CO2-Kosten im Mittelstand: Die nationale CO2-Abgabe

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veröffentlicht am 10. Juni 2020

 

​Bereits im Jahr 2005 wurde der Europäische Emissionshandel (EU ETS) eingeführt und fungiert seitdem als zentrales europäisches Klimaschutzinstrument durch die Bepreisung der CO2-Emissionen. In Deutschland wurde der Europäische Emissionshandel im Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) umgesetzt. Zusätzlich setzt Deutschland ab dem Jahr 2021 auf eine eigene, ergänzende Version zur Steuerung der CO2-Emissionen. Im Dezember 2019 wurde hierfür das Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) verabschiedet. Hierbei verfolgen die europäische und nationale Variante das gemeinsame Ziel der Vermeidung von CO2-Emissionen. Abbildung 1 zeigt das quantitative Ziel der Bundesrepublik Deutschland nach EU-Klimaschutzverordnung aus 2018 (auch Effort-Sharing-Regulation, ESR) auf.

 

 


Nationale CO2 Abgabe

Der nationale Weg zur Steuerung der Emissionen wurde mit dem Inkrafttreten des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) am 20.12.2019 geebnet.


Darin wurden die Mechanismen für das zukünftige nationale Emissionshandelssystem (nEHS) geschaffen. Werden die vom BEHG erfassten Brennstoffe in den Verkehr gebracht, müssen hierfür Emissionszertifikate erworben werden. Diese Pflicht trifft den sog. „Verantwortlichen”. Für Erdgas ist dies in der Regel der Lieferant bzw. derjenige, der Erdgas zum Selbstverbrauch bezieht. Es handelt sich daher nicht um eine richtige CO2-Steuer, sondern tatsächlich um Beschaffungskosten für Emissionszertifikate. Deren Preis in der Einheit Euro/Tonne [€/t] bis zum 31.12.2025 festgelegt sind. Die jährliche Emissionsmenge, die im jeweiligen Kalenderjahr zur Verfügung steht, wird ähnlich des EU ETS durch eine Obergrenze (Cap) festgelegt. Allerdings wird die genaue Anzahl noch durch eine gesonderte Rechtsverordnung festgelegt.

 

Zudem ist die Obergrenze in der Phase der Festpreise bis 2025 sowie zunächst für das Jahr 2026, in dem ein Preiskorridor gilt, flexibel. Überschreitungen können z.B. durch Zukauf von Emissionszuweisungen anderer EU-Staaten gedeckt werden.
 
Das Gesetz sieht in seiner zum jetzigen Zeitpunkt noch gültigen Fassung vor, dass der Einstiegspreis von 10 €/t in 2021 jährlich zunächst um 5 €/t und anschließend um 10 €/t bis auf 60 €/t in 2025 gesteigert wird. Im Jahr 2026 setzt das nEHS mit einem Preiskorridor, welcher von mindestens 35 €/t bis zu einem Maximalpreis von 60€/t spannt.

Allerdings wurde die erste Reform des BEHG und damit eine Steigerung der Festpreise und eine Veränderung des Preiskorridors noch vor Inkrafttreten des BEHG so gut wie beschlossen. Der Kompromiss im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag sieht vor, dass der Einstiegspreis erhöht wird und von 25 €/t in 2021 jährlich zunächst um 5 €/t und anschließend um 10 €/t bis auf 55 €/t in 2025 gesteigert wird. Im Jahr 2026 gilt dann zunächst ein Preiskorridor von mindestens 55 €/t bis 65 €/t im Rahmen des nEHS. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde von der Bundesregierung am 20.05.2020 auf den Weg gebracht.

Die Geltung eines Preiskorridors kann jedoch verlängert werden, sofern die Bundesregierung das für sinnvoll und erforderlich erachtet. Das Versteigerungsverfahren wird anschließend an die Zeiten der Festpreisbindung bis zum Jahr 2030 durchgeführt. Die Preisstufen des BEHG sind in Abbildung 2 abgebildet.

 

 Diagramm Preisstufen je Tonne CO2


Abbildung 2 Preisstufen je Tonne CO2 gem. Bund/Länder-Kompromiss

 

Die Umsetzung der Erhöhung der Festpreise und des neuen Preiskorridors wird noch vor der Sommerpause des Bundestages im Jahr 2020 erwartet. Zudem bedarf es noch einer Rechtsverordnung zur Umsetzung des Handelssystems.


Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem EU-Emissionshandel und der nationalen CO2-Abgabe stellt der Zeitpunkt der Zertifikatsfälligkeit dar. Beim EU ETS wird das eigentliche Emittieren von CO2 geregelt und ist somit an die konkrete Verschmutzung geknüpft. Auf Seiten des nEHS wird hingegen auf das sog. „Inverkehrbringen” der Brennstoffe abgestellt. Das BEHG knüpft hierfür an das Entstehen der Energiesteuerpflicht an.

Bei Anwendung der Emissionsfaktoren des BAFAs können folgende Preise in Euro pro Megawattstunden berechnet werden1


Graphverlauf Festpreissystem

 

Abbildung 3 Eigene Darstellung: nEHS-Kosten für verschiedene Brennstoffe in €/MWh

 


Die Zusatzkosten die für ein mittelständisches Unternehmen mit erhöhtem Gasbedarf künftig anfallen, sollen an folgendem Beispiel (Tabelle 1) verdeutlicht werden.

 

 

Tabelle Kostenentwicklung Anwendungsszenarien

 

Tabelle 1 Kostenentwicklung verschiedener Anwendungsszenarien

 


Ausnahmeregelungen

Unternehmen, die in besonderer Weise von den Kosten betroffen sind, können einen Ausgleich nach § 11 BEHG in Anspruch nehmen. Dies beinhaltet eine Härtefallregelung (§ 11 Abs. 1 BEHG), wonach Unternehmen, die das Gesetz mit einer unzumutbareren Härte trifft, finanziell kompensiert werden sollen. In der Regel liegt dies dann vor, wenn die Brennstoffkosten einen Anteil von mehr als 20 Prozent an den betrieblichen Gesamtkosten des Unternehmens ausmachen oder wenn der Anteil der Zusatzkosten, welche mit der Einführung des BEHG verbunden sind, mehr als 20 Prozent an der Bruttowertschöpfung des Unternehmens ausmachen. Dieser Ausgleichsmechanismus muss allerdings zunächst noch von der EU-Kommission genehmigt werden.


Darüber hinaus sollen Doppelbelastungen infolge des Einsatzes von Brennstoffen in einer dem EU-Emissionshandel unterliegenden Anlage möglichst vermieden werden. Hierfür stehen zwei Ausgleichsmechanismen zur Verfügung, wobei der eine auf eine Vorabvermeidung (§ 7 Abs. 5 BEHG) und der andere auf eine nachträgliche Kompensation (§ 11 Abs. 2 BEHG) abzielt. Die genaue Ausgestaltung dieser Regelungen ist allerdings noch unklar, wobei letzteres Mittel ebenfalls noch von der EU-Kommission genehmigt werden muss. Bis spätestens 31. Dezember 2020 muss die Bundesregierung für die Vorabvermeidung durch eine Rechtsverordnung, Anforderungen und Verfahren festlegen, wie die Doppelbelastung verhindert werden soll.


Ebenfalls ungeklärt sind mögliche Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon Leakage (§ 11 Abs. 3 BEHG). Ursprünglich sollte diese Maßnahmen erst ab dem Jahr 2022 gelten. Im Gesetzesentwurf vom 20.05.2020 ist nun aber vorgesehen, dass entsprechende Maßnahmen mit Wirkung ab dem 01.01.2021 geregelt werden.


Mittelverwendung

Mit der Änderung der Erneuerbare-Energien-Verordnung am 19. Mai 2020 hat die Bundesregierung die erforderlichen Veränderungen vorgenommen, die Erlöse aus dem BEHG für eine Senkung der EEG-Umlage zu ermöglichen. Hiermit soll sowohl eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, als auch der Wirtschaft erzielt werden.


Genau diese Entlastung könnte allerdings einigen Unternehmen zum Verhängnis werden. Denn bei den Antragstellern der Besonderen Ausgleichsregelung (BesAR) nach den §§ 63 ff. EEG 2017 könnte die Senkung der EEG-Umlage auch die Stromkostenintensität sinken lassen. Das könnte zum Verlust der Privilegierung führen, vor allem bei Unternehmen, deren Stromkostenintensität bislang knapp über den maßgeblichen Schwellwerten liegt. Die vermeintliche Entlastung könnte sich somit als zusätzliche Belastung erweisen.

