Medizinische Telefonberatung

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​veröffentlicht am 29. April 2021

 

Medizinische Telefonberatungen gewinnen in unserer heutigen Zeit zunehmend an Bedeutung. Es stellt sich jedoch die Frage, wie die umsatzsteuerrechtliche Behandlung medizinischer Telefonberatung zu beurteilen ist. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass telefonische Beratung im Rahmen eines „Gesundheitstelefons” einen therapeutischen Zweck verfolgen und daher unter dem Begriff „Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin” fallen kann. Somit wäre die telefonische Beratung ebenso wie die „normale” ärztliche Behandlung in der Arztpraxis von der Umsatzsteuer befreit. Die telefonische Beratung muss hierzu eine therapeutische Zielsetzung verfolgen und die Berater müssen die für die Steuerbefreiung erforderliche Berufsqualifikation aufweisen. 

Unter bestimmten Voraussetzungen können telefonische Beratungen im Rahmen eines sogenannten „Gesundheitstelefons” und von Patientenbegleitprogrammen umsatzsteuerbefreite Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sein. Dies entschied der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 23.9.2020.1

Das Urteil erging als Nachfolge-Entscheidung zum Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 5.3.2020.2

Nach nationalem deutschem Recht3 sind Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden, umsatzsteuerfrei. Unionsrechtlich beruht die Steuerbefreiung auf der europäischen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL4, wonach Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedsstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, umsatzsteuerfrei sind.

Im Vorfeld der aktuellen BFH-Entscheidung bekam der EuGH bestimmte Fragen vom BFH zur Vorabklärung vorgelegt. Der EuGH hat diese Fragen dergestalt beantwortet, als dass die Vorschrift der MwStSystRL dahingehend auszulegen sei, dass telefonisch erbrachte Beratungsleistungen in Bezug auf Gesundheit und Krankheiten unter die in dieser Vorschrift vorgesehene Umsatzsteuerbefreiung fallen können, sofern sie eine therapeutische Zielsetzung verfolgen.

Zudem sei die Reglung so auszulegen, dass sie nicht verlange, dass Krankenpfleger und/oder medizinische Fachangestellte, die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin erbringen, zusätzliche Anforderungen an die berufliche Qualifikation erfüllen müssen, wenn die Leistungen telefonisch erbracht werden.
Im Anschluss an diese Beantwortung der Fragen durch den EuGH entschied auch der BFH, dass auch telefonisch erbrachte Heilbehandlungen unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 a UStG fallen können, wenn alle Voraussetzungen für die Anwendung dieser Befreiung erfüllt sind.

Der autonome unionsrechtliche Begriff „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin” erfasse Leistungen, die der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen.

Hieraus folge jedoch nicht zwangsläufig, dass die therapeutische Zielsetzung in einem besonders engen Sinne zu verstehen sei. Das Fehlen einer ärztlichen Verschreibung vor der telefonischen Beratung oder einer konkreten ärztlichen Behandlung im Anschluss daran genügt nicht zur Klärung der Frage, ob eine solche Beratung nicht mehr unter den Begriff „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin” fällt.

Beratungen, die darin bestehen, die in Betracht kommenden Diagnosen und Therapien zu erläutern sowie Änderungen der durchgeführten Behandlungen vorzuschlagen, ermöglichen es der betroffenen Person, ihre medizinische Situation zu verstehen und ggf. entsprechend tätig zu werden. Die Beratungen können daher einen therapeutischen Zweck verfolgen und somit unter den Begriff der „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin” fallen.

Sollten jedoch Leistungen, die in der Erteilung von Auskünften über Erkrankungen oder Therapien bestehen, aber auf Grund ihres allgemeinen Charakters nicht geeignet sein, zum Schutz, zur Aufrechterhaltung oder zur Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit beizutragen, fallen diese laut BFH nicht unter die genannte Steuerbefreiungsvorschrift.

Ebenso nicht den steuerbefreiten Leistungen gleichgestellt werden können Leistungen, die in der Erteilung von Auskünften administrativer Art, wie der Kontaktdaten eines Arztes oder einer Schlichtungsstelle bestehen.

___________________________________________________________
1 BFH-Urteil vom 23.9.2020 (Az. XI R 6/20, BFH/NV 2021, S. 425))
2 EuGH-Urteil vom 5.3.2020 (Az. C-48/19)
3 § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG
4 Art. 132 Absatz 1 Buchstabe c MwStSystRL

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