Investitionsbeihilfe für Pflegeheime und angegliederte Einrichtungen können mit dem Binnenmarkt nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV vereinbar sein

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​veröffentlicht am 29. August 2017

 

Die Europäische Kommission hatte sich jüngst mit der Beschwerde eines Wettbewerbers wegen einer mutmaßlichen rechtswidrigen staatlichen Beihilfe zugunsten eines privaten Investors auseinanderzusetzen. Daraufhin hat sie entschieden, dass Investitionsbeihilfen für Pflegeheime und angegliederte Einrichtungen mit dem Binnenmarkt nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV vereinbar sind.

 

​Die Europäische Kommission hatte über die Beschwerde eines Wettbewerbers wegen einer mutmaßlichen rechtswidrigen staatlichen Beihilfe zugunsten eines privaten Investors zu entscheiden. Dieser hatte ein ehemaliges Krankenhaus in ein Pflegeheim mit angegliederten Einrichtungen – Wohnungen für betreutes Wohnen und ein Ärztehaus mit Dialysestation – umgebaut und anschließend zu einem günstigen Preis an den Pflegeheimbetreiber verpachtet. In der Beschwerde wurden sowohl der Zuschuss an den Investor für den Umbau des ehemaligen Krankenhauses in ein Pflegeheim als mutmaßliche unmittelbare staatliche Beihilfen, als auch der Pachtvertrag zwischen diesem Investor und dem Pflegeheimbetreiber als mutmaßliche indirekte bzw. mittelbare Beihilfe genannt und von der Kommission auf Beihilfekonformität geprüft.

 

I. Sachverhalt

Mit Schreiben vom 10. April 2012 ging bei der Kommission eine Wettbewerberbeschwerde wegen einer mutmaßlichen rechtswidrigen staatlichen Beihilfe zugunsten eines Investors, der ein ehemaliges Krankenhaus in ein Pflegeheim mit angegliederten Einrichtungen – Wohnungen für betreutes Wohnen und ein Ärztehaus mit Dialysestation – umgebaut hatte, ein. Der Beschwerdeführer ist der Betreiber eines anderen, unweit der beihilfegebenden Gemeinde liegenden Pflegeheims. Nach seiner Auffassung sei zudem sein Wettbewerber – der Betreiber des mit Hilfe der Zuwendung umgebauten Pflegeheims, an den der begünstigte Investor das Pflegeheim im Anschluss verpachtet hat – durch die mutmaßliche Beihilfe indirekt begünstigt worden.


Der Beschwerdeführer brachte vor, dass die beihilfegebende Gemeinde dem Investor insgesamt 5,5 Mio. EUR als Investitionsbeihilfe gewährt hat. Nach Auffassung des Beschwerdeführers stellt dieser Zuschuss eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe dar. Der Beschwerdeführer machte ferner geltend, dass auch der Betreiber des Pflegeheims durch den Investitionszuschuss einen indirekten Vorteil erhalten hat, denn der Zuwendungsempfänger habe dank der Investitionsbeihilfe der Stadt das umgebaute Pflegeheim unter Marktpreis an Pflegeheimbetreiber verpachten können. Der Beschwerdeführer hielt daran fest, dass auch die mutmaßliche indirekte Beihilfe nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar sei.

 

II. Würdigung der Kommission

Zunächst hat die Kommission geprüft, ob der Zuschuss an den Investor eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe darstellt. Sie hat im Ergebnis diese Frage offengelassen, weil sie die Maßnahme nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar ansah.


Nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV können „Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft” als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden. Bei der Anwendung des Artikels 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV muss die Kommission stets die positiven und gewünschten Auswirkungen einer Beihilfemaßnahme gegen ihre negativen Auswirkungen auf die Handelsbedingungen, die sich aus ihrer Umsetzung ergeben können, abwägen.

 

Damit eine Beihilfemaßnahme der Abwägungsprüfung standhält, muss sie der Beschlusspraxis der Kommission zufolge fünf Voraussetzungen erfüllen. Erstens muss die Beihilfemaßnahme einem genau definierten Ziel von gemeinsamem Interesse dienen. Zweitens muss die Beihilfemaßnahme ein angemessenes Instrument zur Erreichung dieses Ziels darstellen. Drittens muss sie erforderlich sein und einen Anreizeffekt haben. Viertens muss die Beihilfemaßnahme verhältnismäßig sein. Fünftens darf die Beihilfe die Handelsbedingungen nicht in einem Maße beeinträchtigen, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.

 

All diese Voraussetzungen hat die Kommission im vorliegenden Fall bejaht. Der vom Betreiber gezahlte Pachtzins wurde am Ende der Würdigung ebenfalls beurteilt. Die Kommission hatte keine Anhaltspunkte dafür, dass der Investitionszuschuss, der für die Durchführung des Investitionsvorhabens, Umbau des ehemaligen Krankenhauses in ein Pflegeheim, gewährt wurde, so ausgestaltet worden wäre, dass seine sekundären Auswirkungen spezifisch dem Pflegeheimbetreiber zugeleitet würden. Ein mittelbarer Vorteil liegt nämlich nur dann vor, wenn die Maßnahme so ausgestaltet ist, dass ihre sekundären Auswirkungen bestimmbaren Unternehmen oder Gruppen von Unternehmen zugeleitet werden und den Unternehmen daraus ein Vorteil erwächst. Der bloße Umstand, dass der Betreiber einer Infrastruktur an den Eigentümer der Infrastruktur ein Entgelt zahlt, das die Kosten für den Bau der Infrastruktur nicht vollkommen deckt, lässt nicht den Schluss zu, dass eine mittelbare Beihilfe zugunsten des Betreibers vorliegt – so die Kommission. Selbst wenn der Betreiber eine indirekte Beihilfe erhalten haben sollte, dann wäre diese nach Auffassung der Kommission lediglich Folge des gewährten, mit dem Binnenmarkt vereinbarten Investitionszuschusses und wäre ebenfalls nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar.

 

Der Beschluss bestätigt die bisherige Entscheidungspraxis der Kommission und erinnert an eine zusätzliche Möglichkeit für beihilferechtskonforme Gestaltung der Finanzierungsmaßnahmen im Gesundheitswesen, insbesondere in den Fällen, in welchen die Verneinung des Beihilfetatbestandes mit der rein lokalen Auswirkung der Maßnahme – wie von der Kommission in der letzten Zeit so oft angenommen – nicht möglich ist. Diese Gestaltungsmöglichkeit könnte insbesondere für Gesundheitseinrichtungen in grenznahen Gebieten von gewichtiger Bedeutung sein.

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