Wasserkonzession: Absage an ein „Pippi-Langstrumpf-Prinzip“ zum Rechtsschutz

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​​​​​​​veröffentlicht am 29. November 2024

„Widdewiddewitt und Drei macht Neune !! Ich mach' mir die Welt Widdewidde wie sie mir gefällt ....“: Eine Regelung zu Rügemöglichkeiten und Präklusionsfolgen in den Verfahrensunterlagen durch den Konzessionsgeber stellt nach Ansicht des OLG Celle1  einen ungerechtfertigten Eingriff in das Justizgewährleistungsgrundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG dar. ​


Der Entscheidung des OLG Celle lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Kommune wollte im Rahmen eines wettbewerblichen, transparenten sowie diskriminierungsfreien Verfahrens eine Wasserkonzession vergeben. Aus dem nachvollziehbaren Interesse an einem möglichst frühzeitigen Erhalt etwaiger Einwände im Verfahren, regelte sie angelehnt an § 160 GWB eine Präklusionsfolge, im Falle einer nicht rechtzeitig erhobenen Rüge. Diese Regelung stellte sie im Rahmen der Wettbewerbsunterlagen zur Verfügung. Neben Aspekten zur Wertung, wendete sich ein Bewerber auch gegen diese Regelung. Das OLG Celle führte in seiner Entscheidung unter anderem wie folgt aus:

Als marktbeherrschende Anbieter der Wegenutzungsrechte in ihrem Gebiet sind die Gemeinden somit gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB verpflichtet, den Konzessionär für den Betrieb eines Wasserversorgungsnetzes in einem diskriminierungsfreien Wettbewerb mit einem transparenten Verfahren auszuwählen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2018 - VI-2 U 7/16 (Kart), Rn. 90, juris). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob im Streitfall für die Konzessionsvergabe eine EU-Binnenmarktrelevanz anzunehmen ist; das Diskriminierungsverbot ergibt sich bereits aus § 19 GWB, ohne dass hierzu primärrechtliche Grundsätze des Unionsrechts (AEUV) herangezogen werden müssen.2

Anders als bei Konzessionsvergaben für örtliche Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetze, die durch §§ 46, 47 EnWG geregelt sind, bestehen im Bereich der Wasserversorgungsnetze keine spezialgesetzlichen Bestimmungen, sodass die Verfahrensgrundsätze allein aus dem Diskriminierungsverbot des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB herzuleiten sind.3

Gesetzliche Präklusionsvorschriften bestehen für den unterlegenen Bewerber nicht. Die entsprechende Anwendung des Rüge- und Präklusionsregimes aus § 47 EnWG, das durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung vom 27. Januar 2017 eingeführt wurde, oder der vergaberechtlichen Präklusionsbestimmungen aus Teil 4 des GWB kommt nicht in Betracht. Insoweit besteht schon keine planwidrige Regelungslücke; der Gesetzgeber hat den Teil 4 des GWB ausdrücklich von der Anwendung auf Konzessionen im Bereich der örtlichen Trinkwasserversorgung ausgenommen (§ 149 Nr. 9 GWB). Zudem bedarf die mit Präklusionsregelungen verbundene Einschränkung des Rechtsschutzes wegen der verfassungsrechtlichen Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG einer klaren gesetzlichen Regelung, was einer analogen Anwendung von Präklusionsvorschriften grundsätzlich entgegenstehen dürfte.4

Angesichts dieser Rechtslage konnte die Geltung der Präklusionsvorschriften auch nicht dadurch wirksam vereinbart werden, dass die Klägerin die Wettbewerbsunterlagen mit dem von der Beklagten vorgegebenen Anschreiben zum Angebot zu akzeptieren hatte.5 

Wenn insoweit von einer vertraglichen oder vertragsähnlichen Vereinbarung der Geltung der Wettbewerbsunterlagen der Beklagten ausgegangen wird, sind die Präklusionsvorschriften gemäß § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Dass es bei Nichteinhaltung der Rügefristen ausgeschlossen sein soll, Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB gerichtlich geltend zu machen, stellt einen erheblichen Eingriff in die Rechtsschutzgarantie dar. Wenn das marktbeherrschende Unternehmen dies - ohne eine gesetzliche Präklusionsvorschrift - durch seine Wettbewerbsbedingungen vorgibt, ist dies mit den wesentlichen Grundgedanken dieser Regelungen (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB, Art. 19 Abs. 4 GG) nicht vereinbar.6

Jedoch positionierte sich das OLG Celle insoweit kommunalfreundlich, als dass es zumindest einräumte, dass der Gedanke der Kommune, Rügen frühzeitig im Verfahren mitgeteilt zu bekommen, nachvollziehbar sei: 

Allerdings kann es im Einzelfall treuwidrig (§ 242 BGB) sein, wenn ein Bieter die ausdrücklich eingeräumte Rügemöglichkeit in Bezug auf die ihm bekannt gegebenen Wettbewerbsunterlagen nicht nutzt und in einem regelmäßig äußerst zeit- und kostenintensiven Konzessionsvergabeverfahren erst die Wertungsentscheidung wegen vermeintlicher Mängel der Wettbewerbsunterlagen angreift, die für den Bieter bereits seit langem erkennbar waren (vgl. zur möglichen Verwirkung des Einwands der Nichtigkeit des Konzessionsvertrages: BGH, Urteil vom 7. September 2021 - EnZR 29/20 - Gasnetz Rösrath, Rn. 25, juris). Entsprechendes mag für andere Fehler in Verfahrensschritten gelten, die der Wertungsentscheidung vorgelagert sind.7

Das OLG Naumburg hatte sich zuletzt mit der Begrenzung der Rechtsschutzmöglichkeiten auseinander gesetzt und noch etwas strenger entschieden, dass der Zugang zum Rechtsschutz nicht der Disposition der Parteien unterliege.​8  Es bleibt also noch abzuwarten, ob aus Erwägungen zum treuwidrigen Verhalten im Rahmen eines Wasserkonzessionsverfahrens eine grobe Marschrichtung über Zeitpunkte für Rügen und ggf. damit verbundene Präklusionsfolgen erwachsen kann. 




Quelle:

1OLG Celle, Urteil vom 27.8.2024, 13 U 5/23 (Kart).

2OLG Celle, Urteil vom 27.8.2024, 13 U 5/23 (Kart), Rn. 17 in juris.

3OLG Celle, Urteil vom 27.8.2024, 13 U 5/23 (Kart), Rn. 18 in juris.

4OLG Celle, Urteil vom 27.8.2024, 13 U 5/23 (Kart), Rn. 21 in juris.

5OLG Celle, Urteil vom 27.8.2024, 13 U 5/23 (Kart), Rn. 22 in juris.

6OLG Celle, Urteil vom 27.8.2024, 13 U 5/23 (Kart), Rn. 23 in juris.

7OLG Celle, Urteil vom 27.8.2024, 13 U 5/23 (Kart), Rn. 24 in juris.

​8OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3.6.2022, 7 U 6/22 Kart, Rn 25 in ju​ris.


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Freya Weber, geb. Schwering

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