Vor- und Nachteile eines fakultativen Aufsichtsrates für die mittelständische GmbH

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 12. April 2021 | Lesedauer ca. 5 Minuten

  

Während in Aktiengesellschaften der Aufsichtsrat die Unternehmenspolitik über­wacht, fällt diese Aufgabe bei der GmbH grundsätzlich der Gesellschafter­versamm­lung zu. In Zeiten wirtschaftlicher und technologischer Herausforderungen kommt es durchaus vor, dass die Mitglieder der Gesellschafterversammlung nicht alleine die Unternehmenspolitik festlegen, über wichtige Maßnahmen der Geschäfts­führung entscheiden und sie überwachen können oder wollen. Vor allem für mittelständische Unternehmen stellt sich dann die Frage der Einrichtung eines Aufsichtsrates.

 

  

  
  

   

Aufsichtsrat als Baustein guter Corporate Governance

Gute Corporate Governance stellt nicht nur für börsennotierte Unternehmen einen wesentlichen Baustein einer verantwortungsvollen, am Unternehmensinteresse orientierten Unternehmensführung dar, sondern dient auch nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen zur Orientierung (Vgl. Präambel Deutscher Corporate Governance Codex (DCGC), Stand 16.12.2019). Corporate Governance bezeichnet dabei den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens mit dem Ziel, die Interessen der mit dem Unternehmen verbundenen Gruppen („Stakeholder“) abzustimmen. Die Ausgestaltung der Beziehung zwischen Eigentümern, Geschäftsführung und Aufsichtsgremien stellt eine Grundvoraussetzung für „gute Unternehmensführung“ dar. Dabei kann einem fakultativen Aufsichtsrat eine wichtige Aufgabe zukommen (Vgl. Lit. A. II. sowie Lit. D DCGK).

Im Unterschied zur Aktiengesellschaft hat die GmbH nicht kraft Gesetzes einen obligatorischen Aufsichtsrat einzurichten. Unterliegt sie keinem Mitbestimmungsstatut (§ 4 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 DrittelbG (mehr als 500 AN), § 6 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 MitbestG (mehr als 2000 Arbeitnehmer), Montan-Mitbestimmungs­gesetz (Unternehmen im Bereich der Montanindustrie und mehr als 1.000 AN, § 18 Abs. 2 KAGB (Kapital­verwaltungsgesellschaft)), steht es den Gesellschaftern frei, im Gesellschaftsvertrag über die Einsetzung und Ausgestaltung eines fakultativen Aufsichtsrates zu entscheiden. Für den fakultativen GmbH-Aufsichtsrat kommt die Verweisung in § 52 Abs. 1 GmbH zum Tragen, welche die dort zitierten Vorschriften des Aktien­ge­setzes zur Anwendung bringt, sofern und soweit nicht die Gesellschafter im Rahmen ihrer Satzungsautonomie Kompetenzen und innere Ordnung des Aufsichtsrates im Gesellschaftsvertrag abweichend festlegen.
   

Aufgaben eines fakultativen GmbH-Aufsichtsrates

Während bei einem obligatorischen Aufsichtsrat der Gestaltungsspielraum der Gesellschafter wegen Verwei­sung auf zwingend geltende Vorschriften des Aktiengesetzes deutlich beschränkt ist (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 DrittelbG bzw. § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MitbestG), steht es den Gesellschaftern beim fakultativen Aufsichtsrat frei, im Gesellschaftsvertrag dessen Kompetenzen unter Berücksichtigung der unverzichtbaren Überwachungs­auf­gabe festzulegen. Hierfür empfehlen sich klare Satzungsregelungen, wobei die Kompetenz für Grundlagen­entscheidungen bei der Gesellschafterversammlung zu verbleiben hat.

Der fakultative Aufsichtsrat bildet ein Organ der Gesellschaft, dem im Sinne der internen Arbeitsentlastung Teilaufgaben der Gesellschafterversammlung als dem maßgeblichen Willensbildungs- und Kontrollorgan übertragen werden, ohne dass dadurch von der dualistischen Struktur der GmbH bestehend aus Gesell­schafterversammlung und Geschäftsführung abgewichen werden soll.

Dem fakultativen Aufsichtsrat kommt die grundsätzliche Pflicht zur Überwachung der Geschäftsführung zu (§ 52 Abs. 1GmbHG i.V.m. § 111 Abs. 1 AktG), auch wenn die Überwachungskompetenz hinsichtlich der Geschäfts­führung den Gesellschaftern in ihrer Gesamtheit zugewiesen ist (§ 46 Rn. 6 GmbHG). Wesentlicher Bestandteil der Überwachung ist das Recht des Aufsichtsrates gegenüber der Geschäftsführung auf Berichterstattung, die Prüfung der laufenden Kassenführung und des Rechnungswesens sowie die Information der Gesellschafter­versammlung. Dabei liegt es in der Verantwortung des Aufsichtsrates, Umfang und Häufigkeit der Infor­mationsversorgung durch die Geschäftsführung zu konkretisieren.

