Einschränkung von RETT-Blockern durch § 1 Abs. 3a GrEStG

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Im Bereich der Grunderwerbsteuer bringt das AmtshilfeRLUmsG mit dem neu eingeführten § 1 Abs. 3a GrEStG die lang angekündigte Einschränkung von RETT-Blockern (vom engl. „Real Estate Transfer Tax” für Grunderwerbsteuer). Nach einem gescheiterten ersten Anlauf im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2013 vergangenen Dezember sind Bundestag und Bundesrat damit der Empfehlung des Vermittlungsausschusses gefolgt.
 

a) RETT-Blocker nach bisheriger Rechtslage

Der Gesetzgeber versucht, mit der Änderung eine Besteuerungslücke bei der Grunderwerbsteuer für die Übertragung von grundbesitzenden Gesellschaften zu schließen. Bisher war der Erwerb der Beteiligung an Gesellschaften mit Grundbesitz in Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG (sogenannte Anteilsvereinigung) nur dann steuerbar, wenn der Erwerber hierdurch eine Quote von mindestens 95 Prozent an der Gesellschaft erreichte. Blieb es bei einer Beteiligungsquote von 94 Prozent, wurde keine Grunderwerbsteuer ausgelöst. Dies galt selbst dann, wenn die übrigen 6 Prozent über eine Zwischengesellschaft („RETT-Blocker”) gehalten wurden, an der der Erwerber wiede-rum beteiligt war.
 
Bei Kapitalgesellschaften als Zwischengesellschaft war eine Zurechnung dabei insgesamt ausgeschlossen, wenn der Erwerber mit weniger als 95 Prozent an dieser beteiligt war (kein rechnerisches Durchmultiplizieren, sondern „Alles-oder-nichts-Prinzip”). Bei Personengesellschaften als RETT-Blocker konnte sich der Erwerber im Extremfall sogar zu 100 Prozent am Vermögen beteiligen, wenn der persönlich haftende Gesellschafter ein fremder Dritter war. Dies ergab sich aus der gesellschaftsrechtlichen Besonderheit, dass bei Personengesellschaften eine Pro-Kopf-Betrachtung gilt und auch die vermögenslose Komplementärbeteiligung als Anteil zählt. Wirtschaftlich konnten damit 100 Prozent des Grundvermögens grunderwerbsteuerfrei erworben werden.
 
Abb. 1: „Typischer” RETT-Blocker nach alter Rechtslage – der Käufer erwirbt im Ergebnis fast 100 Prozent an der Immobilien GmbH. Die 5,1 Prozent-Beteiligung der Blocker KG wird ihm nach § 1 Abs. 3 GrEStG nicht zugerechnet; seine 98 Prozent-Beteiligung an einer Personengesellschaft reicht dafür nicht aus. Der Erwerb war damit insgesamt nicht nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbar.
   
Ein prominenter Anwendungsfall für die Nutzung von RETT-Blocker-Strukturen war beispielsweise die Privatisierung der bundeseigenen Immobilienunternehmen TLG Wohnen und TLG Immobilien. Die Bundesrepublik Deutschland verkaufte diese beiden GmbHs mit Immobilienvermögen von insgesamt ca. 1,7 Mrd. Euro Ende des Jahres 2012. Erworben wurden die Gesellschaften dabei jeweils zu 94,9 Prozent von einer GmbH und zu 5,1 Prozent von einer GmbH & Co. KG. Im Fall der TLG Wohnen war die Erwerberin zu 100 Prozent bzw. 99,5 Prozent an diesen Zwischengesellschaften beteiligt. Wirtschaftlich hatte sie die Immobilien damit zu 99,97 Prozent erworben – ohne dass hierauf Grunderwerbsteuer angefallen wäre.
 

b) Wirtschaftliche Betrachtungsweise nach § 1 Abs. 3a GrEStG

Aufgrund der Neuregelung werden solche Gestaltungen nunmehr weitgehend der Grunderwerbsteuer unterwor-fen. Der Wortlaut von § 1 Abs. 3a GrEStG – der so be-schlossen wurde, wie bereits seit Ende des letzten Jahres zu erwarten war – stellt auf eine „wirtschaftliche Beteiligung“ von mindestens 95 Prozent ab. Dabei werden sämtliche Beteiligungsstränge rein rechnerisch betrachtet (d.h. die Beteiligungsprozentsätze durchmultipliziert und addiert) und nicht mehr nur an den einzelnen Gesell-schaftsebenen orientiert. Der unterschiedliche Anteilsbe-griff bei Kapital- und Personengesellschaften ist hierbei nicht mehr maßgeblich. Der unter Abb. 1 dargestellte Anteilskauf in einer „typischen“ Blocker-Struktur ist damit nach neuem Recht grunderwerbsteuerpflichtig:
  
Abb. 2: Neuer Berechnungsmodus für § 1 Abs. 3a GrEStG – Die 5,1 Prozent-Beteiligung wird dem Käufer zu 98 Prozent zugerechnet. Zusammen mit seiner unmittelbaren Beteiligung ergibt sich damit eine wirtschaftliche Beteiligung von 99,8 Prozent. Dieses Überschreiten der wirtschaftlichen 95 Prozent-Schwelle ist nach § 1 Abs. 3a GrEStG steuerbar.
 
