Entgeltverhandlungen als Fundament der Wirtschaftlichkeit

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Von Dr. Heiko Schuh
 
Der Beitrag fasst kurz zusammen, wie Entgeltverhandlungen zustande kommen und auf welchen Informationen sie aufbauen. Er weist aber insbesondere darauf hin, in welcher Zeit sie stattfinden müssen und dass aus den Verhandlungen Chancen und Risiken entstehen. Schließlich zeigt er, welche umfassenden und diversen fachlichen und vernetzenden bzw. bündelnden Kompetenzen sie erfordern und welche betriebswirtschaftlichen Auswirkungen sie haben – jeweils auf beiden Seiten der Verhandlungspartner.
 

Wozu gibt es Entgeltverhandlungen?

Für jede zugelassene stationäre Einrichtung – also Pflegeheime, Jugendheime, Behindertenheime – ist ein gesonderter, individueller Pflegesatz zulässig. Es obliegt dem jeweiligen örtlich zuständigen Hilfeträger u.a. mit den Trägern der im Gebiet des Jugend- oder Sozialhilfeträgers liegenden Einrichtungen deren Entgelte für einen zukünftigen Zeitraum zu verhandeln – und damit erhebliche betriebswirtschaftliche Auswirkungen auf Einrichtungsträger und Hilfeträger für die kommende Zeit zu bestimmen. Im Einzugsgebiet eines Hilfeträgers gibt es i.d.R. einige wenige bis zu mehreren Dutzend stationäre Einrichtungen, mit denen bei Bedarf verhandelt werden muss. Die Entgelte bilden aus betriebswirtschaftlicher Sicht das „Herzstück“ der Wirtschaftlichkeit der Einrichtungen, deren Vereinbarung daher zu den wichtigsten – und gleichzeitig anspruchsvollsten – Aufgaben gehört. Dabei beinhalten die Pflegesätze verschiedene Komponenten wie Pflegevergütungen, Entgelt für Unterkunft und Verpflegung, Ausbildungszuschlag oder Investitionskostenpauschale. Teilweise gibt es dabei eine Zusammenarbeit mit Vertretern der Pflegeversicherung.
 
Eine Verhandlung kommt auf Anforderung der jeweiligen Einrichtung zustande. Der Hilfeträger ist bei einer solchen Verhandlungsanforderung zu einer Verhandlung verpflichtet. Ursachen für den Wunsch zu Neuverhandlungen und damit die Anpassungen von Kostensätzen können vielfältig sein und einerseits auf externe Einflüsse wie allgemeine Kostenentwicklungen nach Tarifvertrag oder im Energiebereich zurückzuführen sein. Andererseits können auch interne Einflüsse zum Verhandlungswunsch führen wie neue Angebote mit Veränderungen des Leistungsangebots, der Platzzahl, der Belegung oder der Konzeption der Einrichtung oder Umbaumaßnahmen und die damit verbundenen veränderten Investitionskosten. Auch die Drohung einer wirtschaftlichen Notlage der Einrichtung ist ein weiterer Anlass. 

 
Was ist für die Verhandlungen vorzubereiten?

Nach der BSG-Rechtsprechung ist von den Einrichtungen die voraussichtliche Kostenentwicklung in differenzierter Form ausgehend von den Ist-Werten des letzten Jahresabschlusses und dabei den verschiedenen Kostenarten und unterschiedlichen Aufgabenbereichen innerhalb der Einrichtungen (Leitung und Verwaltung, Pflege- und Betreuungsdienst, Hauswirtschafts- und Technischer Dienst) darzustellen, zu begründen und zu plausibilisieren. Diese sollen schlüssig, strukturiert, konkret und realistisch sein. Auch Leistungsbeschreibungen und Qualitätsbeschreibungen bzw. -vereinbarungen gehören dazu. Auf der anderen Seite – beim Träger – müssen diese Darstellungen und Begründungen in einem ersten Schritt detailliert nachvollzogen und ebenfalls plausibilisiert werden hinsichtlich der einzelnen Positionen und Kostenstrukturen, deren grundsätzlicher Ansetzbarkeit (z. B. Grundstückserwerb, Eigenkapitalverzinsung, unternehmerisches Risiko, Tilgungszahlungen) und deren Entwicklung, um zunächst hinsichtlich der Zahlen ein gleiches Grundverständnis zu haben. Ein Vergleich mit der vorherigen Kalkulation sollte in jedem Fall hilfreich sein. Sind für den Träger die Darstellungen und Begründungen nicht ausreichend schlüssig, können weitere Unterlagen angefordert und Auskünfte eingeholt werden (z. B. Angaben zum Jahresabschluss, Dienstpläne, Preis- und Arbeitskostenindizes).
 
Aus Sicht der Einrichtungsträger bieten Neuverhandlungen Entwicklungschancen, aber auch Risiken, weil das Verhandlungsergebnis gerade nicht vorab feststeht. Kostenerstattung ist kein Grundprinzip für die Vergütung bzw. keine alleinige Anspruchsgrundlage. Umgekehrt können aber auch nicht ausschließlich einrichtungsunabhängige Marktpreise die Vergütungssätze bestimmen und damit die individuelle Situation einer Einrichtung völlig unberücksichtigt bleiben.
 
