Compliance: Die neue Selbstanzeige im Außenwirtschaftsrecht

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Die Selbstanzeige im Steuerrecht ist in aller Munde. Fast unbemerkt davon hat sich für Unternehmen eine Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige im Außenwirtschaftsrecht aufgetan. Seit September 2013 erlaubt § 22 Absatz 4 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) die strafbefreiende Selbstanzeige. Um straffrei zu bleiben, muss die Selbstanzeige so schnell und umfassend wie möglich erfolgen. Gleichzeitig muss das Unternehmen nach dem Gesetzeswortlaut bereits „Maßnahmen getroffen haben”, um künftige Verstöße auszuschließen.
 
Nun ist gesetzlich fixiert, was in der Vergangenheit zwischen Zollbehörden und Unternehmen bereits so etwas wie gängige Beratungspraxis war, jeweils abhängig vom Verhandlungsgeschick der Rechtsberater. Zollbehörden milderten Bußgelder oder erließen die Strafe ganz. Voraussetzung war, dass Unternehmen fahrlässig gegen die Zollvorschrift verstoßen hatten, aber von sich aus den Rechtsverstoß offenbarten und die Zollbehörden überzeugen konnten, dass das in Zukunft nicht mehr vorkommen würde.
 

Selbstanzeige für Bußgeldtatbestände bis zu 30.000 Euro

Um welche Straftaten handelt es sich? Es geht um Ordnungswidrigkeiten gemäß § 19 Absätze 2 bis 5, die mit Bußgeldern bis zu 30.000 Euro bestraft werden können. Keine Selbstanzeige gibt es für Verstöße gegen die EG-Dual-Use-Verordnung oder Embargo-Vorschriften, die durchaus mit Geldbußen bis zu 500.000 Euro belegt werden können, je nach Ausmaß oder Häufigkeit des Verstoßes.
 
Von der Selbstanzeige erfasst werden Pflichten, die es den Zollbehörden ermöglichen, zu prüfen, ob Waren richtig verzollt werden. Dazu gehören:
  • Die Abgabe von Erklärungen und Informationspflichten gegenüber der Behörde
  • Die Gestellung von Sendungen und das Vorlegen der Dokumente
  • Die Übermittlung von Informationen, etwa Ausfuhrpapiere oder Frachtbriefe
  • Die Abgabe von Vorabanmeldungen
  • Die Aufzeichnung, Aufbewahrung und das Zur-Verfügung-Stellen von Transaktionen
  • Die Unterrichtung zuständiger Stellen oder Behörden
  • Das Aufbewahren von Dokumenten

 

Unternehmen, die gegen diese Form- und Verfahrensvorschriften verstoßen – ob aus Nachlässigkeit oder mit Absicht – stören den Zollbetrieb und zahlen im schlimmsten Fall zu wenig Zollgebühren. Die sogenannte Verkürzung von Zollgebühren ist das Pendant zur fahrlässigen Steuerverkürzung.

Dieser Zollverkürzung möchte der Gesetzgeber nun einen Riegel vorschieben. Allerdings nicht, indem er die Strafen für Zollvergehen drastisch erhöht, sondern indem er es Unternehmen erleichtert, fahrlässig begangene Verstöße zu melden.
 

Motivation für bessere Compliance im Zoll- und Außenwirtschaftsrecht

Experten begrüßen diese Neuregelung. „Die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige im Außenwirtschaftsrecht dürfte Unternehmen motivieren, von sich aus für mehr Compliance zu sorgen. Das ist angesichts der zahlreichen, teilweise sehr komplizierten Zollvorschriften ein großer Fortschritt für die Rechtssicherheit im internationalen Warenverkehr”, sagt Rechtsanwältin Dr. Christine Varga von Rödl & Partner in Nürnberg.
 
Die Spezialistin für Zoll- und Steuerstrafrecht weiß, wie leicht gegen eine Vorschrift verstoßen wird. Es reicht schon, wenn ein Mitarbeiter unsorgfältig arbeitet, schon enthalten Frachtbriefe unklare oder unvollständige Angaben und das Unternehmen verstößt gegen Pflichten aus dem Außenwirtschaftsgesetz.
 

Harte Strafen im Zoll- und Außenwirtschaftsrecht

Doch im Zollrecht werden auch leichte Verstöße streng geahndet. Ab einem Bußgeld von 200 Euro aufwärts gibt es einen Eintrag ins Gewerbezentralregister und damit möglicherweise den Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge. Ein Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten kann zudem eine Zollprüfung nach sich ziehen. Dabei drehen die Zollprüfer, so die Erfahrung von Varga, dann alles auf links und entdecken möglicherweise noch viel umfangreichere Verstöße gegen Zoll- und Außenwirtschaftsvorschriften.
 
Schließlich drohen Bußgelder nach § 130 i.V.m. § 30 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) wegen Organisations- und Aufsichtsverschulden. Und last but noch least – im Falle eines Strafverfahrens – riskieren Jagdliebhaber unter den Unternehmern sogar den Entzug ihrer Waffenbesitzkarte, wenn das Bußgeld die Höhe von 60 Tagessätzen überschreitet.
 