Die bisherigen Blocker-Strukturen, bei denen auf jeder Ebene separat geprüft wurde, ob eine Zurechnung von Anteilen gesetzlich vorgesehen ist, wurden damit stark eingeschränkt. Mehrstöckige Konstruktionen bringen künftig in der Regel kaum mehr grunderwerbsteuerliche Vorteile.
 

c) Anwendungszeitraum und Auswirkungen auf bestehende Blocker-Strukturen

§ 1 Abs. 3a GrEStG ist auf alle Erwerbsvorgänge ab dem 7. Juni 2013 anzuwenden. Die vom Bundesrat angestrebte Rückwirkung auf den Beginn des Jahres wurde nicht umgesetzt. Für bestehende Blocker-Strukturen tritt damit keine nachträgliche Steuerbarkeit ein. Zu beachten ist allerdings, dass aufschiebend bedingte Anteilskäufe oder sonstige Verzögerungen beim Erwerbsvorgang problematisch sein können.
 
Bei einer Änderung der Anteilsverhältnisse oder der Weiterübertragung von grundbesitzenden Gesellschaften (auch auf mittelbarer Ebene) ist § 1 Abs. 3a GrEStG allerdings zu beachten. Der Blocker schützt die eingerichtete Struktur nicht zwingend auch für alle künftigen Erwerbsvorgänge vor Grunderwerbsteuer.
 
Abb. 3: Übertragung bestehender Blockerstrukturen – Die Errichtung der Struktur konnte nach früherer Rechtslage ohne grunderwerbsteuerbare Anteilsvereinigung erfolgen. Beim Verkauf der Beteiligung an der Holding GmbH wird nach neuer Rechtslage aber § 1 Abs. 3a GrEStG verwirklicht, weil der Käufer hierdurch 99,8 Prozent an der Immobilien GmbH wirtschaftlich innehat. Es fällt beim Käufer Grunderwerbsteuer auf den gesamten Immobilienbestand der Immobilien GmbH an.
 
Unklar ist auch, ob eine Änderung der Zusammensetzung wirtschaftlich bereits vereinigter Anteile zur Tatbestandsverwirklichung führen kann (z. B. bei Austausch der Blocker-KG in Abb. 2). Dies gilt insbesondere dann, wenn die bestehende Anteilsvereinigung steuerfrei erreicht wurde. Es ist denkbar, dass die Finanzverwaltung versuchen wird, selbst in solchen Fällen die Gelegenheit zur erstmaligen Besteuerung nach § 1 Abs. 3a GrEStG zu nutzen. Bei entsprechender Bedeutung kann es sich anbieten, die Gestaltung durch Einholung einer verbindlichen Auskunft abzusichern.
 

d) Folgen für Gestaltungen nach dem „10-Jahres-Modell”

Bei der Übertragung von grundbesitzenden Personenge-sellschaften konnte nach bisheriger Rechtslage eine 100-prozentige Grunderwerbsteuerbefreiung bei einem stufenweisen Erwerb über den Zeitraum von 10 Jahren erreicht werden. Hierbei wurde zunächst eine 94,9 Prozent-Kommanditbeteiligung erworben, fünf Jahre später die übrigen 5,1 Prozent am Vermögen und zuletzt die Beteiligung an der Komplementärin.
Abb. 4: Grunderwerbsteuerfreiheit nach dem „10-Jahres-Modell” – bisher konnte die Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft durch zeitliche Streckung grunderwerbsteuerfrei so weit aufgestockt werden, dass eine Anteilsvereinigung nach zehn Jahren zu 100 Prozent gemäß § 6 GrEStG befreit war.
 
Diese Vorgehensweise wurde durch § 1 Abs. 3a GrEStG ebenfalls eingeschränkt. Die Aufstockung der 94,9 Pro-zent-Beteiligung am Vermögen der Personengesellschaft auf 100 Prozent war im Beispielsfall bis zum Inkrafttreten von § 1 Abs. 3a GrEStG nicht steuerbar, weil der Käufer bereits seit 5 Jahren an der Gesellschaft beteiligt war; die fortbestehende Beteiligung des Verkäufers an der Verwaltungs-GmbH verhinderte eine steuerbare Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG. Künftig wird mit Erreichen der 95 Prozent-Grenze § 1 Abs. 3a GrEStG verwirklicht; nicht betroffen sind hierbei Gestaltungen, bei denen die Beteiligung bereits auf 100 Prozent aufgestockt wurde.
 
