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Die in den vergangenen Jahren nur knapp verhinderte Abspaltung Schottlands hatte nicht nur bei den Briten, sondern auch bei den kontinentaleuropäischen Partnern zu erleichtertem Aufatmen geführt. Doch auch hier dürfte sich in den nächsten Jahren nochmals einiges tun – die Schotten haben schon ein neues Referendum angekündigt!
Doch nun sollte überlegt werden, wie der Wille des Volkes möglichst zügig und reibungslos für alle Beteiligten geschaffen werden kann. Trotz Votum für einen Ausstieg aus der Europäischen Union dürfte sich die Unsicherheit über die Zukunft in den nächsten Tagen, Monaten und Jahren in Großbritannien eher verstärken.
Die europäische Integration ist bereits seit den 60er Jahren ein besonders umkämpftes Thema in der britischen Politik. Anders als für die kontinentaleuropäischen Länder, die schon immer die Integration erzielen wollten, war für Großbritannien ein EU-Beitritt in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen interessant. Eine kulturelle Identifizierung mit dem Staatenbund wurde eher abgelehnt. Es bestand immer ein „gesundes Misstrauen” gegenüber Brüssel und der EU und natürlich haben sich auch Politiker diese Grundhaltung immer wieder zunutze gemacht – besonders einprägsam war der Ausruf der „Eisernen Lady” Margaret Thatcher: „I want my money back!”.
Vielleicht wollte David Cameron an den Erfolg der Eisernen Lady anknüpfen, als er, im Falle einer Wiederwahl, als Wahlversprechen ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU verkündete. Sicher ist ihm ein Verbleib in den Geschichtsbüchern allemal. Ob in guter Erinnerung oder schlechter – nun die Geschichte wird es zu deuten wissen. Goethe wusste schon: ‚Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los', aber anders als in Goethes Zauberlehrling hilft diesmal wohl kein Zaubermeister*Das erste BREXIT Opfer war David Cameron, am Tag nach dem Referendum hat er seinen Rücktritt verkündet. Wie es weitergeht, bleibt abzuwarten, denn Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass auch im Falle eines Brexit die drängendsten Probleme des Landes weiterhin ungelöst bleiben: die wenig produktive Wirtschaft, das mittelmäßige Bildungssystem, das unterfinanzierte Gesundheitswesen, die schwache Infrastruktur, die Wohnungsnot, die riesigen Parallelgesellschaften von Einwanderern, die wachsenden Armutsprobleme. Ein Hoffnungsschimmer bleibt für die zurückgebliebenen: Vielleicht ist der Austritt der Britten ja ein Weckruf zur Besinnung. Brauchen wir wirklich IBAN-Nummern um unsere Überweisungen per Paypal durchzuführen, wo ist der Vorteil zwei Kreditkarten (eine für geschäftliche Ausgaben, eine für private) und dann gibt es noch die Glühbirne, die OSRAM nicht mehr herstellen darf – das Klimaziel wird dadurch sicherlich nicht erreicht! Vielleicht ist ja die von David Cameron und nun Boris Johnson angestoßene Diskussion hilfreich für das Weiterbestehen der EU als Gesamtheit ohne Großbritannien – oder zumindest perspektivisch ohne England?
Zunächst wollen wir erläutern, wer aus unserer Sicht von einem Brexit profitieren könnte.
Trotz einiger möglicher positiver Auswirkungen, die der Brexit auf die verbleibende Gemeinschaft haben könnte, überwiegen nach unserer Auffassung die Argumente, die gegen einen Austritt aus der EU von Großbritannien sprechen: 3 Millionen auf dem Festland lebende Briten erhalten plötzlich einen unklaren Aufenthaltsstatus; hunderte Abkommen zur Zusammenarbeit in Wirtschaft, Forschung, Bildung, Kultur, Verkehr, Umweltschutz und Diplomatie verlieren ihre rechtliche Grundlage. Ein Wirtschaftseinbruch in den ersten Jahren nach dem Austritt ist unumstritten. Kein Wunder also, dass die Bank of England, also die britische Notenbank, bereits vor Brexit-Folgen warnt. Sie erwartet dabei insb., dass die Kreditkosten steigen, der Kurs des Pfunds weiter fallen würde. Das wirtschaftliche Umfeld für die „Separatisten” würde sich also zumindest kurzfristig wesentlich verschlechtern. So sollen laut einer Studie des Zentrums für Wirtschaftsleistung der London School of Economics die ausländischen Direktinvestitionen um 22 Prozent zurückgehen und das Realeinkommen würde um 3,4 Prozent sinken. Eine verstärkte und länger andauernde Unsicherheit kann zum Anstieg der Risikoprämien führen und somit die Kosten und die Verfügbarkeit von Finanzierungen für viele Kreditkunden beeinflussen. Aber die Auswirkungen wären nicht nur eine interne englische Angelegenheit, sondern auch Deutschland wäre sicherlich zunächst wirtschaftlich betroffen.
