Die Novelle der AVBFernwärmeV – Wie geht es weiter?

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​veröffentlicht am 2. Dezember 2024​​




Die Novelle der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVB-FernwärmeV) bringt bedeutende Änderungen für Wärmeversorgungsunternehmen mit sich. Diese Anpassungen zielen darauf ab, die Transparenz und Effizienz in der Fernwärmeversorgung zu erhöhen und die rechtlichen Rahmenbedingungen an aktuelle Marktanforderungen anzupassen. Im Folgenden werden die wichtigsten Neuerungen und deren Auswirkungen auf die Branche zusammengefasst.



Hintergrund und Zeitplan​

​Eine Novelle der AVBFernwärmeV sollte bereits im Jahr 2022 erfolgen, wurde dann allerdings nicht mehr weiter verfolgt. Nun wurde am 25.7.2024 ein in weiten Teilen überarbeiteter Entwurf durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) veröffentlicht. Die Verbändeanhörung erfolgte mit Frist bis zum 20.8.2024. Der Beschluss durch das Bundeskabinett war ursprünglich für August 2024 geplant, damit die Verordnung zum 1.1.2025 in Kraft treten kann. Aufgrund der erheblichen Kritik am Novellierungsentwurf wurde der Beschluss aber zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben.​


Aktuell drängen sowohl die Energiebranche als auch Verbraucherschutzvertreter auf einen zeitigen Beschluss der novellierten Verordnung. Als neuer Termin für die Kabinettssitzung ist nun wohl der 4.12.2024 benannt.


Wesentliche Änderungen​

ABRECHNUNGS- UND INFORMATIONSPFLICHTEN
Eine der zentralen angekündigten Neuerungen ist die umfassende Erweiterung der Informationspflichten für Versorgungsunternehmen und die Integration der bisherigen Regelungen der Fernwärme- oder Fernkälte-Verbrauchserfassungs- und -Abrechnungsverordnung (FFVAV) in die AVBFernwärmeV. Versorger müssen künftig detaillierte Angaben zu Preisen, Preisgleitformeln, Netzverlusten, Energieeffizienzmaßnahmen und Treibhausgasemissionen machen. Zudem sind interaktive Berechnungstools bereitzustellen, die den Kunden eine transparente Kostenübersicht ermöglichen.

Erfreulich ist diesbezüglich, dass der Verordnungsgeber erstmals zwischen großen und kleinen Netzen unterscheidet und anerkennt, dass Betreiber von Kleinstnetzen und Gebäudenetzen zur Umsetzung von Transparenz- und Informationspflichten nicht die gleichen finanziellen und personellen Möglichkeiten haben wie große Fernwärmenetzbetreiber.

Die Novelle sieht vor, dass Neuverträge eine maximale Laufzeit von zehn Jahren haben dürfen, während die maximale Laufzeit für Bestandsverträge künftig auf fünf Jahre begrenzt sein soll. Automatische Verlängerungen sind nur noch nach vorheriger Ankündigung und bei Verbrauchern für maximal zwei Jahre möglich.

Das stark kritisierte Recht des Kunden auf einseitige Anpassung der Anschlussleistung ohne Angabe von Gründen um bis zu 50 Prozent pro Kalenderjahr soll nach dem Novellierungsentwurf stark eingeschränkt werden. Während Fernwärmeversorgungsunternehmen diese lang ersehnte Änderung begrüßen, kritisieren Verbraucherschutzverbände die Einschränkung der Rechte der Kunden. Vorgesehen ist im derzeit vorliegenden Entwurf, dass das Recht auf Anpassung der Anschlussleistung bei Versorgung einzelner Gebäude (Contracting) und der Versorgung über ein Gebäudenetz oder ein Kleinstnetz mit weniger als 100 Anschlussnehmern bzw. 2 MWh/m Wärmeabnahme ausgeschlossen sein soll. Bei kleinen Wärmenetzen mit einer thermischen Gesamtnennleistung von weniger als 20 MW soll Wärmeversorgern während der Erstvertragslaufzeit nach Anschlussherstellung die Forderung einer Ausgleichszahlung bzw. Berücksichtigung der nicht abgeschriebenen Vermögenswerte bei der Festlegung des gesenkten Grundpreises ermöglicht werden. Darüber hinaus könnte das Recht zur Anpassung der Anschlussleistung nach § 3 AVBFernwärmeV für Bestandsverträge innerhalb der ersten zwei Jahre nach Inkrafttreten der Novelle gänzlich ausgeschlossen werden. Fraglich bleibt, ob an dieser Regelung aufgrund der erheblichen Kritik der Verbraucherschutzverbände und der umfangreichen Berichterstattung in den Medien noch Änderungen vorgenommen werden. Die Diskussion um die Reduzierung der Anschlussleistung hat gerade in den letzten Wochen für viel Verwirrung gesorgt. Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) soll die vorgeschlagene Rechtsänderung sowohl den Fernwärmeversorgungsunternehmen eine bessere Planungs- und Investitionssicherheit bieten als auch den Kunden die Möglichkeit zur Anpassung der Wärmeleistung geben, wenn sich die Umstände ändern. Künftig müssen Kunden nachweisen, dass sie dauerhaft weniger Leistung benötigen, um eine Anpassung zu erwirken. Dies war auch vor der letzten Anpassung der AVBFernwärmeV in ähnlicher Form bereits vorgesehen und kann mit der Zielsetzung der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung vereinbart werden.

