Umsatzsteuerliche Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Modernisierung des Geschäftsbetriebs

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Das hessische Finanzgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 12. November 2014 (Az. 6-K-2574/11) mit der für die Transaktionspraxis bedeutenden Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen eine Geschäftsveräußerung im Ganzen (GiG) vorliegt. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
 
Die Klägerin besaß im Streitjahr ein Geschäftshaus, dessen Erdgeschoss mit circa 350 qm-Fläche zeitlich befristet an den Ehemann der Klägerin vermietet wurde. Die Räume im Obergeschoss des Gebäudes (ebenfalls circa 350 qm-Fläche sowie Werkstatt und Lagerraum im Erdgeschoss) waren zunächst an die B, später an die Firmen C und D vermietet. Auf die Umsatzsteuerfreiheit der Vermietungsleistungen war verzichtet und demzufolge der Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen in vollem Umfang gewährt worden. Im Jahr 2007 verkaufte die Klägerin das Geschäftshaus an dem Erwerber (E), wobei ein Verzicht auf die Umsatzsteuerfreiheit der Veräußerung unterblieb. Der Kaufvertrag sieht vor, dass die Mietverhältnisse für die Büroräume im Obergeschoss (D bzw. C) bestehen bleiben und von dem Käufer übernommen werden. Demgegenüber wird das Mietverhältnis mit dem Ehemann (Erdgeschoss) nicht übernommen und fristwahrend gekündigt. Der Käufer führte die Mietverhältnisse für das Obergeschoss der Immobilie unterverändert fort, während er das Erdgeschoss für eigene unternehmerische Zwecke nutzte. 
 
Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung wurde festgestellt, dass die seitens der Klägerin unterstellte nichtunternehmerische GiG vorliegend nicht anzunehmen sei, sodass eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a EStG erfolgte. Die Klägerin legte gegen die Prüfungsfeststellung Einspruch ein und führte aus, dass zumindest bezüglich der Fortführung der Mietverhältnisse im Obergeschoss durch die Erwerberin eine sogenannte nichtsteuerbare Teilgeschäftsveräußerung im Ganzen vorliegen würde. Das zuständige Finanzamt hat dieser Beurteilung widersprochen, da ihrer Ansicht nach das bisherige Vermietungsunternehmen der Klägerin nicht in dem Umfang durch den Erwerber fortgeführt wurde, in welchem es durch die Klägerin betrieben wurde. Während die Klägerin das veräußerte Objekt vollvermietet habe, habe der Erwerber von Beginn an die Absicht gehabt, nur Mietverträge im Obergeschoss zu übernehmen. 
 
Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin Klage beim hessischen Finanzgericht erhoben. Allerdings hat der erkennende Senat die Klage als unbegründet zurückgewiesen und führt dafür an, dass die Voraussetzungen einer GiG im vorliegenden Streitfall nicht erfüllt sind. Für das Vorliegen einer GiG ist sicherzustellen, dass die wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebs an einen Unternehmer für dessen Unternehmen übertragen werden und der Erwerber dabei beabsichtigt, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil weiter zu betreiben. Der Fortführung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit steht es nicht entgegen, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert. 
 
Bei Grundstücksgeschäften führt die Übertragung eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks grundsätzlich zu einer GiG, da durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in den Miet- oder Pachtvertrag ein Vermietungs- oder Verpachtungsunternehmen übernommen wird. Diese umsatzsteuerliche Beurteilung bestätigt das Finanzgericht auch in den Fällen, wenn nur teilweise vermietete oder verpachtete Grundstückseinheiten übertragen werden, die nicht genutzten Flächen aber zur Vermietung oder Verpachtung bestimmt sind. 
 
Im Streitfall hat der Erwerber lediglich die Mietverhältnisse im Obergeschoss des Gebäudes (Firmen C und D) übernommen, sodass sich im Rahmen einer gebotenen Gesamtwürdigung die vor und nach der Grundstücksveräußerung durch die Klägerin bzw. den Erwerber des Objekts ausgeübten Tätigkeiten nicht derart hinreichend ähneln, dass eine GiG vorliegt. Während nämlich das Vermietungsunternehmen der Klägerin die gesamte Immobilie umfasste, reduzierte sich die Vermietungstätigkeit der Erwerberin auf etwa die Hälfte des ursprünglichen Umfangs, da der Erwerber das Erdgeschoss zu eigenen unternehmerischen Zwecken nutzte. Diese anderweitige Nutzung zuvor vermieteter Räumlichkeiten unter Aufgabe der ursprünglichen Vermietungsabsicht kann auch nach Ansicht des Senats nicht dadurch geheilt werden, dass der Umfang der Nutzung des Erdgeschosses für eigene unternehmerische Zwecke nur geringfügig und unwesentlich sei. Denn vorliegend wird nämlich etwa die Hälfte der ursprünglich vermieteten Fläche (Erdgeschoss) durch den Erwerber zu eigenen unternehmerischen Zwecken genutzt, sodass sich das von der Klägerin betriebene „neue” Vermietungsunternehmen mehr als nur geringfügig verkleinert hat. 
 
In der Transaktionspraxis kann das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen einer umsatzsteuerlichen Geschäftsveräußerung im Ganzen zu gravierenden nachteiligen Rechtsfolgen führen, sodass dieser Umsatzsteuerthematik vor Abschluss entsprechender Kaufverträge besonderer Beachtung geschenkt werden sollte. Wie die vorstehende Finanzgerichtsentscheidung verdeutlicht, sollte aus Verkäufersicht darauf geachtet werden, inwieweit der Erwerber den Geschäftsbetrieb des Erwerbers fortführen wird. Zwar wurde gegen das Urteil beim Bundesfinanzhof Revision eingelegt, jedoch sollten bis zu einer endgültigen Klärung der Rechtslage die vorstehenden Entscheidungsgründe beachtet werden.

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Frank Dißmann

Diplom-Kaufmann, Steuerberater

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