Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer: Das Schlussurteil in Sachen Meilicke

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I. Einleitung

Mit heute veröffentlichtem Urteil vom 15. Januar 2015 hat der Bundesfinanzhof den mehr als 10 Jahre währenden Rechtsstreit um die Anrechnung von Steuern ausländischer Kapitalgesellschaften unter dem bis zum Jahr 2001 geltenden Anrechnungsverfahren beendet. Im Zuge der Frage nach der Anrechnungspflicht ausländischer Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer wurde der EuGH in den vergangenen Jahren gleich zweimal (Rechtssachen C-292/04 und C-262/09) angerufen, und obgleich das Gericht im Grundsatz für den Steuerpflichtigen geurteilt hat, lehnten deutsche Steuergerichte wie etwa das FG Köln mit Urteil vom 27.08.2012 die Klage der Steuerpflichtigen auf Grund eines unzureichenden Nachweises der gezahlten ausländischen Körperschaftsteuer ab. Diese Auffassung wurde nunmehr letztinstanzlich durch den BFH bestätigt. 
 

II. Der Sachverhalt

Im Detail hatte der im Jahr 1997 verstorbene Erblasser H. Meilicke in den Jahren 1995 – 1997 Dividenden von dänischen und niederländischen Kapitalgesellschaften erhalten. Zwischen den Erben und dem Finanzamt war streitig, ob die ausländischen dänischen und niederländischen Körperschaftsteuern, die auf den erhaltenen Dividenden lasteten, im Rahmen der Veranlagung als Einkünfte zu berücksichtigen und anzurechnen sind. Für den vergleichbaren Inlandsfall sah die damalige Gesetzeslage genau dies vor. Die Kläger argumentierten, dass unter der unionsrechtlich verankerten Kapitalverkehrsfreiheit der Bezug von ausländischen Dividenden einkommensteuerlich in gleicher Weise zu behandeln sei wie der Bezug inländischer Dividenden. Andernfalls liege hierin ein ungerechtfertigter Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Obgleich der EuGH dieser Argumentation zustimmte, hatte das Finanzgericht die Klagen abgewiesen, da es sowohl die erforderliche Vorlage ordnungsgemäßer Körperschaftsteuerbescheinigungen als auch den Nachweis über die Höhe der anrechenbaren Körperschaftsteuern als nicht erfüllt ansah. In der Revision hatte der BFH sich nun mit diesen Anforderungen des Finanzgerichts auseinanderzusetzen.  
 

III. Die Entscheidung

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen, den verfassungsrechtlichen Bedenken der Revisionskläger eine Absage erteilt und ebenso eine nochmalige Vorlage an den EuGH für nicht erforderlich gehalten. Wenn aus europarechtlichen Gründen, so der BFH, auch ausländische Körperschaftsteuer in die Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG 1990/1997 einzubeziehen sei, so habe dies als Reflex - unionsrechtlich unbedenklich - die Einbeziehung eben dieser Körperschaftsteuer in den Einkunftsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1990/1997 zur Folge.  
 
Ab dem Jahr 1996 war eine Anrechnung gesetzlich jedoch dann ausgeschlossen, wenn die fraglichen Körperschaftsteuerbeträge nicht als Einnahme – wie hier in den Jahren 1995 – 1997 – erfasst wurden. Die Kläger hatten ausschließlich den Abrechnungsbescheid und nicht die Steuerfestsetzung angegriffen, so dass eine Änderung der Steuerfestsetzung für die Jahre 1995 – 1997 im Rahmen der Klage nicht in Frage kam. Für die Jahre 1996 und 1997 schied eine Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer allein aus dem Grund, dass – mangels geänderter Festsetzung – die dazugehörigen Kapitalerträge nicht im zu versteuernden Einkommen enthalten waren. 
 
Für eine Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer für das Jahr 1995 hatten die Kläger im Rahmen des Verfahrens keine Unterlagen vorgelegt, durch die das Finanzgericht tatsächlich im Ausland angefallene Körperschaftsteuer hätte feststellen können. Dieser Nachweis war als weitere materiell-rechtliche Anwendungsvoraussetzung nach den Ausführungen des BFH durch den EuGH festgeschrieben worden. Dieser Anforderung hielten die vorgebrachten Bescheinigungen der Depotbanken nicht stand. Umsonst war die Bemühung der Steuerpflichtigen jedoch nicht, denn obwohl sie persönlich nicht von den erstrittenen EUGH-Urteilen profitieren konnten, so haben diese Urteile doch zur Entwicklung der europäischen Rechtsprechung maßgeblich beigetragen.  
 

IV. Fazit

Es bleibt festzuhalten, dass zunächst alle „offenen Fälle“ ab 1996 daraufhin überprüft werden sollten, ob neben dem Abrechnungsbescheid auch der Festsetzungsbescheid offen gehalten wurde bzw. ob die ausländische Körperschaftssteuer bereits als Einnahme im Rahmen des Festsetzungsverfahren erfasst wurde. Nur in diesen Fällen ist eine erfolgreiche Anrechnung überhaupt noch möglich.  
 
Im weiteren Schritt sind dann die erforderlichen Nachweise zusammenzustellen. Wie diese aussehen können und was „zu viel“ verlangt wäre, lässt sich dem Urteil des BFH leider nur ansatzweise entnehmen: Nicht erforderlich ist jedenfalls die Vorlage einer Entwicklung des Eigenkapitals und der Körperschaftsteuerbelastung der ausschüttenden Gesellschaft seit 1977 nach Art einer "Schatten-Eigenkapitalgliederung". Es bestehen insoweit keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, den Anrechnungsbetrag ausgehend vom letzten maßgeblichen Wirtschaftsjahr ("retrograd") zu belegen.  
 
Hierfür können alle verfügbaren Beweismittel zu Hilfe genommen werden. Die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung i.S. der §§ 44 ff. KStG a.F. ist hingegen nicht erforderlich. Eine förmlich dem § 45 KStG 1991 entsprechende "Körperschaftsteuerbescheinigung" ausländischer Banken muss aber auch nicht anerkannt werden. Wo im vergleichbaren Inlandsfall eine Bescheinigung der ausschüttenden Gesellschaft ausgereicht hätte, ist nach BFH-Auffassung die tatsächlich im Ausland angefallene Körperschaftsteuer vom Anteilseigner im vollen Umfang nachzuweisen. Dieser für den Steuerpflichtigen erhöhte Verwaltungsaufwand ist nach Ausführungen des BFH aus unionsrechtlicher Sicht zumutbar, wenngleich in praktischer Hinsicht ärgerlich. 
 
Es ist davon auszugehen, dass das Bundesfinanzministerium eine Anweisung erlassen wird, wie nun in den offenen Fällen zu entscheiden ist und welche Nachweise erforderlich sind, um anerkannt zu werden. Die Geduld des Steuerzahlers und sein Mehraufwand werden, sollte der Nachweis gelingen, zusätzlich durch einen langen Zinslauf mit Erstattungszinsen in Höhe von 6% p.a. belohnt werden. Zunächst gilt aber ganz praktisch: Erst berechnen, ob sich die Anrechnung lohnt, und dann bestmöglich die Nachweise zusammentragen. Für lange zurückliegende Jahre könnte dies die größte Herausforderung werden.
 
zuletzt aktualisiert am 10.06.2015

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Prof. Dr. Florian Haase, M.I.Tax

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater

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