PREISREGELUNGEN
Die Gestaltung von Preisänderungsklauseln wird durch die Novelle präzisiert. Es werden zwei Methoden zur Festlegung von Preisgleitformeln eingeführt, die bereits in der Branche bekannt und üblich waren: Die indexbasierte Methode und die echtkostenbasierte Methode. Diese sollen
sicherstellen, dass Preisänderungen transparent und nachvollziehbar sind. Zudem wird im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung die Weitergabe von Emissionskosten ausdrücklich geregelt, um eine doppelte Belastung der Kunden zu vermeiden.​

Für den Fall der Echtkostenweitergabe ist in der Anlage zur Verordnung eine Muster-Preisgleitformel vorgesehen, bei deren Nutzung durch den Versorger eine Richtigkeitsvermutung gelten soll. Fraglich bleibt dabei allerdings bisher, ob auch die Vorschläge zur Gewichtung für ein
Eingreifen der Richtigkeitsvermutung maßgeblich sein sollen und weshalb die Formel ausdrücklich kein Fixelement zur Abbildung nicht variabler Kostenbestandteile im Arbeitspreis vorsieht.

Darüber hinaus ist vorgesehen, dass die Novelle einen konkreten Vorschlag zum Marktelement in Form des Wärmepreisindex des Statistischen Bundesamtes geben soll. Derzeit wird davon ausgegangen, dass es sich hierbei nicht um eine fixe Vorgabe für die Abbildung des Marktelements handeln soll, aber eine Richtigkeitsvermutung von der Verwendung des Wärmepreisindex ausgeht.

Neu aufgenommen werden soll zudem das ausdrückliche Recht des Versorgers zur Anpassung von Preisgleitformeln nach § 24a AVBFernwärmeV. Unklar ist allerdings das Verhältnis zwischen dieser neuen Regelung und dem bisherigen von der Rechtsprechung seit dem Grundsatzurteil des BGHs vom 26.1.2022 (BGH VIII ZR 175/19) allgemeinen gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht nach § 4 Abs. 2, Abs. 1 AVBFernwärmeV zur Anpassung unwirksamer Preisgleitformeln. Im Raum steht damit, dass das bisher zeitlich uneingeschränkt nutzbare einseitige gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht für unwirksame Preisgleitformeln künftig nur noch innerhalb eines Jahres nach Umstellung der Erzeugung gelten könnte.

Auswirkungen auf kleine Versorgungsunternehmen und Contracting​​

KLEINE WÄRMENETZE
Für kleine Versorgungsunternehmen, die Netze mit einer thermischen Gesamtnennleistung von weniger als 20 MW betreiben, bringt die Novelle spezifische Herausforderungen mit sich. Diese Unternehmen müssen nun ebenfalls die erweiterten Informationspflichten erfüllen, was einen erheblichen administrativen Aufwand bedeutet. Zudem sind sie von den neuen Regelungen zur Vertragslaufzeit und den Kündigungsrechten betroffen, was ihre Flexibilität bei der Vertragsgestaltung einschränkt.



Erfreulich ist allerdings die Einschränkung des Rechts zur Anpassung der Anschlussleistung nach § 3 AVBFernwärmeV im Rahmen der Erstlaufzeit und die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Ausgleichszahlungen. Derzeit ist dies aber die einzige Erleichterung für Wärmenetzbetreiber
von kleineren Versorgungsnetzen, die nicht unter den Begriff „Kleinstnetze” fallen.

CONTRACTING
Für Contractinganlagen bringt die Novelle ebenfalls wichtige Änderungen. Die AVBFernwärmeV findet nun gem. § 1 Abs. 1 Satz 3 AVBFernwärmeV-RefE auch ausdrücklich auf Contractingverhältnisse Anwendung. Dies bedeutet, dass Contractinganbieter nun auch ausdrücklich die gleichen Informations- und Veröffentlichungspflichten wie traditionelle Versorgungsunternehmen erfüllen müssen, sofern es sich um ein Contractingmodell handelt, bei dem die tatsächliche Wärmelieferung vertragsgegenständlich ist. Eine sorgfältige Abgrenzung der verschiedenen Contractingoptionen bleibt damit auch weiterhin sehr relevant.