Hohe Wahrscheinlichkeit, von den Zollbehörden kontrolliert zu werden

Dass Rechtsverstöße ans Licht kommen, ist sehr wahrscheinlich. Denn die Kontrolldichte im Außenwirtschaftsrecht ist in Deutschland extrem hoch; Unternehmen, die Außenhandel betreiben, stehen permanent im Fokus der Zollbehörden. Seit 2009 erfolgt die Auswahl der zu prüfenden Firmen bundesweit anhand von Risikokriterien, aus denen Risikoziffern berechnet werden. Hier fließen Informationen aus allen Sachgebieten der Zollverwaltung ein. Auch Hinweise von Zollabfertigungsstellen, Finanzämtern oder anderen Behörden beeinflussen die Auswahl einer Firma als „Prüfungsobjekt”.
 
Sollte ein Unternehmen eine strafbefreiende Selbstanzeige erst erstatten, wenn es in aller Eile eine umfassende Complianceabteilung aufgebaut hat? Oder geht es womöglich sogar ein Risiko ein, wenn es sich selbst anzeigt und noch keine Compliance besitzt?
 
„Nein, das heißt es nicht”, sagt die Compliance-Spezialistin Varga. Für die wirksame Selbstanzeige im Außenwirtschaftsrecht reicht es, wenn das Unternehmen nachweisen kann, dass es sich Gedanken gemacht hat, mit welchen Maßnahmen es Pflichtverletzungen in Zukunft vermeiden kann.
 
Das Gespräch mit den Behörden bietet Unternehmen eine große Chance, so Varga. „Legt man den Behörden im Zuge der Selbstanzeige offen, welche Compliance-Maßnahmen man ergreifen möchte, um solche oder ähnliche Rechtsverstöße in Zukunft zu verhindern, wird sich in aller Regel früh abzeichnen, ob diese Maßnahmen aus Sicht der Behörden als ausreichend angesehen werden oder nicht.”
 

Gute Kontrolle: Erfüllen Einkauf und Vertrieb alle vorgeschriebenen Pflichten?

Langfristig führt an einer funktionierenden Compliance im Zoll- und Außenwirtschaftsrecht kein Weg vorbei. Wer dem langen Arm der Zollbehörden entkommen will, braucht eine zentrale Compliance-Abteilung. Besitzt das Unternehmen diese bereits, kann es sie durch einen Vertreter für Einkauf, Vertrieb und Außenhandel ergänzen. Bei kleineren Unternehmen betreuen Rechtsabteilung oder Geschäftsführung die Zollcompliance. Alternativ überprüfen externe Rechtsberater die Rechtsrisiken und schulen die Mitarbeiter im Hinblick auf ihre Pflichten nach dem Außenwirtschaftsgesetz und die diversen Zollvorschriften.
 
„Entscheidend ist es, dass man einen Verhaltenskodex im Sinne einer Best Practice etabliert”, sagt Rechtsanwältin Christine Varga. Sie hat mit dem Team Prävention und Verteidigung schon in einigen Unternehmen Compliance-Systeme aufgebaut. Die Maßnahmen ähneln übrigens denen, die nach dem UK-Bribery Act vorgeschrieben sind. Auch hier geht es um die Verhinderung von Straftaten. Das Idealziel ist erreicht, wenn Verstöße einmalige Vorkommnisse bleiben.
 

Die Selbstanzeige ist kein Freibrief für Wiederholungstaten

„Wer einen Rechtsverstoß per Selbstanzeige meldet, kann nicht drei Monate später mit demselben Verstoß wieder kommen und dann erneut Straffreiheit erwarten”, konkretisiert Varga. Denn spätestens bei einer Wiederholungstat dürften den Behörden Zweifel kommen, ob die Pflichtverletzung wirklich nur ein Versehen war. „Wer die Selbstanzeige als Freifahrtschein für Schlamperei bei Zollvorschriften ansieht, hat etwas missverstanden”, warnt die Präventionsspezialistin. Oft nehmen die Zollbehörden einmal aufgedeckte Unregelmäßigkeiten zum Anlass, jetzt erst recht nachzuprüfen. Oft fördern sie im Wege der dann angesetzten Zollprüfungen schwerere Rechtsverstöße zutage. Etwa Verstöße gegen die Embargo-Verordnung.
 
So weit sollte man es nicht kommen lassen. Besser ist es, mit dem Aufbau einer Complianceabteilung zu beginnen und dann freiwillig das Gespräch mit den Behörden zu suchen. „Eine gute gemachte Selbstanzeige bietet den idealen Anlass, mit den Zollbehörden ins Gespräch zu kommen und mit ihnen über die geplanten Compliancemaßnahmen zu sprechen. Damit kann eine Selbstanzeige sogar eine Art Testlauf für eine spätere Zollprüfung sein”, betont Varga.
 
Zuletzt aktualisiert am 26.02.2014

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Dr. Christine Varga-Zschau

Rechtsanwältin, Geldwäschebeauftragte

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