Widerrufsrechte im Wohnraummietverhältnis?

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Eine typische Frage während der Beratung der Vermieter ist: Mein Mieter hat den Vertragsschluss widerrufen und will die Mietsache nun nicht übernehmen oder zurückgeben. Die Antwort hierauf war bis zum 13. Juni 2014 eindeutig: Der Mieter kann sich nicht auf ein Widerrufsrecht berufen. Seine Erklärung kann, wenn sie schriftlich erfolgte, allenfalls als Kündigung ausgelegt werden. Die Antwort ist für alle Verträge, die nach dem 13. Juni 2014 geschlossen wurden, weitaus komplizierter.

Mit dem „Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung” vom 20. September 2013 setzt der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments vom 25. November 2011 zugunsten der am Vertragsschluss beteiligten Verbraucher um.

 

1. Anwendungsbereich

Die neugeordneten Vorschriften (§§ 312 fortfolgende Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) sind auf Verbraucherverträge anzuwenden, die im Wege des Fernabsatzes oder außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen werden.

 

a) Verbraucher und Unternehmer

Verbraucherverträge sind solche Verträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen werden. Dabei ist es noch relativ einfach zu bestimmen, wer Verbraucher ist. Nach § 13 BGB ist das jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die nicht ihren gewerblichen oder beruflichen Tätigkeiten zugeordnet werden können. Hieraus folgt augenblicklich, dass die neuen Widerrufsrechte nur in der Wohnungswirtschaft von Interesse sind. Von größerer Bedeutung ist die Definition des Unternehmer-Vermieters, dies richtet sich nach § 14 BGB. Demnach sind natürliche oder juristische Personen, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit am Rechtsverkehr teilnehmen, Unternehmer. Die bisherige Rechtsprechung nimmt das an, wenn die Person am Markt planmäßig und dauerhaft Leistungen anbietet (BGH, Urteil vom 29. März 2006 - VIII ZR 173/05), auf die Absicht einer Gewinnerzielung kommt es nicht an. Private Vermieter sind demnach nur dann Unternehmer in diesem Sinne, wenn sie die Organisation ihres privaten Vermögens mit einem organisatorischen Aufwand betreiben, der im Einzelfall das Bild eines planmäßigen Geschäftsbetriebes vermittelt (BGH, Urteil vom
23. Oktober 2001 - XI ZR 63/01). Das ausschlaggebende Kriterium für die Abgrenzung der privaten von einer berufsmäßig betriebenen Vermögensverwaltung ist also nicht die Höhe des Vermögens und nicht die Anzahl der Wohnungen, sondern der Umfang der mit ihr verbundenen Geschäfte. Erfordern diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, wie etwa die Unterhaltung eines Büros/Arbeitszimmers, so liegt eine gewerbliche Betätigung vor. 
Deshalb unterfallen der neuen Regelung vermietende gemeinnützige Vereine wie auch die vermietende öffentliche Hand und deren Eigenbetriebe sowie Wohnungsunternehmen aller Art, nur unter Umständen aber private Vermieter.
 

b) Im Rahmen des Fernabsatzes oder ausserhalb von Geschäftsräumen

Die zum Schutz des Verbrauchers erforderlichen Informations- und Hinweispflichten sowie das Widerrufsrecht entstehen nur, wenn die Mietverträge außerhalb der Geschäftsräume des Vermieters oder im Wege des Fernabsatzes geschlossen werden. Fernabsatzverträge (§ 312c BGB) sind Verträge, deren Abschluss ausschließlich unter Zuhilfenahme von Fernkommunikationsmitteln (Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, E-Mails, SMS) erfolgt. Verträge gelten außerhalb des Geschäftsraumes als abgeschlossen (§ 312b BGB), wenn sie bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit an einem Ort geschlossen werden, der nicht Geschäftsraum des Vermieters ist. Hierunter fallen freilich die Wohnung selbst und das benachbarte Café. Hierunter unterfällt aber auch die Situation, dass der Verbraucher sein Angebot außerhalb unter gleichzeitiger Anwesenheit des Anderen abgegeben hat und dieser es in seinen Geschäftsräumen annimmt oder der Fall, dass der Verbraucher außerhalb der Geschäftsräume angesprochen wurde und nur zum Vertragsschluss in die Räume kommt.
 

