BGH: Zur Haftung der Anlageberatungsgesellschaft für vorsätzliches Organisationsverschulden

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Mit seinem Beschluss vom 27. November 2014 (Az. III ZR 294/13) hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Oberlandesgericht München (Vorinstanz Landgericht Traunstein) zur fehlerhaften Anlageberatung durch vorsätzliches Organisationsverschulden bestätigt.
 
Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit Sitz in Deutschland, die A-AG, war von einem Anleger wegen fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch genommen worden. Nach Ansicht des Anlegers hatte die A-AG ihre Pflichten aus einem im Jahr 2004 mit dem Anleger geschlossenen Anlageberatungsvertrag schuldhaft verletzt. Weder durch die Informationsunterlagen über den Erwerb von Aktien an der Anlagegesellschaft noch während des vor dem Erwerb der entsprechenden Aktien geführten Beratungsgesprächs mit einer Mitarbeiterin der A-AG sei er hinreichend über die für die Anlageentscheidung relevanten Umstände aufgeklärt worden. Das Gericht gab dem Anleger Recht.
 
Die A-AG wurde nach Ansicht des BGH durch den mit dem Anleger geschlossenen Anlageberatungsvertrag zu einer objekt- und anlegergerechten Beratung verpflichtet. Demgemäß hätte die A-AG den Anleger über alle für die Anlageentscheidung relevanten Umstände aufklären müssen und hätte auch ihre Mitarbeiter dazu anweisen müssen eine entsprechende Aufklärung vorzunehmen.
 
Inhalt und Umfang der Aufklärungs- und Beratungspflichten, die sich aus einem Anlageberatungsvertrag ergeben, hängen stets von den Umständen des Einzelfalls ab. Im vorliegenden Fall wäre der Anleger insbesondere über die Beteiligungsverhältnisse in der Anlagegesellschaft, über eine zwischen der A-AG und der Anlagegesellschaft bestehende Provisionsvereinbarung sowie über den Umstand, dass die Aktien der Anlagegesellschaft mangels eines funktionierenden (Sekundär-)Marktes faktisch unverkäuflich waren, solange es sich bei der Anlagegesellschaft um ein nicht-börsennotiertes Unternehmen handelt, vollständig und richtig zu informieren gewesen. Für die Beurteilung des Vorsatzes hinsichtlich der fehlerhaften Beratung kam es dem BGH dabei nicht darauf an, ob der einzelne Anlageberater vorsätzlich fehlerhaft beraten hat, sondern vielmehr darauf, dass die A-AG ihre Mitarbeiter trotz ihrer Kenntnis im Hinblick auf die vorgenannten aufklärungspflichtigen Punkte nicht angewiesen hatte, potentielle Anleger zumindest im Rahmen des Beratungsgesprächs über die für die Anlageentscheidung relevanten Punkte aufzuklären.
 
Die A-AG war gegenüber dem Anleger als Hauptaktionärin der Anlagegesellschaft aufgetreten, obwohl sie selbst überhaupt keine Aktien hielt, vielmehr über die tatsächliche Hauptaktionärin, eine 100 prozentige Tochtergesellschaft der A-AG mit Sitz in Österreich, lediglich mittelbar an der Anlagegesellschaft beteiligt war. Indem die A-AG die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse weder in den entsprechenden Informationsunterlagen noch in dem geführten Beratungsgespräch durch ihre Mitarbeiter korrekt erläuterte bzw. erläutern ließ, verletzte sie gegenüber dem Anleger eine vertragliche Aufklärungspflicht, denn diese können einen für die Anlageentscheidung relevanten Umstand darstellen, weshalb eine diesbezügliche Aufklärung des Anlegers erforderlich gewesen wäre. Dies ist insbesondere dann nachvollziehbar, wenn die tatsächliche Hauptaktionärin, wie im vorliegenden Fall, über ein weitaus geringeres Grundkapital als die vermeintliche Hauptaktionärin verfügt und darüber hinaus im Ausland ansässig ist. Insbesondere im Hinblick auf etwaige Haftungsfragen sind diese beiden Punkte von Bedeutung und können eine Anlageentscheidung beeinflussen.
 
Zwischen der A-AG und der Anlagegesellschaft bestand eine Provisionsvereinbarung, nach welcher die A-AG für die Vermittlung neuer Anleger eine entsprechende Vergütung erhalten sollte. Über diese Vereinbarung wäre der Anleger ebenfalls aufzuklären gewesen, denn dem potentiellen Anleger muss die Möglichkeit gegeben werden zu beurteilen, ob eine Anlageempfehlung durch den Berater allein im Anlegerinteresse oder aber im Umsatzinteresse der Anlageberatungsgesellschaft ausgesprochen wird. Einer diesbezüglichen Aufklärung bedarf es lediglich dann nicht, wenn von einer entsprechenden Provisionszahlung offenkundig auszugehen ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Beratung durch einen privaten Anlageberater erfolgt, der nicht vom Anleger vergütet wird und ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen werden, aus denen die Provision geleistet wird. Durch den Auftritt als Hauptaktionärin erweckte die A-AG allerdings den Eindruck, als ob sie rein aus eigenem Gesellschafterinteresse versuchte weitere Aktionäre einzuwerben. Dass sie bei erfolgreicher Vermittlung von der Anlagegesellschaft eine Provision erhalten sollte, war für den Anleger nicht offensichtlich, weshalb es einer diesbezüglichen Aufklärung bedurft hätte.
 
Zuletzt hätte der Anleger über die mangelnde Fungibilität der Anlage aufgeklärt werden müssen. Im Vergleich zu den Anteilen an einem börsennotierten Unternehmen sind die Anteile an einem nicht-börsennotierten Unternehmen nur sehr eingeschränkt handelbar. Auch dieser Umstand und insbesondere die erhebliche Unsicherheit, die mit der Planung eines entsprechenden Börsengangs verbunden ist, können Einfluss auf die Anlageentscheidung haben und sind demnach Umstände, über die ein potentieller Anleger aufzuklären ist.

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