Anerkennung von Verlusten einer Vorratsgesellschaft vor Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit

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Mit der gestern veröffentlichten Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. Oktober 2014 (Az. IV R 34/11) hat der erkennende Senat bestätigt, dass Verluste einer gewerblich geprägten Vorratsgesellschaft, auch wenn diese noch vor Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit liquidiert wird, steuerlich zu berücksichtigen sind. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
 
Die Klägerin, eine inländische GmbH, hat die X-KG als Vorratsgesellschaft gegründet und war an dieser als allein zur Geschäftsführung befugte Komplementärin beteiligt. Der Unternehmensgegenstand war unter anderem der Erwerb von Wohn- und Geschäftshäusern und sonstigen Renditegrundstücken zum Zwecke der Fruchtziehung. Die X-KG war bis zum Jahr 2007 nicht wirtschaftlich aktiv geworden. Gleichwohl wurden in dieser Zeit jährliche Aufwendungen steuerlich geltend gemacht, wie zum Beispiel Kosten für Rechts- und Steuerberatung, für Abschluss und Prüfung, für den Geldverkehr und aus sonstigen Beiträgen. Im Jahr 2002 wurden insgesamt 24 weitere Vorratsgesellschaften mit einem vergleichbaren Unternehmensgegenstand wie die X-KG gegründet, die alle ebenfalls nicht wirtschaftlich aktiv waren und entsprechende Verluste erzielten. Diese Gesellschaften wurden im Jahr 2007 im Handelsregister wieder gelöscht. Ab dem Jahr 2006 wurden etwa 75 weitere Gesellschaften mit einem der X-KG vergleichbaren Unternehmensgegenstand gegründet. Allerdings waren 21 dieser Vorratsgesellschaften tatsächlich wirtschaftlich aktiv geworden und haben signifikante Umsätze erzielt.
 
Das zuständige Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der erzielten Verluste der wirtschaftlich inaktiven Vorratsgesellschaft (X-KG) mit der Begründung ab, es fehle an der erforderlichen Gewinnerzielungsabsicht. Das Finanzgericht schloss sich der Sichtweise der Klägerin an und sah die Einkünfteerzielungsabsicht für gewerbliche Einkünfte aufgrund der bestehenden gewerblichen Prägung der Vorratsgesellschaft als erfüllt an. Das Finanzamt hat jedoch Revision gegen diese Entscheidung eingelegt. Ihrer Ansicht nach sei die Einkünfteerzielungsabsicht – entgegen der Sichtweise des Finanzgerichts – nicht bereits im Hinblick auf die gewerbliche Prägung, sondern schon bezogen auf die zunächst erfüllte Einkunftsart zu prüfen. Der Gegenstand der Vorratsgesellschaft (zum Beispiel X-KG) lasse nicht auf die Absicht zur Erzielung gewerblicher Einkünfte schließen. Ebenso sei keine Abgrenzung zwischen der Ebene der Gesellschaft und der Gesellschafter vorgenommen worden, wie es bei der Prüfung der Totalgewinnprognose bei einer Personengesellschaft zwingend notwendig ist. Das Finanzamt beruft sich in diesem Zusammenhang auch auf die Sichtweise des BFH, der für die steuerliche Abzugsfähigkeit bei vorbereitenden Maßnahmen einer unternehmerischen Tätigkeit einer Personengesellschaft eine klar erkennbare Beziehung zwischen den Aufwendungen und einer bestimmten Einkunftsart verlangt. Diese Bedingungen liegen jedoch mangels einer beabsichtigten unternehmerischen Tätigkeit sowie einer nicht vorhandenen Gewinnerzielungsabsicht nicht vor.
 
Der erkennende Senat des BFH ist hingegen nicht der Argumentation des Finanzamts gefolgt. Bei der Vorratsgesellschaft handelt es sich um eine sogenannte gewerblich geprägte Personengesellschaft im Sinne des § 15 Absatz 3 Nummer 2 EStG, sodass die Einkünfteerzielungsabsicht zwingend auf Grundlage dieser gewerblichen Einkünfte zu prüfen ist. Entgegen der Ansicht des Finanzamts bedarf es hierzu keiner „einkünftebezogenen Vorqualifikation”, das heißt, es ist zutreffend keine Untersuchung der Einkünfteerzielungsabsicht der X-KG auf Grundlage einer anderen Einkunftsart als der Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorzunehmen. Unter der Gewinnerzielungsabsicht ist das Bestreben zu verstehen, das Betriebsvermögen zu mehren und auf Dauer einen Totalgewinn zu erzielen. Angestrebt werden muss ein positives Ergebnis zwischen Betriebsgründung und Betriebsbeendigung aufgrund einer wirtschaftlichen Betätigung, die über eine größere Zahl von Jahren gesehen auf die Erzielung positiver Ergebnisse gerichtet ist. Eine solche Gewinnerzielungsabsicht kann auch trotz einer längeren Verlustperiode während der Anlaufphase vorliegen, sodass zunächst von dem ersten Anschein des Vorliegens einer solchen Gewinnerzielungsabsicht auszugehen ist. Nur wenn eindeutig feststeht, dass der Betrieb, so wie der Steuerpflichtige ihn betrieben hat, von vornherein keine nachhaltigen Gewinne abwerfen kann, können auch Verluste in der Anlaufphase eines neugegründeten Gewerbebetriebs (wie bei der Vorratsgesellschaft) als Indiz für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht gewertet werden.
 
Entsprechend dieser Maßstäbe hat der BFH die rechtliche Würdigung des Finanzgerichts nicht beanstanden können. Nach Auffassung des erkennenden Senats begründen auch gewerblich geprägte Vorratsgesellschaften die – vom Finanzamt wiederlegbare – Vermutung, dass die von dieser Gesellschaft und ihren Gesellschaftern angestrebte Tätigkeit auf Gewinnerzielungsabsicht ausgerichtet ist. Es dürfen sich weder Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine nur verlustbringende Tätigkeit ausgeübt werden soll, noch dass die gewerbliche Prägung in Folge einer Umstrukturierung der Geschäftsführung der KG entfällt. Denn die Gründung einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, wie bei der X-KG, schließt es grundsätzlich aus, dass hierfür nicht betriebliche Gründe oder in der privaten Sphäre der Gesellschafter liegende Motive ausschlaggebend gewesen sein könnten.
 
Im Ergebnis können somit auch Vorratsgesellschaften, die noch vor Aufnahme ihrer jeweils vorgesehenen wirtschaftlichen Tätigkeiten wieder liquidiert werden, die in dieser Anlaufphase entstandenen Verluste grundsätzlich steuerlich geltend machen. Emissionshäuser von geschlossenen Fonds, die ebenfalls regelmäßig Vorratsgesellschaften vorhalten, sollten bereits bei der Gesellschaftsgründung das vorstehend zitierte Urteil beachten, denn der BFH will bei der Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht gewerblich geprägten Personengesellschaften berücksichtigen, ob die gewerbliche Prägung in Folge einer Umstrukturierung im Zeitpunkt der tatsächlichen Geschäftsaufnahme wieder entfällt.

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Frank Dißmann

Diplom-Kaufmann, Steuerberater

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