2. Rechtsfolge bei Fällen mit oder ohne Besichtigung

Liegt ein solcher Vertragsschluss vor, steht dem Mieter ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu, über das er zu belehren ist. Zusätzlich muss der Vermieter Informationspflichten erfüllen. Letztere sind in aller Regel mit Übergabe eines Vertragsvordruckes erfüllt, da die erforderlichen Regelungen zur Miethöhe und Kündigung darin enthalten sind.  Der Mieter kann den Vertragsschluss innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsschluss bei erfolgter Belehrung oder innerhalb von einem Jahr und 14 Tagen bei unterlassener Belehrung widerrufen. Für den Fall des Widerrufs sind die erhaltenen Leistungen dann unverzüglich rückabzuwickeln. Nachdem der Mieter die Wohnung genutzt hat, wird er eine Nutzungsentschädigung zahlen müssen. Tatfrage und damit Einzelfallfrage ist aber die Höhe der tatsächlichen Nutzungsentschädigung. Die vereinbarte Miete kann hierfür ein Indiz sein.
 
Zu beachten ist: Das Gesetz führt eine zusätzliche Unterscheidungskonstellation ein. Erfolgt der Vertragsschluss nach erfolgter Besichtigung der Wohnung, hat der Unternehmer keinen Widerruf zu fürchten. Denn dann muss der Verbraucher weder belehrt und informiert werden, noch kann er widerrufen. Es bleibt damit jedenfalls beim Vertragsschluss alles beim Alten. Lediglich bei Telefonaten nach Vertragsschluss muss der Vermieter zu Beginn des Telefonats seinen Namen und den Zweck des Anrufes mitteilen und getroffene zusätzliche Vereinbarungen müssen „ausdrücklich“ erfolgen. Es ist davon auszugehen, dass solche Banalitäten in der rechtlichen Beurteilung keine Rolle spielen werden. Fraglich wird allein sein, ob der Vertragsschluss in der gerade besichtigten Wohnung als ein Vertragsschluss „nach” oder „ohne” zuvorige Besichtigung anzusehen ist. Die Abgrenzungen hierzu wird die Rechtsprechung liefern, bis dahin sollte ein zeitlicher Abstand zwischen Besichtigung und Vertragsschluss jedenfalls eingehalten werden.    
 
Erfolgt der Vertragsschluss aber ohne Besichtigung, hat der Vermieter den Mieter über sein Widerrufsrecht zu informieren und zu belehren. Hierzu gibt das Gesetz eine Musterbelehrung vor, diese sollte aber unbedingt individualisiert werden.
 

3. Vertragsänderung im laufenden Mietverhältnis 

Vertragsänderungen im laufenden Mietverhältnis wie z.B. Mieterhöhungen, Aufnahmeerklärungen zusätzlicher Mieter, Modernisierungsvereinbarungen oder Vereinbarungen betreffend Betriebskosten unterfallen der neuen gesetzlichen Regelung auch. Auch hier hat der Vermieter zukünftig, um Widerrufe zu vermeiden, zu belehren und mit seiner Leistung wenigstens 14 Tage zu warten.
 

4. Fazit und Empfehlung

Vermieter, die unternehmerisch agieren, müssen in Zukunft auf vollständige Aufklärung achten. Die Übergabe der Mieträume sollte 14 Tage nach Vertragsschluss und niemals ohne vorhergehenden Besichtigungstermin erfolgen. Zur Dokumentation ist zu empfehlen, dass Vermieter sich vom Mietinteressenten den Besichtigungstermin schriftlich bestätigen lassen. Von besonderer Bedeutung sind die Dinge dabei im laufenden Mietverhältnis, weil die Willenserklärungen hier regelmäßig entweder außerhalb der Geschäftsräume oder per Brief und damit mit Fernabsatzmitteln erfolgen. Hier sind Widerrufe – vor allem bei dem Thema Zustimmung zur Mieterhöhung und Abschluss eines Mietaufhebungsvertrages – zu erwarten.
 

 

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Andreas Griebel

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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