Absetzung für Abnutzung nach Erwerb von Vertragsarztsitzen

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veröffentlicht am 29. Juni 2017

 

Der Erwerber von Vertragsarztsitzen darf nur dann sogenannte Absetzungen für Abnutzung (AfA) vornehmen, wenn der Erwerbsgegenstand die gesamte Vertragsarztpraxis und nicht nur die Vertragsarztzulassung umfasst.

 

​[BFH v. 21.02.2017, VIII R 7/14 und VIII R 56/14]

 

In zwei Urteilen hat der BFH entschieden, dass der Erwerber von Vertragsarztsitzen nur dann die sogenannten Absetzungen für Abnutzung hierauf vornehmen darf, wenn der Erwerbsgegenstand die gesamte Praxis und nicht die Vertragsarztzulassung umfasst. Die Vertragsarztzulassung berechtigt dauerhaft zur Erzielung von Einnahmen und unterliegt – einzeln betrachtet – keiner Abnutzung.

 

Ausgangssituation

Die Beteiligten in beiden Streitfällen hatten Praxisübernahmeverträge geschlossen. Darin war auch die Überleitung der Vertragsarztzulassungen vom Veräußerer und Zulassungsinhaber auf den Praxiserwerber geregelt. Mit dem höchstpersönlichen, öffentlich-rechtlichen Statusrecht der Vertragsarztzulassung besitzt deren Inhaber die Möglichkeit, seine Leistungen an gesetzlich krankenversicherte Patienten gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen. In zulassungsbeschränkten Gebieten wird die Vertragsarztzulassung im Nachbesetzungsverfahren nach § 103 SGB V erteilt und kann deshalb vom ursprünglichen Inhaber nicht direkt an einen Erwerber verkauft werden. Ungeachtet dessen beinhalten Praxisübernahmeverträge vielfach Regelungen zur Überleitung der Vertragsarztzulassung auf den Praxiserwerber und die Verpflichtung zur Mitwirkung des Inhabers im Nachbesetzungsverfahren.

 

Erster Streitfall

Im ersten Streitfall (Az.: VIII R 7/14) erwarb eine fachärztliche Gemeinschaftspraxis die Vertragsarztpraxis eines Kassenarztes. Der Kaufpreis für die Praxis orientierte sich an den durchschnittlichen Einnahmen aus ärztlichen Heilbehandlungen inklusive eines Zuschlags. Zwar übernahm man einige Mitarbeiter der Einzelpraxis und das Patientenarchiv, da man davon ausging, dass frühere Patienten der Einzelpraxis die Gemeinschaftspraxis der Erwerber aufsuchen würden. Allerdings sollte die ärztliche Tätigkeit nicht in den Räumen des bisherigen Praxisinhabers fortgeführt werden. Darüber hinaus verpflichtete sich der frühere Zulassungsinhaber im Nachbesetzungsverfahren nach § 103 SGB V mitzuwirken.

 

Nach Ansicht des BFH ist die Vertragsarztzulassung untrennbar mit dem Praxiswert als abnutzbares Wirtschaftsgut verbunden, wenn die gesamte Vertragsarztpraxis inklusive der zugehörigen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter, insbesondere dem Praxiswert, als Chancenpaket erworben wird. Dies gilt mit dem Urteil des BFH vom 21.02.2017 nun ausdrücklich auch dann, wenn eine Gemeinschaftspraxis eine Einzelpraxis unter der Bedingung erwirbt, dass die Vertragsarztzulassung des Inhabers im Nachbesetzungsverfahren einem Gesellschafter der erwerbenden Gemeinschaftspraxis erteilt wird.

 

Wesentliches Argument für einen beabsichtigten Erwerb der Praxis als Chancenpaket sei, dass der Kaufpreis in Höhe des Verkehrswerts der Praxis gewählt wurde. Die Fortführung der ärztlichen Tätigkeit in den Räumen der früheren Einzelpraxis bildet keine zwingende Voraussetzung. Auf dieser Grundlage erkannte der BFH die Berechtigung zur Absetzung für Abnutzung auf den Praxiswert und die übrigen erworbenen Wirtschaftsgüter der Praxis an, was auch den Anteil der Vertragsarztzulassung mit einschließt.

 

Zweiter Streitfall

Im zweiten Streitfall (Az.: VIII R 56/14) vereinbarte der Inhaber einer Einzelpraxis mit dem neu hinzukommenden Gesellschafter einer Gemeinschaftspraxis einen Praxisübernahmevertrag unter der Voraussetzung der erfolgreichen Überführung der Vertragsarztzulassung auf den Erwerber. Der Veräußerer verpflichtete sich hier ebenfalls zur Mitwirkung im Nachbesetzungsverfahren und verlegte außerdem für kurze Zeit seine Vertragsarztpraxis an den Ort der Gemeinschaftspraxis. Hingegen erbrachte er keine ärztlichen Tätigkeiten für die Gemeinschaftspraxis.

 

Die Berechtigung zur Absetzung für Abnutzung des Erwerbers lehnte der BFH in voller Höhe ab.

 

Gemäß der Ansicht des BFH erwarb der Neugesellschafter lediglich den wirtschaftlichen Vorteil aus der Vertragsarztzulassung, weil er am Patientenstamm und anderen Vermögensgegenständen der früheren Einzelpraxis kein Interesse hatte. Da der Inhaber die unbefristet erteilte Vertragsarztzulassung gleichbleibend in Anspruch nehmen kann, solange er sie innehat, unterliegt dieses Wirtschaftsgut separat betrachtet keiner Abnutzung und kann deshalb auch nicht getrennt abgeschrieben werden. Der Zulassungsinhaber könne den hieraus resultierenden wirtschaftlichen Vorteil im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahren nach § 103 SGB V durch Überleitung auf einen Nachfolger verwerten. Deshalb verbraucht sich der Wert des wirtschaftlichen Vorteils aus der Vertragsarztzulassung nicht in einer bestimmten oder bestimmbaren Zeit.

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Dr. Mathias Lorenz, M.I.Tax

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