Dieser Effekt auf die Stromkostenintensität ist der Bundesregierung durchaus bewusst, wie sich aus der Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion ergibt.2 Danach prüft die Bundesregierung derzeit Maßnahmen, mit denen die Auswirkungen einer geringeren EEG-Umlage auf privilegierte Unternehmen vermieden werden können. In diesem Zusammenhang wird explizit eine mögliche Absenkung der Schwellenwerte genannt. Beschlossen ist an dieser Stelle aber noch nichts.

 

Alternativen

Betroffene Unternehmen müssen infolgedessen ihre gesamte Energieproduktion und –nutzung neu beurteilen. Ausgehend von den zu erwartenden Zusatzkosten gilt es die aktuelle Wirtschaftlichkeit der Anlagen mit möglichen Alternativen zu vergleichen und mögliche Handlungsschritte frühzeitig durchzuführen.


Neben Maßnahmen zur Steigerung der Prozesseffizienz ist dabei die Erneuerung von Anlagen ebenso zu beurteilen, wie der Einsatz alternativer Brennstoffe. Als Erdgassubstitut könnte dabei Biomethan zunehmend interessant werden. Denn im Gegensatz zu Erdgas ist Biomethan als emissionsarmer, biogener Brennstoff (sofern nachhaltig erzeugt) voraussichtlich von der Abgabe befreit. Ebenso stellen biogene Festbrennstoffe je nach Anlagenkonfiguration potentielle Alternativen dar. Stand heute stellt sich in den meisten Fällen Biomethan jedoch noch als deutlich kostenintensiver als Erdgas inkl. CO2-Kosten dar.


Für die Umstellung des Firmenfuhrparks bieten sich möglicherweise Chancen durch eine teilweise beziehungsweise vollumfängliche Elektrifizierung. Besonders vor dem Hintergrund des Corona-Konjunkturpakets mit der geplanten höheren Kaufprämie in Höhe von 9.000 Euro für E-Fahrzeuge bis 40.000 Euro und der geplanten Absenkung der Besteuerung von E-Dienstwagen bis 60.000 Euro in Höhe von 0,25 Prozent des Bruttolistenpreises. Besteht darüber hinaus die Möglichkeit der lokalen Erzeugung, können wirtschaftliche Mehrwerte durch den hohen Eigenverbrauch und den geringen Netzstrombezug zusätzlich verstärkt werden.


Die möglichen Alternativen der betroffenen Unternehmen sind dabei individuell und teils weitreichend. Aufgrund der kurzen Zeit bis zum Start der Instrumente des BEHG müssen Maßnahmen in jedem Fall schnellstmöglich untersucht und frühzeitig eingeleitet werden. 

 

Fazit

Das neue nationale Emissionshandelssystem soll eine Ergänzung zum bereits bestehenden System der EU darstellen. Das System soll durch eine durchgehende CO2-Bepreisung Anreize zur Emissionsreduktion schaffen. Hierbei wird es jedoch auch einige Zeit in Anspruch nehmen bis sich die Betroffenen auf die neue Herausforderung eingestellt haben und bis sich abzeichnet, welche Kosten genau auf die Betroffenen zukommen und wie sie damit umgehen. Bei einem Großteil der Unternehmen mit TEHG-pflichtigen Anlagen wird es sogar zu Doppelbelastungen aus dem BEHG kommen, die sich ggfs. erst rückwirkend auflösen.

 

Fehlende Rechtsverordnungen hinsichtlich des § 7 Abs. 5 BEHG und § 11 BEHG erschweren die Planungssicherheit und sorgen für zusätzliche Verunsicherung. Ob manche Ausgleichsmechanismen überhaupt eingeführt werden können, hängt zudem von Entscheidungen aus Brüssel ab.


Zudem könnten Unternehmen, die aktuell noch vom BesAR-Privileg profitieren, dieses infolge einer sinkenden EEG-Umlage verlieren. Dies rückt derzeit noch besonders in den Fokus, da die Bundesregierung im Zuge des Konjunkturpakets eine Deckelung der EEG-Umlage auf 6,0 bis 6,5 ct/kWh angekündigt hat. Auch unter diesem Gesichtspunkt wird die Absenkung der Schwellenwerte diskutiert werden müssen.


Aufgrund dessen sollten sich alle betroffenen Unternehmen bereits jetzt auf die Umstellung vorbereiten, die Auswirkungen analysieren und entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Bei der Abschätzung der Folgen und der Planung konkreter Handlungsmaßnahmen beraten wir Sie gerne.

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1 BAFA (2019): Merkblatt zu den CO2- Faktoren;

2 BT-Drs. 19/18857, S. 2-3.

 

 

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