Mitarbeiterbeteiligung - Eine Änderungskündigung ist bei Chefärzten möglich!

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veröffentlicht am 5. August 2015

 

BAG, 05.06.2015

 

Der Umgang mit Chefärzten ist anspruchsvoll, die Änderung ihrer Dienstverträge ist schwierig. Für einen Sonderfall, in dem ein Krankenhaus in den Landeskrankenhausplan aufgenommen wurde und daher die Mitarbeiterbeteiligung an Liquidationserlösen der Chefärzte neu zu regeln waren, hat das BAG nun eine Änderungskündigung für zulässig erachtet. In diesem Zusammenhang hat es den Chefarzt auch als leitenden Angestellten angesehen, sodass eine Beteiligung des Betriebsrats nicht notwendig war.

 

In dem vom BAG entschiedenen Fall ist die Beklagte Trägerin eines Herzzentrums in Baden-Württemberg. Der Kläger ist bei ihr und ihrer Rechtsvorgängerin seit 1994 als ärztlicher Direktor und leitender Chefarzt beschäftigt. Das Herzzentrum wurde nun 2009 in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen. In der Zeit davor hatte die Beklagte die Klinik als Vertragskrankenhaus i.S.v. § 108 Nr. 3 SGB V betrieben. Das Herzzentrum kündigte das Arbeitsverhältnis des Chefarztes ordentlich. Zugleich bot es ihm an, das Anstellungsverhältnis mit einer Änderung fortzusetzen. 
 
Mit der Änderungskündigung verfolgte das Herzzentrum das Ziel, den Chefarzt nach Maßgabe der §§ 34 ff. LKHG und der Verordnung über die Mitarbeiterbeteiligung nach dem Landeskrankenhausgesetz Baden-Württemberg (LKHG-MAVO) vertraglich zur Beteiligung der nachgeordneten ärztlichen Mitarbeiter an seinen Liquidationserlösen zu verpflichten - soweit denn diese Vorschriften auf das Krankenhaus Anwendung finden. Danach sind von den im stationären Bereich liquidationsberechtigten leitenden Ärzten bis zu 40% ihrer Nettoliquidationserlöse zum Zweck einer Beteiligung der nachgeordneten ärztlichen Mitarbeiter an den erzielten Einkünften abzuführen. Der Chefarzt hingegen war bislang verpflichtet, lediglich 10% der Bruttohonorareinnahmen aus dem ihm eingeräumten Liquidationsrecht in einen von ihm geführten Pool zugunsten seiner nachgeordneten ärztlichen Mitarbeiter einzuzahlen.
  
Das BAG entschied, die vom Herzzentrum angebotene Änderung der Arbeitsbedingungen sei sozial gerechtfertigt. Sie sei i.S.v. § 2 i.V.m. § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Bei Vertragsschluss im Jahre 1994 habe die Klinik nicht dem LKHG unterlegen. Sie wurde zu dieser Zeit als Krankenhaus mit Versorgungsvertrag gemäß § 108 Nr. 3 SGB V betrieben. Geschäftsgrundlage der bisherigen vertraglichen Regelungen der Parteien zum Liquidationsrecht des Chefarztes sei dementsprechend gewesen, dass das LKHG auf das von der Beklagten getragene Herzzentrum keine Anwendung fand. Hierauf habe der Geschäftswille der Vertragsparteien aufgebaut.
  
Diese Geschäftsgrundlage sei weggefallen, seitdem das Herzzentrum den Bestimmungen des LKHG unterfällt. Das Herzzentrum sei seit diesem Zeitpunkt verpflichtet sicherzustellen, dass die gesetzlich vorgesehene Mitarbeiterbeteiligung umgesetzt werde. Ihm drohe andernfalls die Inanspruchnahme auf Zahlung von Schadensersatz durch die nachgeordneten Ärzte.
  
Die den Krankenhausträgern in §§ 34 ff. LKHG auferlegte Verpflichtung, eine Mitarbeiterbeteiligung in der dort vorgesehenen Form sicherzustellen, begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Erwerbschancen aus dem Liquidationsrecht würden als solche schon dem Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG nicht unterfallen. Der Eigentumsschutz nach Art. 14 GG umfasse lediglich das Erworbene und seine freie Verfügbarkeit, nicht aber bloße Gewinnchancen. Das Ziel, eine Steigerung der Leistungsfähigkeit der öffentlich geförderten Krankenhäuser auch dadurch sicherzustellen, dass befähigtem ärztlichen Nachwuchs durch einen Einkommensausgleich in Bezug auf die Liquidationseinnahmen ein höherer Anreiz für die Tätigkeit im Krankenhaus geboten werde, habe überdies Vorrang gegenüber dem Interesse der liquidationsberechtigten Ärzte an ungeschmälerten Einnahmen.
 
Das BAG meint, es wäre allerdings auch eine Änderung der bisher allein den leitenden Ärzten eingeräumten Liquidationsrechte in Betracht gekommen. Das Herzzentrum hätte wahlärztliche Leistungen künftig zumindest teilweise selbst gesondert berechnen können. Es sei aber in seiner Entscheidung frei gewesen, wahlärztliche Leistungen weiterhin nicht selbst gesondert zu berechnen.
  
Das Herzzentrum war nach Auffassung des BAG auch nicht verpflichtet, dem Chefarzt zum Ausgleich für die höhere Beteiligung der Mitarbeiter einen finanziellen Ausgleich zu gewähren. Die gesetzliche Verteilungsregelung sei klar und sehe einen solchen Ausgleich nicht vor. Damit wäre zudem die Gefahr einer Kostensteigerung verbunden, die dem Ziel einer wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser zuwiderliefe. Arbeitsvertraglich habe das Herzzentrum von Beginn an eine Gewähr für die Höhe der Liquidationserlöse des Chefarztes ausdrücklich nicht übernommen. Die sich durch die Aufnahme in den Krankenhausplan ergebende öffentliche Förderung sei zudem zweckgebunden und diene nicht dem Ausgleich von Mindereinnahmen der liquidationsberechtigten Ärzte.
  
Das BAG kommt auch zu dem Ergebnis, dass der Betriebsrat nicht beteiligt werden musste. Der Chefarzt sei leitender Angestellter i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG und damit kein Arbeitnehmer i.S.d. § 5 Abs. 1 BetrVG. Aufgrund seiner Stellung als ärztlicher Direktor des Herzzentrums übe er maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung aus. Er gehöre neben dem kaufmännischen Direktor der obersten Leitungsebene unterhalb der Geschäftsführung an. Der Chefarzt sei nicht nur in der ihm als Chefarzt unterstellten Abteilung, sondern im gesamten Krankenhaus verantwortlich für einen geordneten Dienstbetrieb im ärztlichen Bereich und die allgemeine Hygiene. Er habe an den Sitzungen des Verwaltungsrats teilzunehmen und das Herzzentrum in ärztlichen Angelegenheiten zu beraten. Das Herzzentrum seinerseits war verpflichtet, Entscheidungen, die andere Bereiche betrafen, in seinem Benehmen zu treffen. Es hatte auch bei der Erstellung des Stellenplans das Benehmen mit dem Chefarzt herzustellen. Die unternehmerische Führung des Krankenhauses war danach ohne dessen maßgebliche Mitwirkung nicht möglich, selbst wenn der Chefarzt unternehmens- oder betriebsleitende Entscheidungen nicht allein treffen konnte. Auf das Maß seines Einflusses bei konkreten Personalmaßnahmen komme es daneben nicht an.
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