Nebenberuflich tätige Fahrer im Bereich der Altenhilfe erbringen einkommensteuerlich begünstigte „Pflegeleistung”

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veröffentlicht am 24. Mai 2018

 

Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg entschied in seinem Urteil vom 8. März 2018, dass nebenberuflich tätige Fahrer im Bereich der Altenhilfe, die im Bereich  der teilstationären Pflege Hol- und Bringdienste für ältere, pflegebedürftige Menschen durchführen, Pflegeleistungen im Sinne des § 3 Nr. 26 EStG erbringen. Für die nebenberuflich tätigen Fahrer hat dies zur Folge, dass sie den „erhöhten Freibetrag” von 2.400 Euro pro Jahr in Anspruch nehmen können und nicht nur die ermäßigte Grenze für übrige Leistungen für gemeinnützige Einrichtungen i.H.v. 720 Euro angewendet wird. Für die gemeinnützigen Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie nicht zur Einbehaltung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen verpflichtet sind, soweit die Grenze von 2.400 Euro pro Jahr und Person nicht überschritten wird.

 

Hintergrund:

Nach § 3 Nr. 26 EStG sind Einnahmen aus nebenberuflicher Tätigkeit als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, aus nebenberuflicher künstlerischer Tätigkeit oder aus der nebenberuflichen Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen, die im Auftrag einer gemeinnützigen Einrichtung erbracht werden, bis zu einer Höhe von insgesamt 2.400 Euro steuerfrei. Nicht eindeutig geklärt war bisher die Frage, ob nebenberuflich tätige Fahrer im Hol- und Bringdienst von Altenpflegeeinrichtungen derartige „Pflegeleistungen” erbringen. Die Klärung dieser Frage ist jedoch von wesentlicher Bedeutung, da die Fahrer andernfalls nur den deutlich geringeren „allgemeinen Freibetrag” des § 3 Nr. 26 a) EStG i.H.v. 720 Euro pro Jahr anwenden könnten. Die gemeinnützigen Einrichtungen, für die die Fahrer tätig sind, müssten die entsprechende Lohnsteuer beim Finanzamt anmelden und abführen sowie die Sozialversicherungsbeiträge entrichten.

 

Sachverhalt und Entscheidung des Gerichts:

Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung des FG Baden-Württemberg vom 8. März 2018 zu Grunde: eine gemeinnützige GmbH betrieb ein Seniorenzentrum, in dem unter anderem vollstationäre Dauerpflege, Kurzzeitpflege, Betreutes Wohnen, ein ambulanter Pflegedienst sowie teilstationäre Pflege angeboten wurden. Nach einer Lohnsteueraußenprüfung erließ das Finanzamt einen Lohnsteuer-Haftungsbescheid, in dem es Lohnsteuer für die an die Fahrer gezahlten Aufwandsentschädigungen festsetzte. Das Finanzamt begründete seine Auffassung damit, dass die Tätigkeit als Fahrer keinen persönlichen Kontakt zwecks Förderung der geistigen oder körperlichen Fähigkeiten zulasse und daher nicht unter § 3 Nr. 26 EStG falle.


Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied jedoch in seinem Urteil, dass bürgerschaftlich engagierte Fahrer, die nebenberuflich ältere pflegebedürftige Menschen an ihrer Wohnung abholen und zur Tagespflege bzw. wieder zur Wohnung bringen und u.a. den Menschen beim Ein- und Aussteigen sowie beim Anschnallen helfen sowie sich mit ihnen unterhalten, eine im Rahmen des § 3 Nr. 26 EStG steuerfreie nebenberufliche Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen erbringen. Laut FG lässt der Umstand, dass der Hol- und Bringdienst – anders als bei Kranken- oder Behindertentransporten –  jeweils nur von einem Fahrer durchgeführt wird, nicht die Schlussfolgerung zu, dass diese Tätigkeit nicht mehr als Pflege, sondern als Sachleistung (Beförderung) anzusehen sei. Der Begriff der „Pflege” verlange hier keine bestimmte Intensität, sondern sei weit auszulegen.

 

Fazit:

Für die Betreiber teilstationärer Alten- und Pflegeinrichtungen stellt dieses Urteil sicherlich eine gute Nachricht dar – zum einen weil es etwas leichter sein dürfte, ehrenamtliche Fahrer für die Hol- und Bringdienste zu gewinnen, da deren Aufwandsentschädigungen bis zur Grenze von 2.400 Euro im Jahr steuerfrei bleiben. Zum anderen, weil die lohnsteuerlichen Pflichten in Bezug auf diese ehrenamtlichen Fahrer leicht sinken​​​ und die Arbeitgeber bis zur besagten Grenze keine Lohnsteuer einbehalten und abführen müssen.  Allerdings hat das Finanzgericht die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, das in der Sache erneut entscheiden könnte.



Autorin: Anka Neudert

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