Der kommunale Diensteanbieter

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Viele Stadtwerke planen in Zukunft Breitbanddienste, insbesondere Telefonie, Breitband-Internet und Fernsehen, anzubieten. Alle diese Dienste kann ein Stadtwerk selber bereitstellen oder aber auch zukaufen. Die Frage stellt sich, welches Modell in welcher Konstellation sinnvoll ist.
   

Telefonieren im Festnetz

Das zur Verfügung Stellen eines Telefondienstes ist in der Praxis meistens unvermeidlich, obwohl gerade dieser Dienst sehr komplex und durch hohen Margendruck gekennzeichnet ist. In den Zeiten der inzwischen üblichen Flatrateangebote reduziert sich der Gewinn aus diesem Dienst zunehmend. Langfristig gesehen können hier in der Regel höchsten 3-5 Euro pro Monat und Anschluss erwirtschaftet werden. Die Tendenz ist fallend.

Der Telefoniedienst kann dabei technisch mit eigener Technik bereitgestellt oder zugekauft werden. Eigene technische Infrastruktur ermöglicht häufig bessere Qualität und Verfügbarkeit, geht aber auch mit der Übernahme komplexerer Verantwortlichkeiten einher. Wer Telefonie als „First-Line-Produkt“, also als Haupttelefonanschluss, anbietet, muss beachten, dass für die Vermittlung von Gesprächen eine gewisse Minimaltechnik benötigt wird:   

      

  • Über einen Class-4-Switch muss die Schnittstelle zur Außenwelt über eine Zusammenschaltung (IC/Interconnecting) mit einem anderen Netzanbieter erfolgen.
  • Mit Hilfe des Class-5-Switches werden die Minuten zum Endkunden vermittelt.
  • Der Abrechnungsserver sammelt Minuten vom C4/5-Switch ein und schreibt daraus Rechnungsdatensätze (CDR+EVN). 
  • Eine Sicherstellung von Notruf sowie die Einhaltung gerichtlicher Vorgaben zum Abhören (LI, Lawfull Interception)muss berücksichtigt werden. 

    
Ein weiterer Aspekt ist die Bedienung von Geschäftskunden, die Anlagenanschlüsse und große Primärmultiplexanschlüsse nutzen. Der Komplexitätsgrad dieser Anschlüsse übersteigt den Privatkundenmarkt in der Regel um ein Vielfaches, weshalb möglicherweise für diesen Produktbereich zumindest anfänglich ein Zukauf von Leistungen angezeigt sein könnte.
  
Verfügt ein Stadtwerk bzw. ein kommunales Telekommunikationsunternehmen nicht über das entsprechende Know-How und Personal, kann das komplette Gewerbekundenprodukt als Vorprodukt eingekauft werden. Die formellen Unterschiede und Vorteile der Modelle zeigt folgende Tabelle grob auf: 

     

Telefonie Eigener Dienst Dienst zukaufen
TechnikClass 4/5 Switch (C4 externe Verbindungen, C5 interne Verbindungen),
Abrechnungsserver, diverse Schnittstellen (IC, LI, Notruf)
Kleinere Netzanbindung
Verträge TAL-Vertrag (min. zur  Rufnummernportierung)
IC-Vertrag (1, besser 2-3)
Versorgungsvertrag
VorteileService und Qualität in eigener Hand, hohe Unabhängigkeit Mitwachsende Kosten, schnelle Bereitstellung, keine Verantwortung für LI, Notruf & Co.
NachteileAufwändige Technik, hoher Personal- und Kostenaufwand, geringe Marge Hohe Abhängigkeit, geringere Marge

 

Empfehlung: Telefonie ist Pflicht, doch die Marge gering. Der Aufwand ist hoch, die Ansprüche ebenso.  Plant man nur wenig Anschlüsse (< 2.000), sollte definitiv zugekauft werden. Hat man große Ziele ( > 10.000 Kunden) dann macht es Sinn, selbst zu investieren.

    

Breitband-Internet: das Fundament

Treiber des Ausbaus ist aktuell der Internetzugang und deshalb das „Must-Have“ für jeden Anbieter. 50 oder 100 Mbit/s sind heute mindestens der Maßstab. Das Zielnetz besteht üblicherweise vollständig aus Glasfaser, konkurriert jedoch heute noch mit Vectoring und TV-Kabelnetzen. Kalkulatorisch lässt sich mit Internetanschlüssen durchaus Geld verdienen, denn während die pro Anschluss und Monat bis zu 50 Euro erzielt werden können, machen die Kosten der Datenpakete lediglich ca. 5% dieser Umsätze aus.