Grundsätzlich liegt eine wesentliche Aufgabe des Aufsichtsrates über den Wortlaut des § 111 Abs. 1 AktG hinaus in der Beratung der Geschäftsführung. Denn die Überwachungsaufgabe des AR beinhaltet nicht nur die Überwachung abgeschlossener und laufender Vorgänge, sondern auch die präventive Überwachung beabsichtigter Vorhaben der Geschäftsführung unter den Gesichtspunkten der Ordnungs- und Rechtmäßigkeit sowie der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit (siehe auch GS I DCGK). Bedeutsam ist zudem die in die Zukunft gerichtete Beratung des Aufsichtsrates mit der Geschäftsführung über deren Geschäftspolitik als einem ständigen Diskussionsprozess.

Im aktienrechtlichen Aufsichtsrat stützt sich der Aufsichtsrat dabei vor allem auf die Berichterstattung des Vorstands, für die in § 90 Abs. 1 und 2 AktG umfassende formalisierte Berichtspflichten niedergelegt sind. Da § 52 Abs. 1 GmbHG allein auf § 90 Abs. 3 und 4 AktG verweist, ist eine solche laufende Berichterstattung für die GmbH nicht zwingend, sondern es liegt in der eigenen Verantwortung des Aufsichtsrates, die Informations­versorgung durch die Geschäftsführung festzulegen. Zudem ist es eine Kardinalpflicht der Geschäftsführer, den Aufsichtsrat über wesentliche Umstände und Ereignisse der Entwicklung der Gesellschaft zu unterrichten.

Ferner ist die Prüfung des Jahresabschlusses und ggfs. Konzernabschlusses (§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. §§ 170, 171 AktG) typischer Bestandteil der Überwachungsaufgabe, jedenfalls hinsichtlich der Überprüfung des Zahlenwerks als Rechenschaftsbericht über das abgelaufene Geschäftsjahr hinsichtlich seiner Überein­stimmung mit Gesetz und Gesellschaftsvertrag. Im Rahmen seines Berichts an die Gesellschafterversammlung hat der Aufsichtsrat über seine Erkenntnisse aus der Prüfung des Abschlusses zu informieren, um der Gesellschafterversammlung eine ausreichende Informationsgrundlage für die Bilanzfeststellung zu vermitteln. Hingegen hat die Gesellschafterversammlung den Jahresabschluss bzw. Konzernabschluss ohne Bindung an die von der Geschäftsführung aufgestellte Fassung oder das Votum des Aufsichtsrates in eigener Verantwortung festzustellen (§ 46 Nr. 1 GmbHG).

Werden für den Aufsichtsrat im Gesellschaftsvertrag Zustimmungsvorbehalte statuiert, sind ihm wesentliche Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung eröffnet, indem er über die Erteilung oder Versagung der Zustimmung beschließt. Er nimmt damit auch geschäftsführungsähnliche Aufgaben wahr, die über den Kern seiner Funktion als Überwachungsorgan hinausreichen. Sieht die Satzung keinen Zustimmungsvorbehalt vor, hat der Aufsichtsrat das Recht, gegenüber der Geschäftsführung Zustimmungsvorbehalte anzuordnen und daher nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen, welche Vorgänge einem Zustimmungsvorbehalt unterworfen werden sollen (§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG). Dieses Recht kann dem Aufsichtsrat aber im Gesellschaftsvertrag generell versagt werden. Hat der Aufsichtsrat bei einem Zustimmungsvorbehalt gegen­über der Geschäftsführung seine Zustimmung verweigert, kann die Gesellschafterversammlung dessen ablehnende Entscheidung durch Beschluss überwinden (§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 111 Abs. 4 S. 4 AktG).

Weisungsrechte gegenüber der Geschäftsführung stehen dem Aufsichtsrat grundsätzlich nicht zu. Denn im Grundsatz sind dem Aufsichtsrat aufgrund seiner Überwachungsfunktion Geschäftsführungsmaßnahmen untersagt (§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 105 Abs. 1 und § 111 Abs. 4 S. 1 AktG). Die Gesellschafterversammlung, der gegenüber der Geschäftsführung Weisungsrechte über Einzelmaßnahmen der Geschäftsführung zustehen, kann diese Weisungsrechte jedoch ganz oder teilweise an den Aufsichtsrat delegieren, so dass er direkte Weisungsrechte gegenüber der Geschäftsführung wahrnehmen kann. Das führt aber nur dann zu einer Verdrängung der Weisungskompetenz der Gesellschafterversammlung, wenn entsprechendes ausdrücklich in der Satzung vorgesehen ist. Andernfalls behält die Gesellschafterversammlung zumindest ein konkurrierendes Weisungsrecht. Umstritten ist hingegen, ob die Mitglieder des Aufsichtsrates allein dem Unternehmens­interesse und damit keinerlei Weisungen unterliegen, oder der Gesellschaftsvertrag generell Weisungs­ge­bundenheit durch die Gesellschafterversammlung anordnen kann.

