BFH: Mandanten haben ggf. Anspruch auf Zinserlass bei Periodenverschiebung in der Umsatzsteuer

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veröffentlicht am 27. Juli 2023

 

Unternehmer, die ihre Umsatzsteuer und Vorsteuer nicht im richtigen Besteuerungszeitraum erklären, müssen mit Festsetzungszinsen gem. § 233a AO und u.U. weiteren Sanktionen rechnen. Nun hat der BFH in einer aktuellen Entscheidung jedoch klargestellt, dass solche Festsetzungszinsen nur dann gerechtfertigt sind, wenn der Unternehmer durch die verspätete Erklärung der Umsatzsteuer tatsächlich einen Liquiditätsvorteil erlangt hat. Soweit das Finanzamt darüberhinausgehende Zinsen festsetzt, sind diese zu erlassen. Betroffene Unternehmer sollten daher so früh wie möglich einen entsprechenden Billigkeitsantrag bei ihrem Finanzamt stellen.

 

Der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigte in einer seiner jüngsten Entscheidung vom 23.02.2023 (Az. V R 30/20) zwar, dass Unternehmer ihre Umsatzsteuer und Vorsteuer grundsätzlich im richtigen Besteuerungszeitraum erklären müssen, da ihnen ansonsten Festsetzungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) und unter Umständen weitere Sanktionen drohen. Allerdings stellte er zugleich fest, dass Festsetzungszinsen gemäß § 233a AO nur dann gerechtfertigt sind, wenn der Unternehmer durch die verspätete Erklärung der Umsatzsteuer tatsächlich einen wirtschaftlichen Vorteil in Form erhöhter Liquidität erlangt hat.

 

Hintergrund der Entscheidung waren seitens des zuständigen Finanzamts festgesetzte Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO wegen nach einer Außenprüfung geänderten Umsatzsteuer-Jahresbescheiden.

 

Die Klägerin gab in den Streitjahren 2009 bis 2013 monatliche Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die von ihr nach vereinbarten Entgelten zu versteuernden Dienstleistungen ab. Bei einer Außenprüfung für die Jahre 2009 bis 2011 wurde u.a. festgestellt, dass die Klägerin, die in den Streitjahren keine Dauerfristverlängerung in Anspruch genommen hatte, ihre erklärten Umsätze stets dem Monat der Rechnungsstellung zugeordnet hatte, obwohl sie 90 % ihrer Leistungen bereits im Vormonat erbracht hatte. Der Grund hierfür war, dass die Klägerin meist erst nach Ablauf der Abgabefrist für den jeweiligen Voranmeldungszeitraum die für die Rechnungsstellung nötigen Informationen von ihren Subunternehmern erhielt. Damit hatte sie jedoch in 90 % der Fälle ihre Umsätze jeweils um einen Monat zu spät erklärt und versteuert, weswegen das Finanzamt entsprechende Nachzahlungszinsen festsetze.

 

Die Klägerin war jedoch der Auffassung, dass diese zu erlassen sind, da nach Ablauf der 15-monatigen Karenzfrist des § 223a Abs. 2 S.1 AO kein Liquiditätsvorteil mehr bestanden hat. Jedenfalls seien die Zinsen insoweit zu erlassen, als sie über 0,5 % pro Zinsbescheid (Zinsen für einen Kalendermonat) hinausgehen, da die sie durch die um jeweils einen Monat verspätete Erklärung auch nur einen Liquiditätsvorteil von jeweils maximal einem Monat hatte.

 

Der BFH gab ihr im Ergebnis recht. Denn er entschied, dass Festsetzungszinsen nur für solche Zeiträume gerechtfertigt sind, in denen der Klägerin tatsächlich ein Liquiditätsvorteil entstand. Wenn die vom Finanzamt erhobenen Festsetzungszinsen über diesen Liquiditätsvorteil hinausgehen, sind sie ungerechtfertigt und müssen erlassen werden. Die Entscheidung ermöglicht dem Finanzamt darüber hinaus eine Ermessensausübung dahingehend, auch einen weitergehenden Zinserlass zu gewähren, insbesondere wenn nach Ablauf einer bestimmten Karenzfrist gar kein Liquiditätsvorteil mehr vorhanden ist.

 

Die Entscheidung BFH stellt damit nun endlich klar, dass ein Zinserlass nicht nur bei einer einmaligen Periodenverschiebung möglich ist, sondern auch bei stetigen Periodenverschiebungen über mehrere Monate oder gar Jahre hinweg (Anschluss an BFH-Urteil vom 11.07.1996 - V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259). Unklar bleibt jedoch, wie der BFH in Fällen entscheiden wird, in denen neben Festsetzungszinsen auch Erstattungszinsen für einen Besteuerungszeitraum anfallen.

 

Betroffene Unternehmer sollten in jedem Fall so früh wie möglich, am besten noch vor Erlass des Zinsbescheids, einen entsprechenden Billigkeitsantrag gemäß §§ 163, 227 AO bei ihrem zuständigen Finanzamt stellen.

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