Auch hinsichtlich seiner technologischen Komplexität ist der Internetdienst überschaubar. Es müssen Datenpakete zwischen Internet und Kunde geschaltet (Switch) und die Kundenzugänge verwaltet werden (BRAS). Gesetzliche Vorgaben (Lawfull Interception, Vorratsdaten­speicherung) müssen selbstverständlich auch hier berücksichtigt werden. Einen Überblick gibt wiederum die folgende Tabelle:


 

Breitband Eigener Dienst Dienst zukaufen
TechnikDatenswitch, BRAS, Schnittstellen (LI, VDS), Netzanbindung (>= 1 Gbit/s)    Netzanbindung (>= 1 Gbit/s)
Verträge ZusammenschaltungsvertragVersorgungsvertrag
VorteileSchnell zu realisieren, Unabhängigkeit, gute Marge Mitwachsende Kosten, schnelle Bereitstellung
NachteileMittlerer Personal- und KostenaufwandHohe Abhängigkeit, mittlere Marge

 

Empfehlung: Es macht in beinahe allen Fällen Sinn, diesen Dienst selber zu realisieren. Eine Ausnahme bilden reine Pachtmodelle, die eine Beteiligung am Netzbetrieb und Diensteangebot völlig ausschließen sollen.
  

Das liebe Fernsehen

Das liebe Fernsehen ist immer gerne der ins Feld geschickte Retter des Geschäftsplans. Aber ist das wirklich so?

Sicher ist, dass die Marge im TV vergleichsweise hoch ist. Bei geringen Investitionen (~50.000 Euro) können 10-15 Euro Marge pro Monat/Anschluss erzielt werden, wenn das Netz die entsprechenden Voraussetzungen mitbringt.

Die Frage wird sein, wer letztendlich als Abnehmer gewonnen werden kann. Die Wohnungswirtschaften sind zumeist langfristig durch die etablierten Kabelnetzbetreiber versorgt, Kunden in ländlicheren Regionen nutzen Satellit, DVB-T oder überhaupt nur noch das Internet.

Fernsehen das über das Datennetz funktioniert, ist aber kein grundlegendes Verkaufsargument. Für den Kunden spielt die Herkunft seines TV-Dienstes eine untergeordnete Rolle. Die Vorteile von IPTV sind heute noch gering.

Dabei kann IPTV eine Ergänzung der Medienlandschaft (außerhalb des Primärmarktes) darstellen und als Zusatzprodukt mit alternativen Inhalten und insbesondere für junges und modernes Klientel ohne klassischen Fernseher eine attraktive Lösung darstellen, wenn die richtigen Rahmenbedingungen gegeben sind. 


 

Fernsehen Eigener Dienst Dienst zukaufen
Technik

Satelliten-Headend, DVB-C/IPTV-Playoutcenter, breitbandiges Verteilnetz

 

Netzanbindung (~3 Gbit/s)

Sub-Headend, breitbandiges Verteilnetz

 

Verträge Durchleitungsverträge, Verträge mit Verwertungs-GesellschaftenVersorgungsvertrag
VorteileUnabhängigkeit, eigene TV-Programme möglich, gute Marge

Mitwachsende Kosten, schnelle Bereitstellung

 

NachteileAufwändig zu realisieren, Bandbreiteanforderungen im Verteilnetz Hohe Abhängigkeit, mittlere Marge, Bandbreiteanforderungen im Verteilnetz

 

Empfehlung: Ist die Wohnungswirtschaft im Boot mit einer Erwartung von mehr als 2.000 TV-Kunden, kann eine Investition in die Kopfstelle Sinn machen. Gibt es keine festen Absatzkanäle und soll TV als Primärprodukt angeboten werden, dann macht es Sinn, diese Leistung einzukaufen. Ist TV kein Primärprodukt sondern ein innovatives Zusatzangebot, dann ist IPTV im Zukauf der richtige Weg.       
      

zuletzt aktualisiert am 28.04.2016

  

Christoph Bechtel

Key Account Manager
GEO DATA GmbH

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