Nach § 52 Abs. 1 GmbH ist dem Aufsichtsrat keine Personalkompetenz hinsichtlich der Besetzung der Geschäftsführung eingeräumt, insoweit bleibt es bei der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 5 GmbHG. Den Gesellschaftern steht es allerdings frei, die Personalkompetenz auf den Aufsichtsrat zu übertragen und ihm auch die Vertretung der GmbH gegenüber den Geschäftsführern entsprechend § 112 AktG einzuräumen.

Grundlagenentscheidungen gehören zum unveräußerlichen Kernbereich der Verbandssouveränität und dürfen nicht auf Aufsichtsräte übertragen werden. Dazu gehören z. B. die Befugnis zur Satzungsänderung, zur Auf­lösung der Gesellschaft oder zur Umwandlung.
   

Konstitution eines fakultativen GmbH-Aufsichtsrates

Gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 95 S. 1 AktG sind gesetzlich drei Mitglieder des Aufsichtsrates vorgesehen. Hiervon kann aber im Gesellschaftsvertrag abgewichen werden. Die Amtszeit ist von den Gesellschaftern zu bestimmen und kann durch Satzung oder Gesellschafterbeschluss erfolgen.

Zu Mitgliedern eines Aufsichtsrates können natürliche und unbeschränkt geschäftsfähige Personen bestellt werden (§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 100 Abs. 1 AktG). Keine Mitglieder können aktive Geschäftsführer, Prokuristen oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte (§ 52 Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 105 Abs. 1 AktG) und gesetzliche Vertreter abhängiger Unternehmen (§ 52 Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 100 Abs. 2 S. 1 AktG) werden. Hiervon kann in der Satzung nicht abgewichen werden.

Die innere Ordnung des Aufsichtsrates und die Beschlussfassung sind durch die Gesellschafter zu regeln, da § 52 Abs. 1 GmbHG nicht auf die §§ 107-109 AktG verweist.
    

Vor- und Nachteile eines fakultativen GmbH-Aufsichtsrates

Studien legen nahe, dass ein freiwilliges Beratungs- und Aufsichtsgremium auch im mittelständischen Bereich positiv bewertet wird und einen gesteigerten Unternehmenserfolg bewirkt. Die konkreten Vor- und Nachteile eines fakultativen Aufsichtsrates sind indes im Einzelfall eng mit dessen konkreter Ausgestaltung, insbe­sondere der Definition der Aufgaben und der inhaltlichen Ausgestaltung der inneren Ordnung gekoppelt. Jedoch können die folgenden Tendenzen festgestellt werden:

Ein fakultativer GmbH-Aufsichtsrat ermöglicht den Einbezug von Wissen, Meinungen und Einschätzungen von Experten in einer Phase unternehmerischer Herausforderungen für das Geschäftsführungsteam im Wege eines permanenten und regelmäßig tagenden Aufsichtsgremiums. Zudem besteht die Möglichkeit, den Aufsichtsrat für eine „strategische Frühaufklärung“ bzgl. sich anbahnender Veränderungen im Marktumfeld zu nutzen.

Der fakultative Aufsichtsrat als Sparrings-Partner für die Geschäftsführung erlaubt eine neutrale und differenzierte Diskussion unternehmerischer Belange durch professionelle Gestaltung und Moderation. Er hat die Anpassung von Entscheidungsabläufen im Unternehmen und eine professionelle Aufbereitung von Entscheidungsvorlagen zur Folge. Aufgrund der freiwillig gewählten Institutionalisierung ermöglicht er eine Verbesserung von Arbeitsweise und Entscheidungen. Die Etablierung eines gut funktionierenden und effektiven Aufsichtsgremiums bedeutet aber zugleich einen organisatorischen und finanziellen Mehraufwand, der Aufsichtsrat in interne Entscheidungsprozesse einzubeziehen ist.

Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe, nämlich der Pflicht zur Überwachung der Geschäftsführung, haben die Aufsichtsrat-Mitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften „Überwachers“ anzuwenden. Bei schuldhafter Missachtung der individuellen Sorgfaltspflicht haften sie der Gesellschaft auf Schadensersatz. Es empfiehlt sich, dem Haftungsrisiko durch Abschluss einer D&O-Versicherung zu begegnen.

    
Fazit

Ein fakultativer Aufsichtsrat kann für eine mittelständisch geprägte GmbH ein sinnvolles Instrument sein, um unternehmerischen Herausforderungen durch inhaltlichen und fachlichen Rat einerseits und Kontrolle des Managements andererseits zu begegnen und die Unternehmensführung zu professionalisieren. Entscheidend sind die richtige Zusammensetzung des Aufsichtsrates sowie die Bereitschaft der Eigentümer, Macht und Einfluss mit externen Fachexperten, erfahrenen Managern zu teilen. Die Beteiligten sollten ein einheitliches Verständnis über die Rolle des fakultativen Aufsichtsrates haben, insbesondere den Grad seiner Einfluss­nahme auf die Geschäftsführung. Bei wechselseitigem Vertrauen zwischen Geschäftsführung, Aufsichtsräten und dem Gesellschafterkreis, das einen professionellen und andauernden Diskussionsprozess ermöglicht, kann ein fakultativer Aufsichtsrat seine volle Wirkung entfalten.

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu