Kapitalgesellschaft als begünstigte Einrichtung des öffentlichen Rechts? (EuGH, 29. Oktober 2015)

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veröffentlicht am 15. Dezember 2015

 

​Was bisher aus Sicht der deutschen Finanzverwaltung nicht in Betracht kam, hält der EuGH nun für möglich – mit weitrechenden Konsequenzen.

 

​Nach Ansicht des EuGH kommt es nicht auf die Rechtsform an, um unter die generelle Befreiungsnorm des Art. 13 MwStSystRL zu fallen. Es muss sich vielmehr „nur” um eine öffentliche Einrichtung handeln und diese muss im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig werden.
 
Juristische Personen des privaten Rechts (Kapitalgesellschaften) können als Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) verstanden werden (Urteil des EuGH vom 29. Oktober 2015, C-174/14). Was bedeutet dies? Kapitalgesellschaften gelten aus Sicht des deutschen Gesetzgebers, der Finanzverwaltung und des Bundesfinanzhofes immer als Unternehmer. Umsatzsteuerbefreiungen richten sich stets nach einschlägigen Befreiungsnormen des UStG. Nach dem europäischen Recht der MwStSystRL genießen Einrichtungen des öffentlichen Rechts hingegen eine Sonderstellung. Sie gelten entsprechend Art. 13 MwStSystRL als Nichtsteuerpflichtige, wenn sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig werden und keine größeren Wettbewerbsverzerrungen drohen. Auf mögliche Befreiungen kommt es dann nicht mehr an. 
   
Eine öffentliche Einrichtung liegt dann vor, wenn die Gesellschaft in die Organisation der öffentlichen Verwaltung eingegliedert ist. Dies ist bei Eigengesellschaften regelmäßig anzunehmen, wenn diese auch noch ausschließlich aufgrund eines Gesetzes tätig werden. Handeln im Rahmen der öffentlichen Gewalt bedeutet im Rahmen der ihr eigenen rechtlichen Regelungen, also nicht wie private Wirtschaftsteilnehmer.
 
Bezogen auf die Praxis werden beliehene Gesellschaften nun unter einem neuen Licht betrachtet. Beliehenen Unternehmern werden in der Regel Hoheitsrechte übertragen. Die Beleihung erfolgt auf der Basis eines Gesetzes. So können aufgrund gesetzlicher Regelungen mit der Abwasserbeseitigung, der Hausmüllentsorgung oder anderen hoheitlichen Aufgaben Kapitalgesellschaften beauftragt (beliehen) werden. Im entschiedenen Fall erbrachte die Gesellschaft Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Gesundheitsbereich gegenüber ihrem Gesellschafter. Diese Leistungen sind nach bisheriger nationaler Sicht steuerbar und steuerpflichtig. Hieran kann das Urteil des EuGH einiges ändern.  Auf der Basis der Rechtsprechung könnten die Leistungen als steuerfrei betrachtet werden und damit die öffentliche Hand entlasten, da dieser kein Vorsteuerabzug zusteht. Voraussetzung ist allerdings auch, dass kein größerer Wettbewerb besteht.
 
Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob man sich auf die Rechtsprechung bezieht, da der Gesellschaft dann auch kein Vorsteuerabzug zusteht. Von daher kommt es auf den jeweiligen Einzelfall und die Gestaltung an. Auch im Hinblick auf die Neuregelungen des § 2b UStG ergeben sich interessante Gestaltungsmöglichkeiten, die Kapitalgesellschaften bisher verwehrt blieben. Diese können, wenn sie eine öffentliche Einrichtung im Sinne des EuGH darstellen, steuerbegünstigte Kooperationen eingehen. Darüber hinaus sind die Befreiungsnormen für öffentliche Einrichtungen deutlich weiter. Unter diesem Blickwinkel sollten daher die „öffentlichen Einrichtungen” unter die Lupe genommen werden.

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