Die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 3a GrEStG zieht aber nicht zwingend volle Grunderwerbsteuer nach sich. Ist der Käufer bereits seit mindestens fünf Jahren gesamthänderisch am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt, ist die wirtschaftliche Anteilsvereinigung gemäß § 6 GrEStG entsprechend seiner in den vorangegangenen fünf Jahren bestehenden Beteiligungsquote steuerbefreit. Im Beispielsfall Abb. 3 kann ein Anteilserwerb im Jahr '16 also zu 94,9 Prozent grunderwerb-steuerfrei erfolgen. Die Grunderwerbsteuerbelastung ist damit in vielen Fällen auf 5,1 Prozent begrenzt.
 
Solche Gestaltungen sollten daher geprüft werden, um die zu erwartenden Steuerfolgen nach aktueller Rechtslage abschätzen zu können. Je nach konkretem Sachverhalt kann sich möglicherweise sogar die Nutzung anderer Befreiungsvorschriften anbieten. Falls die anteilige Grunderwerbsteuer in Kauf genommen werden muss, kann sich zumindest eine Vereinfachung der ursprünglichen Gestaltung mit Verkürzung des Übernahmezeitrahmens anbieten und die Grunderwerbsteuerbelastung bei der Liquiditätsplanung berücksichtigt werden.
 
Gestaltungen mit einer solchen 94,9-prozentigen Befrei-ung sind im Übrigen auch nach aktueller Rechtslage weiterhin möglich, bei der konkreten Ausgestaltung muss allerdings darauf geachtet werden, dass nicht bereits insgesamt eine Übertragung anzunehmen ist. Insbesondere ist von einer konkreten Vorherbestimmung der späteren Erwerbsvorgänge abzusehen.
 

e) § 1 Abs. 3a GrEStG als Umstrukturierungshindernis

Gerade bei Umstrukturierungen wird in Zukunft eine deutlich genauere Prüfung erforderlich sein als bisher. Während nach alter Rechtslage ganze Beteiligungsstränge ausgeblendet werden konnten, wenn ein Anteil weniger als 95 Prozent betrug und eine grunderwerbsteuerliche Organschaft ausgeschlossen werden konnte, ist nunmehr regelmäßig eine detaillierte Prüfung sämtlicher Verbindungen geboten. 
 
Abb. 5: § 1 Abs. 3a GrEStG bei Anteilsverschiebung – die dargestellte Aufstockung einer 30-prozentigen Beteiligung auf 50 Prozent am gemeinsamen Unternehmen war nach alter Rechtslage unbeachtlich. Seit Inkrafttreten von § 1 Abs. 3a GrEStG fällt auf diese Anteilsübertragung Grunderwerbsteuer in voller Höhe auf das gesamte Grundvermögen der Immobilien GmbH an.
 
§ 1 Abs. 3a GrEStG tritt als zusätzlicher Steuertatbestand für Anteilsübertragungen nachrangig neben die bestehenden § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG. Im Zusammenspiel ergeben die drei Vorschriften ein enormes Risikopotenzial auch für gruppeninterne Umstrukturierungen. Die Grunderwerbsteuer wird damit noch mehr als bisher zum Hindernis für wirtschaftlich sinnvolle Strukturänderungen – oder kann sogar zu einer unangenehmen Überraschung für den Steuerpflichtigen werden.
 
Abb. 6: Drei Steuertatbestände sind parallel zu prüfen – beim dargestellten Erwerb der beiden Beteiligungen bleibt die wirtschaftliche Beteiligung des Käufers mit 66,5 Prozent unterhalb der Schwelle des § 1 Abs. 3a GrEStG. Der Vorgang ist allerdings nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar, weil mindestens 95 Prozent der Anteile am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren auf Neugesellschafter übergegangen sind.
 

f) Ergänzung der „Konzernklausel” § 6a GrEStG

Erwartungsgemäß hat der Gesetzgeber § 6a GrEStG auch auf Vorgänge für anwendbar erklärt, die künftig nach § 1 Abs. 3a GrEStG steuerbar sind. Diese „Konzernklausel” befreit bestimmte Vorgänge innerhalb von Unternehmensgruppen, die den spezifischen grunderwerbsteuerlichen Konzernbegriff erfüllen, von der Grunderwerbsteuer. Sofern bei solchen Umstrukturierungen eine wirtschaftli-che Anteilsvereinigung erfolgt, ist diese – bei Beachtung der entsprechenden Haltefristen – steuerfrei.
 
Ganz unerwartet hat der Gesetzgeber außerdem eine Ergänzung von § 6a GrEStG vorgenommen. Die Befreiung im Konzern soll künftig nicht nur bei Umwandlungen nach dem UmwG, sondern auch bei „Einbringungen sowie bei anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage” gelten. Es ist allerdings offen, was man sich darunter genau vorstellen darf. Es steht zu befürchten, dass die Finanzverwaltung diese unklare Formulierung durch Verwaltungsanweisung stark einschränken wird, sodass für sichere Umstrukturierungen weiterhin Umwandlungen die erste Wahl bleiben werden.

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Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth), Rechtsanwalt, Steuerberater

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