Erfreulich ist an dieser Stelle, dass der Verordnungsgeber in der Novelle die besondere Situation bei der Versorgung von Einzelgebäuden und beim Betrieb von Kleinstnetzen berücksichtigt und diese vom Anwendungsbereich einzelner Informations- und insbesondere Veröffentlichungspflichten ausnimmt. Diese Änderung führt auf der anderen Seite aber auch dazu, dass die Regelungen noch komplexer werden, als dies bisher der Fall war.

Zudem wird das Recht des Kunden auf Leistungsanpassung und Kündigung bei Contractinganlagen nach dem aktuellen Stand des Novellierungsentwurfs erheblich eingeschränkt. Kunden können die Anschlussleistung demnach nur noch unter bestimmten Bedingungen reduzieren, etwa wenn sie nachweisen können, dass sie durch Effizienzmaßnahmen dauerhaft weniger Leistung benötigen. Nicht mehr möglich sein soll die Anpassung der Anschlussleistung, wenn der Kunde sich anteilig oder vollständig selbst mit erneuerbarer Wärme versorgen möchte. Diese Regelung soll den Contractinganbietern und Betreibern von Kleinstnetzen eine bessere Planungs- und Investitionssicherheit bieten und damit die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung vorantreiben.

Auswirkungen auf die Praxis​

Die neuen Regelungen erfordern von den Wärmeversorgungsunternehmen eine Anpassung ihrer Vertrags- und Abrechnungssysteme. Insbesondere die erweiterten Informationspflichten und die neuen Vorgaben zur Preisgestaltung stellen hohe Anforderungen an die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Kostenstrukturen. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie die neuen gesetzlichen Vorgaben fristgerecht umsetzen, um rechtliche Risiken zu vermeiden. Erfreulicherweise sieht der aktuelle Entwurf zur Novelle umfangreiche Übergangsfristen vor, die der nachfolgenden Grafik entnommen werden können.



​Bestandsverträge
​Neuverträge nach Inkrafttreten 
bzw. Ablauf der Übergangsfrist
​Für Verträge gelten grundsätzlich die gesetzlichen Regelungen, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses galten, soweit gesetzlich nichts Abweichendes geregelt ist. § 36 Abs. 1 AVBFernwärmeV-RefE sieht allerdings vor, dass die Verordnung ausdrücklich im Grundsatz für Bestandsverträge gelten soll, soweit keine Sonderregelungen getroffen wurden.​
​Ein Jahr nach Inkrafttreten der Verordnung: 
Informationspflichten nach § 1a AVBFernwärmeV-RefE
​Die Regelungen gelten bis auf eine Ausnahme für Verträge, die ab dem Inkrafttreten (vsl. 1.1.2025) abgeschlossen werden, unmittelbar.
18 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung:
– § 18 Abs. 2 S. 4 AVBFernwärmeV-RefE
– § 24 Abs. 1 AVBFernwärmeV-RefE
–​ § 25 Abs. 1 AVBFernwärmeV-RefE
​Bis zu einem Jahr nach Inkrafttreten können in Abweichung von § 32 Abs. 1 S. 1 und S. 3 AVBFernwärmeV-RefE noch Verträge mit abweichenden Laufzeitvereinbarungen abgeschlossen werden.
Verträge, die bis zu 5 Jahre vor der Verordnung geschlossen wurden: Anpassungsrecht nach § 3 Abs. 2 AVBFernwärmeV gilt erstmals zwei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung (vsl. zum 1.1.2027).


Fazit

Insgesamt trägt die Novelle dazu bei, die Fernwärmeversorgung zukunftsfähiger und nachhaltiger zu gestalten und damit eine Umsetzung der ambitionierten Ziele des GEGs zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung überhaupt erst zu ermöglichen.

Durch die erhöhte Transparenz und die klareren Vorgaben zur Preisgestaltung wird die Position der Verbraucher weiter gestärkt. Gleichzeitig müssen die Unternehmen zeitnah nach dem Beschluss der Novelle ihre internen Prozesse und Systeme sowie ihre Must erverträge anpassen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden und Verweise auf die Verordnung zu korrigieren, soweit diese nicht mehr aktuell sind. Fraglich bleibt allerdings, ob die Novelle aufgrund des erheblichen medialen Gegenwinds tatsächlich in ihrer im Juli veröffentlichten Form verabschiedet werden wird. Wir halten Sie hierzu gern über unsere Newsletter und Veröffentlichungen auf dem aktuellsten Stand.​



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