Kein Zwang zum Vertragsschluss!

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veröffentlicht am 29.8.2023 | Lesedauer ca. 2 Minuten

LG Wuppertal, Urteil vom 3. März 2023, Az.: 6 O 101/22

Aufwendungsersatz wegen nicht zustande kommen eines Grundstückkaufvertrags, kann nur bei schwerwiegender Treuepflichtverletzung verlangt werden.


Die Beklagte vermarktet als Tochtergesellschaft einer Stadt Grundstücke im Rahmen der örtlichen Wirtschaft. Zur Erweiterung ihres Metallhandels wollte die Klägerin ein Gewerbegrundstück erwerben. Über einen Zeitraum von zwei Jahren standen die Parteien hierfür in Korrespondenz. Insbesondere wurde der Klägerin ein unverbindliches Kaufangebot gemacht und versichert, dass diesbezüglich keinerlei Gespräch mit Dritten stattfinden würde. Unter der Annahme, dass einem tatsächlichen Vertragsschluss nur noch die Klärung von Details entgegenstünde, tätigte die Klägerin vorbereitende Aufwendungen in Höhe von EUR 9.764,27. Der Vertrag kam letztendlich jedoch nicht zustande. Die Klägerin verlangt deshalb Zahlung der Aufwendungen, die sie im Vertrauen auf den – aus ihrer Perspektive – sicher feststehenden Vertragsschluss realisierte. Die Beklagte meint, sie habe keinerlei Vertrauenstatbestand geschaffen. Insbesondere sei die Klägerin auf besondere Verfahrenserfordernisse hingewiesen worden und habe bestimmte Unterlagen nicht vollständig eingereicht.


Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen. Rechtliche Grundlage für den Streit bildet der vorvertragliche Schadensersatzanspruch bei schuldhafter Verletzung von Pflichten im Rahmen bestehender Vertragsanbahnung. Grundsätzlich sind Parteien aufgrund des im Zivilrecht herrschenden Grundsatzes der Privatautonomie bis zum tatsächlichen Vertragsschluss ungebunden, d.h. frei in ihren Entscheidungen und dem anderen gegenüber noch zu nichts verpflichtet. Daher steht es jedem Beteiligten bis zum endgültigen Vertragsschluss auch zu, hiervon wieder Abstand zu nehmen. Erst mit Abschluss des Vertrags beginnt die privatautonom eingegangene rechtliche Bindung, die die Pflichten der Parteien bestimmt, bei deren Verletzung dann ggf. Schadensersatz verlangt werden kann. Ausnahmsweise kann eine Partei bereits vor Vertragsschluss zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn sie u.a. die Verhandlungen ohne gewichtigen Grund abbricht und einen ihr zurechenbaren Vertrauenstatbestand geschaffen hat, der die Gegenpartei zur Tätigung von Vermögensopfern veranlasste. Der darüber hinausgehende Abschluss des Vertrags kann hingegen nicht erzwungen werden. Nach der Rechtsprechung sind bei einem Grundstückskaufvertrag noch strengere Anforderungen an die Annahme einer vorvertraglichen Pflichtverletzung zu stellen. Danach kann bei einer Verweigerung der Mitwirkung an der Beurkundung durch einen Vertragspartner nicht bereits Schadensersatz verlangt werden, wenn es an einem triftigen Grund fehlt. Vielmehr bedarf es einer schwerwiegenden Treuepflichtverletzung wie etwa eine vorsätzliche Täuschung über die Abschlussbereitschaft. Ansonsten ergäbe sich für den Ersatzpflichtigen ein indirekter Zwang zum Vertragsschluss, der dem Konzept der Privatautonomie entgegenliefe.


Diese Voraussetzungen liegen im zugrundliegenden Fall nicht vor. Die Beklagte habe im Rahmen der Korrespondenz keinen hinreichenden Vertrauenstatbestand geschaffen. Auch die Zusicherung, Gespräche mit Dritten zu unterlassen, begründe noch nicht die Sicherheit des Vertragsschlusses, da weitere Hürden und die Unverbindlichkeit des Angebots für die Klägerin aus den Umständen ersichtlich waren. Der Grund für das Nichtzustandekommen des Vertrages liege in der fehlenden abschließenden Einigung der Parteien. Von einer schwerwiegenden Treuepflichtverletzung kann nicht ausgegangen werden.

 

Fazit:

Der Haftung wegen schuldhafter Verletzung von Pflichten aus einem vorvertraglichem Schuldverhältnis liegt primär ein Vertrauensgedanke zugrunde. Insbesondere durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen entsteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis mit gegenseitigen Verhaltenspflichten. Inhalt und Umfang der entstehenden Pflichten hängen davon ab, inwieweit bereits ein Vertrauensverhältnis geschaffen wurde. Steht der Abschluss des künftigen Vertrags schon derart sicher fest, dass die Parteien ernsthaft auf ein Zustandekommen vertrauen dürfen, kann im Falle des Abbruchs der Vertragsverhandlungen ein Anspruch auf Ersatz des hieraus entstehenden Schadens bestehen. Um Streit vorzubeugen, sollten die Parteien daher bereits im Vorfeld in einer Absichtserklärung die für sie jeweils wesentlichen Punkte des Vertrages festlegen.

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