Europäisches Beihilferecht: Wettbewerbsklage gegen Ausgleichszahlungen an öffentliche Krankenhäuser in erster Instanz gescheitert!

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LG Tübingen, 23.12.2013
  
Der Bundesverband Deutscher Privatkliniken (BDPK) ist mit einer Wettbewerbsklage wegen einer Verletzung des europäischen Beihilferechts vor dem Landgericht Tübingen (Az. 5 O 72/13) in erster Instanz gescheitert. Der Verband hatte den Landkreis Calw auf Unterlassung des finanziellen Ausgleichs wirtschaftlicher Verluste der  Kreiskrankenhäuser in Calw und Nagold verklagt. Anlass der Klage war die Entscheidung des Landkreises, die Fehlbeträge der zwei defizitären Krankenhäuser auch für das Jahr 2012 (6,2 Mio EUR) sowie für die Folgejahre auszugleichen.
   
Das Landgericht entschied mit Urteil vom 23.12.2013, dass die an die Kreiskliniken erbrachten Leistungen nicht unter die unionsrechtlichen Wettbewerbsbestimmungen fallen. Sie müssten daher weder der Kommission angezeigt werden noch unterlägen sie dem Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 2 AEUV.
   
Kommunale Krankenhäuser seien Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Im Unterschied zu den Krankenhäusern in öffentlicher Trägerschaft, die eine flächendeckende Gesundheitsversorgung gewährleisten und Klinikstandorte auch bei wirtschaftlichen Verlusten zunächst weiter betreiben müssten, könnten sich private Kliniken von unrentablen Standorten trennen. Dadurch erbrächten kommunale Kliniken eine besondere Leistung der staatlichen Daseinsvorsorge. Das Gericht betont, dass die Auferlegung dieser Betreibenspflicht im Landeskrankenhausgesetz eine nur die Stadt- und Landkreise treffende Sonderverpflichtung darstellt. Das Bestehen einer Sonderverpflichtung war in einem Urteil des EuGH im November 2012 (T-137-/10) als besonders wesentlich dargestellt worden. Die Tätigkeit der Krankenhäuser des Landkreises stelle nach der Definition des Krankenhausgesetzes eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse dar, welche nach den Voraussetzungen der Freistellungsentscheidung (2005/842/EG, Anm.: Inzwischen abgelöst vom Freistellungsbeschluss der Kommission, 2012/21/EU) der Europäischen Kommission als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden könne.
  
Dabei sieht das Gericht seine Prüfungspflichten jedoch in mehrfacher Hinsicht als eingeschränkt an, insbesondere hinsichtlich des Vorliegens der einzelnen Voraussetzungen des Freistellungsbeschlusses. Zum Einen sei von der Landesregierung festzulegen, welche Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sind und welche Krankenhäuser für welche Standorte notwendig sind. Zum Anderen sei bei der Frage, ob die Kammer als Wettbewerbsgericht überhaupt die Entscheidungskompetenz hat, zu berücksichtigen, dass grundsätzlich ausschließlich die Kommission darüber zu entscheiden hat, ob eine staatliche Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist.
  
Das Urteil ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wäre das Gericht der Argumentation der Kläger gefolgt, wären Betrauungen im Bereich der Gesundheitsversorgung mangels Sonderverpflichtung kaum noch möglich. Dies würde auch zu einer Zweckverfehlung des Freistellungsbeschlusses der Europäischen Kommission in diesem Bereich führen. Es steht aber zu erwarten, dass der Kläger seine Klage weiter durch die Instanzen verfolgen und versuchen wird, diese möglichst vor ein Europäisches Gericht zu bringen.
 

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Jan-Volkert Schmitz

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