Entsprechend eines Berichts der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist Großbritannien zurzeit mit einem Volumen von 90 Mrd. Euro der drittgrößte Exportmarkt für Deutschland. Trotz vieler Erleichterungen für Großbritannien ist der Inselstaat weiterhin einer der Hauptzahler für die EU – die Argumente der EU Gegner sind ja nicht ganz aus der Luft gegriffen. Fällt Großbritannien als Geber weg, trifft voraussichtlich eine milliardenschwere Steuerlast auf Deutschland – mit Einsparungen im EU-Haushalt wird sich das nicht alleine ausgleichen lassen. Als Folge drohen Steuererhöhungen, weshalb der europäische Binnenmarkt an Attraktivität verlieren könnte. Und auch europäische Banken fürchten einen Brexit: Nach Berichten des Finanzdienstes Bloomberg zufolge könnte ein Brexit zu Geldlücken von bis zu 108 Milliarden Euro führen. Kreditinstitute aus der EU, die mit britischen Hypotheken, Bankdarlehen und Kreditkarten unterlegte Anleihen gekauft haben, könnten plötzlich gezwungen werden, sie zu veräußern, weil Großbritannien nicht mehr als EU-Land gelten würde und somit die Anleihen ein höheres politisches Risiko tragen bzw. auch die Europäische Finanzaufsicht untersagt, solche Anleihen als Liquiditätsreserven zu halten. Das englische Pfund hat jedenfalls schon deutlich an Wert eingebüßt, wie eine aktuelle Studie des Wirtschaftsinformationsdienstes Bloomberg deutlich macht – es bleibt abzuwarten, wie sich hier das Pound Sterling weiterentwickelt.
„Value of the British Pound”, Quelle: http://www.bloomberg.com/graphics/2016-brexit-watch/
Die britischen Wähler haben entschieden – nun bleibt es an uns, die Folgen der Entscheidung zu tragen und uns vorzubereiten. Wir haben nachfolgend die wichtigsten Themen zusammengefasst:
„The debate”, Quelle: http://www.economist.com/blogs/graphicdetail/2016/02/graphics-britain-s-referendum-eu-membership *Aus: „Der Zauberlehrling”, Johann Wolfgang von Goethe, 1827.
Quelle: Statista
Angesichts eines möglichen Brexit ist es für produzierende Unternehmen ratsam, sich bereits frühzeitig auf eine Umstellung vorzubereiten. Ein Brexit würde wahrscheinlich den Zugang zum EU-Binnenmarkt einschränken.
Um sich auch zukünftig erfolgreich im Markt zu positionieren, müssen derzeitige Produkt-Mixes in den jeweiligen Absatzmärkten überdacht und geprüft werden. Dabei zu berücksichtigen sind alle möglichen rechtlichen oder marktbedingten Restriktionen zu berücksichtigen. Das kann auch eine Chance sein, um die eigenen Prozesse ganzheitlich zu überprüfen.
Unternehmen, die vorausschauend einem möglichen Brexit begegnen wollen, müssen folgende Punkte beachten:
Haben Sie noch Fragen zum Thema oder wünschen Sie Unterstützung für die Umsetzung der Maßnahmen in Ihrem Unternehmen? Kontaktieren Sie uns gerne.
Art. 50 Abs. 1 EUV (Vertrag von Lissabon) bestimmt, dass jeder Mitgliedstaat im Einklang mit seinen Verfassungsvorschriften beschließen kann, aus der Union auszutreten. Insbesondere muss der betreffende Mitgliedstaat keine Gründe für seinen Austritt nennen. Um eine, wenngleich rechtlich unverbindliche, Grundlage dazu zu haben, ob ein entsprechender Austrittsantrag seitens der britischen Regierung gestellt werden soll, fand am 23. Juni 2016 eine Volksabstimmung als Referendum statt, das zugunsten eines Austritts ausging.
Ein von Großbritannien nach Art. 50 Abs. 1 EUV gefasster Beschluss ist gemäß Art. 50 Abs. 2 EUV dem Europäischen Rat mitzuteilen, der dann mit dem betreffenden Staat ein Austrittsabkommen aushandelt.
EU-Botschafter Tim Barrow hat das von Premierministerin Theresa May unterzeichnete Austrittsgesuch am 29. März an EU-Ratspräsident Donald Tusk übergeben und damit offiziell Artikel 50 des EUV ausgelöst. EU-Ratspräsident Tusk stellte daraufhin die Entwurfsfassung der Leitlinien für die Brexit-Verhandlungen vor, nach denen in Anlehnung an den Wortlaut des Art. 50 EUV, jedoch entgegen der Vorstellung von Premierministerin May, in zwei getrennten Phasen zunächst der EU-Austritt zu klären und erst danach die Grundsätze für eine künftige Zusammenarbeit festzulegen wären. Anfang April 2017 sprach sich auch das EU-Parlament mit großer Mehrheit gegen die gleichzeitige Verhandlung von Austritt und künftigen Handelsbeziehungen aus. Mit dem Beginn der Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU zu den Einzelheiten des Austritts ist im Frühsommer zu rechnen.
