Bundesnetzagentur: Telekom darf störende Konkurrenten bei der Nutzung der „letzten Meile” einschränken

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​Mit Beschluss vom 10. Januar 2019 (BK3e-15-011) hat die BNetzA entschieden, dass die Telekom andere Anbieter bei der Nutzung der kupferbasierten Gebäudeverkabelung auf der „letzten Meile” beschränken darf, wenn diese nicht das von ihnen genutzte Frequenzspektrum in einer Weise drosseln, dass sich keine negativen Störungen auf die von der Telekom genutzten Vectoring-Technologie ergeben.

 

Technischer Hintergrund

Glasfaserausbau in Deutschland endet bislang in aller Regel an der Hauswand. Man spricht von FTTB – „Fibre to the building”. Die Glasfasern werden dabei bis zu einem Übergangspunkt eines Hauses – der sich meist im Keller befindet – verlegt. Für die kurze verbleibende Strecke bis zum Endkunden wird dann auf das bereits bestehende Kupferkabelnetz des Gebäudes zurückgegriffen (man spricht hier von der sog. „letzten Meile” bzw. der Teilnehmeranschlussleitung). Der Vorteil dieses Vorgehens: Die Netzbetreiber sparen sich die Kosten für eine aufwendige Glasfaserverlegung bis in jede einzelne Wohnung des Hauses. Der Nachteil dieses Verfahrens liegt auf der Hand: Durch die Nutzung der „alten” Kupferkabel kommt es zu einer Reduktion der Datenübertragungsrate. Um gleichwohl auch unter Nutzung der kupferbasierten „letzten Meile” hohe Bandbreiten zu gewährleisten, kommen verschiedene Techniken zur Anwendung, um die Datenübertragungsrate zu steigern (oder vielmehr den Verlust an Übertragungsrate zu verringern). Die wohl bekannteste Variante ist das vor allem durch die Telekom bekannte Vectoring-Verfahren, bei dem störende Signale innerhalb eines Kupferkabelbündels mithilfe eines Gegenstörsignals ausgeschlossen bzw. reduziert werden. Daneben wird in Deutschland seit 2017 auch das sog. G.fast eingesetzt, das technisch auf dem gleichen Prinzip wie das Vectoring basiert, dabei aber höhere Datenübertragungsraten (von bis zu einem Gigabit pro Sekunde) verspricht. Zum Vergleich: Die neuste „Super Vectoring”-Technik erreicht lediglich Spitzenbandbreiten von bis zu 250 Megabit pro Sekunden.

 

Beide Techniken sind zur Datenübertragung auf die Nutzung bestimmter Frequenzbereiche angewiesen. Während das Vectoring einen Frequenzbereich bis 17,7 MHz nutzt (beim „Super Vectoring” reicht der Frequenzbereich bis 35,3 MHz), erstreckt sich das Frequenzspektrum beim G.fast über den Bereich von 2,2 bis 106 MHz. Das bedeutet, dass ein gewisser Frequenzbereich von beiden Techniken gleichermaßen genutzt wird. Treffen nun Vectoring und G.fast auf der „letzten Meile” aufeinander entstehen genau hierdurch Probleme. Denn ein störungsfreier Parallelbetrieb der unterschiedlichen Techniken ist nur dann möglich, wenn auch eine überschneidungsfreie Frequenznutzung gewährleistet ist. Andernfalls kommt es auf beiden Seiten zu Übertragungsproblemen bedingt durch den Einsatz der jeweils anderen Technik. Und genau an diesem Konflikt setzt nun die Entscheidung der BNetzA an.

 

Die Entscheidung der Bundesnetzagentur

Gegenstand der Entscheidung der BNetzA war die Überprüfung des Mustervertrages der Telekom für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung. Im Zuge dessen, musste sich die BNetzA auch mit der beschriebenen Konfliktlage auseinandersetzen, die sie im Ergebnis zugunsten der Vectoring-Technik (mithin zugunsten der Telekom) auflöst. So heißt es in der Entscheidung wörtlich:

 

„Für die Verpflichtung zur Zugangsgewährung [...], kommt es nicht darauf an, ob die Betroffene [die Telekom, Anm. d. Verf.] Eigentümerin der Endleitung ist. Zum Zugang verpflichtet ist nach § 21 TKG nicht der Eigentümer, sondern der (marktmächtige) Betreiber des Telekommunikationsnetzes, also derjenige, der die Funktionsherrschaft über das Netz besitzt. Dies ist im Falle von Endleitungen als Teil der Teilnehmeranschlussleitung die Betroffene. [...]

 

Grundsätzlich ist die Betroffene im Zusammenhang mit der Zugangsgewährung auch befugt, Regelungen zur Art und Weise der Nutzung des Zugangsobjektes zu treffen. [...] Deren Ziel ist es, den störungsfreien Betrieb bei verschiedenen Nutzern unter Einsatz unterschiedlicher Übertragungsverfahren sicherzustellen. [...]

 

Die Ausgestaltung der Regelungen zu Nutzungskonflikten hat dabei dem Grundsatz der Diskriminierungsfreiheit, der u. a. auch eine gegenseitige Rücksichtnahme bei der gemeinsamen Nutzung von Infrastruktur erfordert, zu folgen. [...]

 

Die von der Betroffenen vorgeschlagene Regelung, welche die Aussparung von Frequenzen vorsieht, sofern die Betroffenen am KVz bereits VDSL, Vectoring oder Supervectoring einsetzt, ist insofern grundsätzlich sachgerecht und führt zu einem angemessenen Ausgleich, bei dem beiden kollidierenden Netzbetreibern immer noch hinreichend ‚Bandbreite’ für die Produktion hochwertiger Breitbandanschlüsse verbleibt.”

 

Mit anderen Worten: Die Telekom darf im Rahmen von Nutzungsvereinbarungen betreffend den Zugang zur „letzten Meile” – über den die sie die Funktionsherrschaft besitzt – Frequenzbeschränkungen für Techniken anderer Netzbetreiber vorsehen, soweit diese ihrerseits Störungen bei bereits von der Telekom eingesetzten Techniken zeitigen.

 

Andere Netzbetreiber, die auf der „letzten Meile” auf G.fast setzen, müssen die damit einhergehende Frequenznutzung in einer Weise einschränken, die die von der Telekom eingesetzte Vectoring-Technik nicht beeinträchtigt. Das bedeutet konkret, dass G.fast den von der Vectoring- bzw. „Super Vectroing”-Technik genutzten Frequenzbereich (bis 35 MHz) ausblenden muss, was jedoch zugleich mit einer nicht unerheblichen Bandbreitenreduktion einhergeht. Aus der versprochenen Gigabit pro Sekunden werden bei G.fast so 400 bis 600 Megabit pro Sekunde. Ein solcher Bandbreitenverlust ist jedoch nach Ansicht der BNetzA hinzunehmen, da

 

„ohne diese Maßnahme die bestehende Nutzung der Betroffenen [der Telekom, Anm. d. Verf.] stark gefährdet, wenn nicht unmöglich gemacht [würde]. Dies muss sie aus Gründen des Bestands- und Vertrauensschutzes nicht hinnehmen.”

 

Folgerungen aus der Entscheidung

Die Entscheidung bedient insbesondere Bestandsschutzinteressen der Telekom. Sie sendet mit der Beschränkung der schnelleren G.fast-Technologie auf der „letzten Meile” doch ein widersprüchliches Signal. Denn während die BNetzA auf die Bremse tritt, ruft die Bundesregierung derweil die „Gigabit-Gesellschaft” aus, die bis 2025 mit Vollgas realisiert werden soll.

 

Für Konkurrenten der Telekom bedeutet die Entscheidung vor allem eins: Dort, wo es sich lohnt, sollte der Breitbandausbau nicht an der Hauswand („FTTB”), sondern direkt beim Endkunden in der Wohnung („FTTH”) enden. Auch die BNetzA verweist in ihrer Entscheidung auf diese Möglichkeit:

 

„Den Wettbewerbern bleibt es etwa unbenommen, nach entsprechender Übereinkunft mit dem Gebäudeeigentümer eigene Endleitungen im Gebäude zu verlegen und zu nutzen […].”

 

Vor dem Hintergrund des mit diesem Vorschlag verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwands vermag dieser Vorschlag für den ein oder anderen Telekom-Konkurrenten vielleicht zynisch erscheinen. Zukunftsweisender ist der FTTH-Ausbau hingegen allemal.

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Andreas Lange

Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth), Rechtsanwalt

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