An die Plausibilitätsprüfung schließt sich als zweiter Schritt aus Gründen der Einbringung wettbewerbsorientierter Anreize und Preisbildung ein externer Vergleich mit allen – ggf. vergleichbar gemachten – Einrichtungen einer kreisfreien Stadt oder eines Kreises an. Der Vergleich soll Leistungsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit beinhalten. Liegen die Kostensätze der zu vergleichenden Einrichtung im unteren Drittel des Vergleichs, können sie unproblematisch abgeschlossen werden. Liegen sie höher, sollte sich – auch im Abgleich mit der Plausibilitätsprüfung in der ersten Stufe – eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit anschließen. Dabei sind Besonderheiten der Einrichtung zu berücksichtigen, beispielsweise bei besonderen Leistungsangeboten oder besonders personalintensiven Betreuungsangeboten. Die Hilfeträger bewegen sich hier zwischen Mitwirkungspflichten und Machtfülle sowie dem Schutzbedürfnis zuzahlender Heimbewohner, die nur einzelfallabhängig und in Abhängigkeit von der angestrebten Entwicklung der Kostensätze und vom externen Vergleich ausgestaltet werden können. Nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass Heimbewohner – freiwillig – kommen müssen.
 
Anschließend findet eine mündliche Verhandlung statt, bei der  die Verhandlungspositionen in Übereinstimmung gebracht werden sollen. Darüber wird eine Niederschrift bzw. ein Protokoll angefertigt. Ab der Aufforderung zur Verhandlung an den Sozialhilfeträger muss die Verhandlung innnerhalb einer verbindlichen Frist von sechs Wochen erfolgen. Das bedeutet, dass für die oben beschriebenen Prüfungen nur relativ wenig Zeit zur Verfügung steht bzw. die verfügbare Zeit optimal ausgenutzt werden muss, um die erforderlichen Prüfungen – mit den entsprechenden Auswirkungen auf die zukünftige Wirtschaftlichkeit – umfassend abarbeiten zu können.
 

Professionalisierung der Verhandlungen

In der Verhandlung soll eine Entscheidung getroffen werden, d. h. Kostensätze vereinbart werden, die dann über einen längeren Zeitraum erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation sowohl beim Träger der Einrichtung als auch beim Hilfeträger haben. Das erfordert, dass die Verhandlung entsprechend gut vorbereitet und geführt wird. Oft kennen sich die handelnden Akteure, da sie längerfristig immer wieder miteinander zu tun haben. Dies kann die Verhandlungen erleichtern oder erschweren – je nach individueller Situation und Einstellung der Akteure. Gerade große Träger, die solche Verhandlungen häufiger führen, bereiten sich hochgradig professionell auf die Verhandlungen vor und führen sie mit diesen Vorbereitungen zielorientiert. Oftmals werden durch sie zudem spezialisierte Gesellschaften zur Unterstützung eingekauft. Wenn jedoch lediglich einige Einrichtungen für Verhandlungen vorhanden sind und diese Verhandlungen nicht zwingend jährlich stattfinden, ist es schwierig, intensive Verhandlungsroutinen aufzubauen. Diese fehlende Detail- und Verhandlungserfahrung führt im Zweifel zu einem wirtschaftlich nachteiligen Verhandlungsergebnis. Spezifische erforderliche Fachkompetenzen sind somit hilfefachliches, betriebswirtschaftliches und juristisches Fachwissen, um die Daten und Informationen angemessen einordnen, fundiert und umfassend bewerten zu können, aber auch, um die Einrichtungen an sich und deren Leistungsangebot in den Markt einordnen zu können. Mit Verhandlungsgeschick, Verhandlungstaktiken und dem Umgang mit schwierigen Verhandlungssituationen sind diese miteinander zu einer einheitlichen Gesamtsicht zu verknüpfen. Die Verhandlungen sind für die Hilfeträger Pflichttermine, bei denen es aber nicht darum geht, sie als leidige Pflicht hinter sich zu bekommen, sondern bei denen das Ergebnis zählt – und erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen für Einrichtung und Hilfeträger haben kann. Gleichzeitig sind die Anforderungen an die Verhandlungen vielfältig, wie in der unteren Abbildung noch einmal zusammenfasst.
 
  Anforderungen an die verhandelnden Personen in Entgeltverhandlungen
Sollte keine Einigung erreicht werden, ist zwingend eine Schiedsstelle einzubinden. Allerdings nehmen sich die Verhandlungspartner damit über das Einbringen der Fakten hinaus die Möglichkeiten eigenen Agierens zum finden einer Lösung.
 

Was können wir für Sie tun?

Damit in den Verhandlungen der Kostensätze ein optimales Ergebnis erzielt werden kann, ist die Art und Weise der Verhandlungen zu überprüfen, selbstkritisch zu hinterfragen und bei Bedarf zu professionalisieren. Deren Auswirkungen können erheblich sein. Dies kann neben der Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter oder einer interkommunalen Zusammenarbeit auch durch den Einsatz von Rödl & Partner als externem Partner erfolgen.
  
Rödl & Partner kann neben der materiellen Unterstützung bei Erstellung oder Prüfung der Unterlagen vor allem Vergleichserfahrungen aus anderen Verhandlungen einbringen, aber insbesondere die verschiedenen Kompetenzen bündeln, die für erfolgreiche Entgeltverhandlungen erforderlich sind – siehe Abbildung. Diese Kompetenzen stellen wir sowohl im Jugend- als auch Sozialhilfebereich zur Verfügung. 
 

Kontakt

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Thomas Seitz

Diplom-Betriebswirt (FH)

Partner

+49 911 9193 3510

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