Das Austrittsabkommen wird nach dem für internationale Übereinkünfte üblichen Verfahren des Art. 218 Abs. 3 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) erarbeitet. Während der Verhandlungen ändert sich der Mitgliedsstatus Großbritanniens nicht und alle Rechte und Pflichten bestehen weiter. Das gleiche gilt für sämtliche Regelungen, die auf EU-Recht basieren und entweder direkt gelten oder durch nationale Bestimmungen umgesetzt wurden.
Nach dem vollzogenen Austritt ist Großbritannien aus Sicht der EU letztlich Drittland. Für künftige interstaatliche Beziehungen kommen daher nach dem AEUV insb. Zoll- und Handelsabkommen nach Art. 207 AEUV sowie Assoziierungsabkommen i.S.d Art. 217 AEUV in Betracht. Die Richtung der kommenden Austrittsverhandlungen mit der EU hat Premierministerin May Anfang 2017 proklamiert. Sofern kein zufriedenstellendes Verhandlungsergebnis erzielt werden könne, strebt sie im Zweifel einen harten Brexit ohne Abkommen an, so dass Großbritannien weder Mitglied der Europäischen Zollunion noch des EU-Binnenmarktes bliebe und sich die interstaatlichen Beziehungen somit nach WTO-Regeln beurteilten. Diese Vorgehensweise wäre rechtlich möglich, denn ein Abkommen nach Art. 50 Abs. 2 EUV (i.V.m. Art. 218 Abs. 3 AEUV) ist keine konstitutive Voraussetzung für den Austritt eines Mitgliedstaates. Kommt es nicht zu einem Austrittsabkommen, so wird der Austritt in jedem Fall 2 Jahre nach der Mitteilung des Mitgliedstaates an den Europäischen Rat (i.S. d. Art. 50 Abs. 1 EUV) wirksam, sofern der Europäische Rat und der betroffene Mitgliedstaat keine einvernehmliche Verlängerung der Zweijahresfrist beschließen (Art. 50 Abs. 3 EUV). Umgekehrt kann ein Austrittsverfahren wesentlich länger dauern als 2 Jahre (und das wäre wohl eine realistische Erwartung) und damit einen längeren Zeitraum mit entsprechenden Unsicherheiten zur weiteren Planung bedeuten. Es erscheint letztlich auch möglich, wenngleich nicht positiv geregelt und auch nicht wahrscheinlich, dass der Austrittsantrag seitens Großbritanniens zurückgenommen wird und ein Austritt damit nicht stattfindet.
Zum 29. März 2017 wurde der Antrag auf den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) gestellt. Der Brexit wird wohl jetzt zum 31. Januar 2020 vollzogen werden. Europäische Unternehmen mit Warenlieferungen aus und nach Großbritannien müssen sich auf wesentliche Änderungen einstellen. Bislang war der Handel mit Großbritannien aufgrund des Grundsatzes des freien Warenverkehrs innerhalb der EU ohne zollrechtliche Formalitäten möglich.
Wird Großbritannien kein gesonderter Status eingeräumt, ist es ab dem Tag des Austritts ein Drittland, vergleichbar bspw. mit den USA. Warenlieferungen nach Großbritannien werden damit Ausfuhrlieferungen und sind ebenso abzuwickeln wie Warenlieferungen in Drittländer. Zollrechtliche Deklarationspflichten und Anmeldepflichten werden dementsprechend zu erfüllen sein. Hier eine kleine Übersicht zu den Unterschieden der Abwicklung einer Transportsendung innerhalb der EU sowie mit Drittländern:
(Für eine optimale Darstellung der Tabelle empfiehlt sich die Nutzung eines Desktop-PC.)
Selbst wenn Großbritannien einen mit der Schweiz vergleichbaren Status einnehmen würde und entsprechende staatliche Verträge geschlossen werden – zollrechtlich bliebe Großbritannien ein Drittland. Durch Freihandelsabkommen könnten zwar die Zollsätze reduziert werden, das würde jedoch einen erhöhten bürokratischen Aufwand für Unternehmen bedeuten, da die Zollreduzierung von bestimmten, nachzuweisenden Voraussetzungen abhängig wäre. Mit dem Austritt aus der EU werden auch Freihandelsabkommen, die die EU schließen wird und geschlossen hat, für Großbritannien nicht mehr ohne weiteres gelten. Trotzdem soll der Warenverkehr zwischen der Europäischen Union und Großbritannien möglichst frei bleiben. Wie das umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Die UK- Zollverwaltung hat signalisiert für die Einfuhrhabwicklung für einen Übergangszeitraum Vereinfachungsregeln für UK- Importeure einzuführen. Diese sollen jedoch nicht für EU- Lieferunternehmen, die im eigenen Namen die Zollabfertigung in UK vornehmen lassen, gelten. Die Auswirkungen des Brexit im zollrechtlichen Bereich hängen also wesentlich davon ab, welchen zollrechtlichen Status die EU und Großbritannien miteinander vereinbaren werden. Angestrebt wird wahrscheinlich ein „Freihandelsabkommen”, aber zumindest in einer Übergangsphase dürften bis dahin Handelsbarrieren zu Großbritannien und dadurch auch zusätzlicher Verwaltungsaufwand für europäische Unternehmen entstehen.
Jan Eberhardt
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