In wieweit Sie Ihrem Rechtsanwalt glauben dürfen (BGH, 28. April 2015)

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veröffentlicht am 26. Januar 2016

 

Der Urteilsfall ist ein Beispiel dafür, in welchem Umfang sich Vorstände und Geschäftsführer sich durch Hinweis auf anwaltliche Beratung entlasten können. Dabei geht es einerseits um den konkret erteilten Prüfungsauftrag sowie die erforderliche Plausibilitätskontrolle. Auch wenn es im Streitfall um ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft ging, so gelten für hauptamtliche Vorstände und Geschäftsführer von GmbH’s, Stiftungen, Vereinen und Kommunalunterehmen dieselben Grundsätze. Nur für ehrenamtliche Organmitglieder gibt es Erleichterungen, die aber nicht so weit reichen, wie vielfach angenommen wird.

 

​In dem vom BGH unter dem 28. April 2015 entschiedenen Fall hatte eine Aktiengesellschaft (AG) mit einer Beratungsfirma einen Beratungsvertrag geschlossen, in dem auch eine Vergütung für deren Geschäftsführer als vorübergehendem Vorstand der AG vereinbart war. Die AG wurde dabei von zwei anderen Vorständen vertreten. Die Zuständigkeit des Aufsichtsrats lies der Berater von Rechtsanwälten prüfen. Richtigerweise hätte die AG aber vom Aufsichtsrat vertreten werden müssen. Die Vertretung hatten die Rechtsanwälte allerdings nicht geprüft. Die AG wollte festgestellt wissen, dass der ihr daraus entstehende Schaden vom Beklagten – dies war der vorübergehende Vorstand – ersetzt werden müsse.
  
Der BGH gab der AG teilweise recht, verwies den Streit aber an das Berufungsgericht zurück.
 
Der beklagte Berater und Interimsvorstand habe als Mitglied des Vorstands darauf hinzuwirken, dass auch seine Vorstandskollegen die Kompetenzordnung achten und ihre Kompetenzen nicht überschreiten, auch wenn er selbst den Vertrag nicht für die AG unterzeichnet hatte. Damit stellte das Gericht in erster Linie einen Pflichtenverstoß durch den Interimsvorstand fest (Unterlassen des Hinweises an die Kollegen).
  
Noch nicht ausreichend geklärt war im Streitfall jedoch die Frage, ob der Beklagte auch schuldhaft seine Pflichten als Vorstand verletzt hatte. Mangelnde Fähigkeiten und Kenntnisse, die dem verlangten Standard nicht genügen, stellen keinen Entschuldigungsgrund dar. Das gilt erst recht für einen Rechtsirrtum. Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risi-ko, die Rechtslage zu verkennen.
 
Ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft kann sich nur ausnahmsweise wegen eines Rechtsirrtums entlasten, wenn es sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und den erteilten Rechtsrat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht.
  
Im Streitfall war der Vorgang durch Rechtsanwälte aber geprüft worden. Die Vorinstanz nahm dennoch ein Verschulden des Beklagten an. Sie ließ die anwaltliche Prüfung nicht genügen, da nur geprüft worden war, dass der Vertrag aus der Sicht der sachbearbeitenden Rechtsanwälte nach den Satzungsbestimmungen der AG nicht der Zustimmung des Aufsichtsrats bedurfte, und die naheliegende Frage, ob der Vorstand aufgrund einer persönlichen Betroffenheit des Beklagten möglicherweise von der Vertretung der AG bei dem Vertragsschluss ausgeschlossen war, in der Stellungnahme nicht beantwortet werde und auch nicht erkennbar sei, dass eine entsprechende Prüfung überhaupt ausdrücklich Gegenstand der Beauftragung der Anwaltskanzlei gewesen sei.


Der BGH meinte jedoch, dass damit die Anforderungen überspannt würden. Eine Entlastung aufgrund eines Rechtsirrtums verlange nicht, dass ein Prüfauftrag ausdrücklich für eine bestimmte Rechtsfrage erteilt wird, sondern nur, dass die Prüfung aus der Sicht des nicht fachkundigen Organs die zweifelhafte Frage umfasst. Selbst wenn sich der dem sachkundigen Dritten erteilte Auftrag auf eine anderweitige Aufgabenstellung richtet, kann es das Organ entlasten, wenn es sich nach den Umständen der Auftragserteilung darauf verlassen durfte, die Fachperson habe im Rahmen der anderweitigen Aufgabenstellung auch die zweifelhafte Frage geprüft.
 
