als die nach deutschem Recht, kann sich der Steuerpflichtige in bestimmten Fällen direkt auf diese berufen.

Es bleibt abzuwarten, ob das EuGH-Urteil eine Auswirkung auf den Umfang der Steuerbefreiung in Deutschland hat. Es wäre jedoch möglich, dass bei ärztlichen Gutachten, die durch „Einrichtungen mit sozialem Charakter” erstellt werden, die Steuerbefreiung auch dann greift, wenn es sich dabei nicht (mehr) um eine Heilbehandlungsleistung handelt.



Autorin: Anka Neudert

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