Graue-Flecken-Förderung – Fördermittelinstrument für den flächendeckenden Glasfaserausbau

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​veröffentlicht am 2. Dezember 2020


Header Glasfaserkabel


Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und die EU-Kommission haben sich darauf geeinigt, dass zukünftig eine angehobene Aufgreifschwelle von 100 Mbit/s (statt bisher 30 Mbit/s) bei der Breitbandförderung gelten soll. Damit kann der Bund auch die sog. grauen Flecken im Rahmen der Breitbandförderung berücksichtigen.


Um eine flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet in Deutschland voranzutreiben, wurde bereits 2015 das „Bundesförderprogramm für den Breitbandausbau” ins Leben gerufen. Ziel war es, bis zum Jahr 2018 eine flächendeckende Versorgung mit Internetanschlüssen, die Internetgeschwindigkeiten von mindestens 50 Mbits/s vorweisen, zu erreichen. Obschon dieses Ziel bis heute noch nicht ganz erreicht ist, rief die Bundesregierung 2018 bereits ein neues Ziel aus: flächendeckender Ausbau mit Gigabit-Netzen bis 2025; Internetgeschwindigkeiten von 1 Gbit/s waren nun die neue Zielmarke. Gleichzeitig erfolgte 2018 ein „Relaunch” des Förderprogramms: Die Fördersummen wurden erhöht und das Verfahren wurde vereinfacht.


Keine Veränderung erfolgte hingegen in Bezug auf die förderfähigen Gebiete. Wie zu Beginn des Breitbandförderungsprogramms beschränkte sich die Förderung allein auf sog. „weiße Flecken”. Dies sind Gebiete, die keine Versorgung mit Internetgeschwindigkeiten von 30 Mbit/s aufweisen. Förderfähig sind in Zukunft solche Gebiete, in denen zwar Internetgeschwindigkeiten von über 30 Mbit/s, aber noch unter 1 Gbit/s bestehen, sie waren bislang nicht förderungsfähig.


Ende 2022 soll die Aufgreifschwelle dann (automatisch) gänzlich entfallen. Bereits ab Herbst 2020 sollen die neuen Regelungen im Zuge der Neufassung der NGA-Rahmenregelung gelten.

Die geplanten Anpassungen der Breitbandförderung werden zur Folge haben, dass sich die Anzahl der förderungsfähigen Gebiete vervielfachen wird. Demnach sind alle Adressen förderfähig, die bislang mit Bandbreiten von weniger als 100 Mbit/s im Download versorgt werden und bei denen in den nächsten 3 Jahren keine konkreten Absichten zum privatwirtschaftlichen Ausbau bestehen. Dem Entwurf zur Rahmenregel zum Aufbau von Gigabitnetzen in grauen Flecken vom 22.5.2019 ist zu entnehmen, dass diesbezüglich weiterhin ein Markterkundungsverfahren erforderlich ist. Ab Ende 2022 dürfen dann sämtliche Adressen gefördert werden, die bislang nicht mit reiner Glasfaser oder HFC versorgt werden und bei denen in den nächsten 3 Jahren kein privatwirtschaftlicher Ausbau geplant ist. Etwaige von der Privatwirtschaft angekündigte Ausbauvorhaben werden voraussichtlich außerdem einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen sein, um „Blockademeldungen“ zu unterbinden.


Viele Städte und Gemeinden, die – mangels weißer Flecken – zwischenzeitlich nicht mehr von der Breitbandförderung profitieren konnten, dürften zukünftig als potenzielle Förderempfänger in Betracht kommen. Denn während zwar laut Bericht des BMVI zur Breitbandverfügbarkeit in Deutschland (Stand Ende 2019) mittlerweile bereits 93,6 Prozent der Haushalte in ganz Deutschland mit Internetgeschwindigkeiten von über 30 Mbit/s ausgestattet sind, beträgt der Anteil der Gigabit-Haushalte gerade einmal 43,2 Prozent.


Aus diesen Zahlen wird ersichtlich, dass viele Städte und Kommunen im bedeutsamen Ausmaß von Bundes- und Landesfördermitteln profitieren können. Städtische Regionen, bei denen nur wenige unterversorgte weiße Flecken identifiziert werden konnten, erlangen nun erstmalig für weitreichende Gebiete den Status „förderfähig”.