Unabhängig vom Inhalt des Prüfauftrags kann es das Organ auch entlasten, wenn die fachkundige Person nach dem Inhalt der Auskunft die Rechtsfrage tatsächlich geprüft und beantwortet hat. Dass der Prüfauftrag nicht auf die ausdrückliche Klärung einer bestimmten rechtlichen Frage - wie hier nach der Würdigung des Berufungsgerichts den Ausschluss des Vorstands von der Vertretung der Klägerin nach § 112 AktG aufgrund einer persönlichen Betroffenheit des Beklagten - zielt, hindere eine Entlastung ebenfalls nicht. Von einem nicht selbst rechtskundigen Auftraggeber könne grundsätzlich nicht erwartet werden, dass er bestimmte Rechtsfragen formuliert.
  
Aus den Darlegungen der Rechtsanwälte, der Vertrag unterliege nicht der Zustimmung des Aufsichtsrats, musste ein juristischer Laie nach Ansicht des BGH nicht entnehmen, dass die Kompetenz des Vorstands zum Handeln nicht geprüft worden ist. Im Gegenteil befasse sich die E-Mail ausführlich mit den Kompetenzen des Aufsichtsrats und erklärt, warum der Beratervertrag nicht darunter falle.
  
Soweit kommt der BGH also dem beklagten Interimsvorstand entgegen, obwohl der Prüfauftrag an die Rechtsanwälte den eigentlich springenden Punkt nicht umfasst hatte. Trotzdem war im Streitfall der Beklagte dadurch noch nicht vollständig entlastet.
  
Es bedurfte nach Ansicht des BGH weiterer Feststellungen zu einer Entlastung des Beklagten. Ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft könne sich nur ausnahmsweise wegen eines Rechtsirrtums entlasten, wenn es sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und den erteilten Rechtsrat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht. Insoweit liegen sowohl die Darlegungs- als auch die Beweislast beim Beklagten.
 
Das Berufungsgericht müsse die Unabhängigkeit des anwaltlichen Beraters prüfen. Damit sei nicht seine persönliche Unabhängigkeit gemeint, sondern dass der Berater seine Rechtsauskunft sachlich unabhängig, d.h. unbeeinflusst von unmittelbaren oder mittelbaren Vorgaben hinsichtlich des Ergebnisses erteilt hat. Einflussnahmen des Vorstandsvorsitzenden, der die Rechtsanwälte beauftragt hat, fallen in die Risikosphäre des Beklagten. Gefälligkeitsgutachten entlasten daher nicht.
  
Ebenso müsse das Berufungsgericht feststellen, ob der Beklagte eine Plausibilitätsprüfung vorgenommen habe. Grundlage der Plausibilitätsprüfung sei die unzutreffende Rechtsauskunft und nicht die wirkliche Rechtslage. Hier kam es dem BGH darauf an, ob die Rechtsanwälte sich erkennbar mit einem zutreffenden Sachverhalt auseinandergesetzt hatten und auch alle Details mit einbezogen hatten, also sich etwa mit den Zustimmungsvorbehalten der Satzung und der Geschäftsordnung auseinander gesetzt hatten.
  
Ohne diese Prüfung der Unabhängigkeit der Berater und die Plausibilitätsprüfung konnte sich der Beklagte nicht entlasten.
 
Diese Grundsätze gelten auch für ehrenamtliche Vorstände von Vereinen. Auch dort wird also zunächst geprüft, ob eine Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt. Erst bei der anschließenden Frage, ob diese Pflichtverletzung auch schuldhaft begangen wurde, kommt es zu Erleichterungen. Hier haften Ehrenamtliche grundsätzlich nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Der Haftungsausschluss bezieht sich damit nur auf leichte Fahrlässigkeit (§ 31a BGB). Bei der Abgrenzung der groben zur leichten Fahrlässigkeit wird es auch auf die persönlichen Fähigkeiten des Ehrenamtlichen ankommen.

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