Grafik Definition Graue Flecken

Abbildung 1 – Definition weißer, grauer und schwarzer Flecken


Aber auch in ländlichen Regionen bietet die Graue-Flecken-Förderung zusätzliche Potenziale zum flächendeckenden Breitbandausbau. In diesen Kommunen und Landkreisen ist oftmals ein sog.  Flickenteppich zu beobachten, wobei der Kernbereich mit VDSL oder Vectoring erschlossen wurde und die Außengebiete aufgrund der weißen Flecken gefördert mit Glasfaser ausgebaut wurden. Durch den Ausbau mit VDSL oder Vectoring lagen im Innenstadtbereich somit Downloadgeschwindigkeiten zwischen 50 und 100 Mbit/s vor, die eine Förderung in der Vergangenheit ausgeschlossen haben. Durch die Neufassung der Rahmenregelung ist hier somit zukünftig die Tür zum geförderten, flächendeckenden Glasfaserausbau geöffnet.

 

In Abbildung 1 werden die Unterschiede zwischen den einzelnen Flecken im Förderregime noch einmal visualisiert. Dem Entwurf der Neufassung der Rahmenregelung ist zu entnehmen, dass die bisherigen Förderbedingungen zu den weißen Flecken auch weitestgehend für die Förderung der grauen Flecken gelten sollen.

 

Demnach ist weiterhin ein Markterkundungsverfahren erforderlich, bei dem das potenzielle Fördergebiet abgegrenzt wird. Im Rahmen des Markterkundungsverfahrens können Telekommunikationsunternehmen ihre bereits versorgten Adressen mit den jeweiligen Bandbreiten melden sowie eine verbindliche Ausbauplanung zukünftig zu erschließender Adressen einreichen. Diese Adressen werden dann vom geförderten Breitbandausbau ausgeschlossen und dem eigenwirtschaftlichen Ausbau vorbehalten.


Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die Umsetzung im Rahmen des Wirtschaftlichkeitslückenmodells oder im Betreibermodell beibehalten wird. Bei der Umsetzung im Wirtschaftlichkeitslückenmodell beauftragt der Zuwendungsempfänger (Kommune, Landkreis) ein Telekommunikationsunternehmen mit dem Bau und Betrieb eines eigenen Netzes, wofür eine Zuwendung in Höhe der Deckungslücke gewährt wird. Beim Betreibermodell errichtet die Gebietskörperschaft ein passives Glasfasernetz und verpachtet dieses anschließend an ein Telekommunikationsunternehmen.


Die Vergabe der Planung, des Baus und des Betriebs der geförderten Glasfaserinfrastruktur wird zukünftig voraussichtlich weiterhin als EU-weite Ausschreibung bei Überschreiten der einschlägigen Wertgrenzen erfolgen müssen.


In Bezug auf die Förderquote ist ebenfalls nicht von einer Umstellung auszugehen. So liegt die Förderquote des Bundes bei 50 Prozent der kalkulierten Deckungslücke. Die Länder werden sich ggf. erneut im Rahmen einer Kofinanzierung mit bis zu 40 Prozent, an der Deckungslücke beteiligen.

 

Der Höchstbetrag liegt derzeit für die Bundesmittel bei 30 Millionen Euro je Förderbescheid. Durch die gezielte Beantragung einzelner Förderbescheide für unterschiedliche Ausbaucluster kann die absolute Förderhöchstgrenze insbesondere bei landkreisweiten Projekten umgangen werden.


Eine wesentliche Änderung zur Förderung der weißen Flecken ist neben der Anhebung der Aufgreifschwelle jedoch die sog. Investitionsschutzklausel. Es handelt sich hierbei um einen Investitionsschutz für Gebiete, in denen in den letzten 3 Jahren ein NGA-Netz eigenwirtschaftlich oder gefördert in Betrieb genommen wurde. Der Investitionsschutz gilt nicht für solche NGA-Netze, die lediglich zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit ausgebaut wurden (bspw. Nachrüstung von VDSL-Gebieten mit Vectoring). Der Investitionsschutz gilt 3 Jahre ab der Inbetriebnahme, höchstens jedoch bis zum 31.12.2022. Spätestens 2023 dürften letztendlich alle noch nicht mit Gigabit-Anschlüssen versorgten Adressen förderfähig sein.


Gebietskörperschaften stehen nun vor der Herausforderung, wie mit den neuen Rahmenbedingungen umzugehen ist. Vor diesem Hintergrund gilt es eine individuelle Breitbandstrategie zu entwickeln. Im Rahmen dessen sollte evaluiert werden, ob der Förderantrag vor Ende 2022 gestellt wird oder ob der entsprechende Förderantrag in Bezug auf die Aufgreifschwelle erst ab 2023 eingereicht wird. Des Weiteren ist die Frage bzgl. des zu beantragenden Umsetzungsmodells zu klären. Soll im Rahmen des Förderantrags das Wirtschaftlichkeitslücken- oder das Betreibermodell beantragt werden?

 

Ebenfalls sollte eine Strategie hinsichtlich der Anzahl an Förderantragen erstellt werden. Hierbei ist zu klären, ob es sinnvoll ist, die Förderanträge zu splitten. Dies geschieht vor dem Hintergrund der Anhebung der Aufgreifschwelle ab dem Jahr 2023. Ebenfalls könnte auch eine Markterkundung für das gesamte Gebiet erfolgen. Abschließend ist vor dem Hintergrund eines etwaigen Eigenanteils an der Deckungslücke herauszuarbeiten, ob ein flächendeckend geförderter Ausbau erfolgen soll oder einzelne graue Flecken gezielt ausgebaut werden sollen (Cherry-Picking).



Grafik Gesamtstrategie


Abbildung 2 - Entwicklung Gesamtstrategie

 

Auch Versorgungsunternehmen sollten sich frühzeitig mit der Thematik befassen. So können Stadtwerke, die bislang nur in geringem Bezug zur Telekommunikation stehen, die Chance nutzen und den Einstieg in ein neues Geschäftsfeld wagen. Durch die erfolgreiche Teilnahme an einer Ausschreibung im Wirtschaftlichkeitslückenmodell bietet sich die Chance, in den Besitz einer umfangreichen und zukunftsträchtigen Infrastruktur zu kommen. Da das Auswahlkriterium mit der höchsten Gewichtung jedoch meist die Höhe der Deckungslücke ist, kann es für Versorgungsunternehmen ohne nennenswerte Erfahrungen im TK-Bereich eine große Herausforderung darstellen, ein attraktives, wirtschaftliches Angebot gegenüber den etablierten TK-Unternehmen einzureichen. In diesen Fällen bietet sich die Umsetzung im Rahmen des Betreibermodells an, bei der das kommunale Unternehmen unter Zuhilfenahme von Kooperationspartnern im Rahmen eines Pachtmodells den Netzbetrieb und den Endkundenvertrieb durchführt.


Bei bestehenden kommunalen Telekommunikationsunternehmen könnte eine Niederlage bzw. eine Nicht-Teilnahme an Ausschreibungen im Rahmen der Förderung der grauen Flecken zu einem Verlust der Infrastrukturherrschaft in ihrem Hoheitsgebiet führen. Dies führt im Umkehrschluss zu mehr Wettbewerb im eigenen Gebiet, der immense Auswirkungen auf das Bestandsgeschäft haben kann. Vor diesem Hintergrund sollten Telekommunikationsunternehmen wettbewerbsfähige Angebote im Rahmen der bevorstehenden Ausschreibungen erarbeiten und sich diesbezüglich möglichst frühzeitig und vorausschauend aufstellen.


Die Förderung der grauen Flecken, an deren Ende der Ausbau zukunftsfähiger Glasfasernetze einen erheblichen Schritt vorangegangen sein dürfte, stellt den bisher größten Schritt bei der Neugestaltung der Telekommunikationsinfrastruktur in Deutschland dar. Dabei gilt es, die Zeit bis zum Inkrafttreten der neuen Förderrichtlinie optimal zu nutzen, um nicht später von den Entwicklungen des Marktes getrieben zu werden.


Gerne stehen wir all unseren Mandanten mit Rat und Unterstützung bei den kommenden Umbrüchen zur Seite.


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Benedikt Rohlmann

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