Encore une fois BFH: Neues zur umsatzsteuerlichen Organschaft

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​veröffentlicht am 29. August 2017

 

Unterstellt eine juristische Person „gemäß oder entsprechend” § 291 AktG die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen, so führen die auf diesem Beherrschungsvertrag beruhenden umfassenden Weisungsrechte, anders als die sich aus der Stellung als Mehrheitsgesellschafter gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG ergebenden Weisungsrechte, zur organisatorischen Eingliederung. Ein Beherrschungsvertrag führt zur organisatorischen Eingliederung, weil sich das umfangreiche Weisungsrecht nach § 308 AktG nicht nur auf die Überwachung beschränkt, sondern auf die Leitung der Gesellschaft bezieht.

 

​I. Sachverhalt

Dem Urteil des BFH (BFH v.10.05.2017, Az.: V R 7/16) lag folgender Sachverhalt zugrunde:


Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand u.a. die Übernahme, die Fortführung und der Verkauf von Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen ist. Die Klägerin ist zu 100 Prozent an der Tochtergesellschaft beteiligt.


Mit notariellem Vertrag vom 29. Oktober 2007 schloss die Klägerin als herrschendes Unternehmen mit der Tochtergesellschaft einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag, der am 4. Dezember 2007 im Handelsregister eingetragen wurde. Danach unterstellte die Tochtergesellschaft die Leitung ihrer Gesellschaft der Klägerin. Nach dem Vertrag war die Klägerin berechtigt, der Geschäftsführung der Tochtergesellschaft sowohl hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft als auch allgemein oder auf Einzelfälle bezogene Weisungen zu erteilen. Die Tochtergesellschaft verpflichtete sich, den Weisungen zu folgen. Alleiniger Geschäftsführer der Klägerin war S, Geschäftsführer der Tochtergesellschaft waren T und K. Im Rahmen sowohl bei der Klägerin als auch bei der Tochter durchgeführter Außenprüfungen ging der Prüfer davon aus, dass zwischen den Unternehmen seit dem Streitjahr (2007) eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft bestehe. Die Tochtergesellschaft habe umsatzsteuerpflichtige Erlöse auf ein nicht mit Umsatzsteuer belastetes Ertragskonto umgebucht (19.950 EUR), im Jahr 2007 ausgestellte Ausgangsrechnungen in Höhe von insgesamt 123.831,39 EUR nicht verbucht (Umsatzsteuer 23.527,96 EUR) und Anzahlungen in Höhe von 15.541,70 EUR (Umsatzsteuer 2.952,92 EUR) nicht erfasst.


Am 1. Januar 2011 wurde über das Vermögen der Tochtergesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde L bestellt.


Infolgedessen hob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den Umsatzsteuerbescheid 2007 gegenüber der Tochtergesellschaft auf und änderte den Umsatzsteuerbescheid 2007 gegenüber der Klägerin, in dem es die Umsätze der Tochtergesellschaft nach den Feststellungen der Betriebsprüfung bei der Klägerin erfasste. Einspruch und Klage der Klägerin hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 844 veröffentlicht. Die streitgegenständlichen Umsätze seien zu Recht 2007 bei der Klägerin erfasst worden, weil sie umsatzsteuerrechtlich Organträger der Tochtergesellschaft gewesen sei. Die organisatorische Eingliederung der Tochtergesellschaft ergebe sich aus dem Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag, aufgrund dessen die Geschäftsführung der Klägerin befugt gewesen sei, der Geschäftsführung der Tochtergesellschaft Weisungen zu erteilen.

 

II. Entscheidungsgründe

Der BFH geht davon aus, dass im konkreten Einzelfall die organisatorische Eingliederung bestand. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und hier allein streitig organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Eine juristische Person ist organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert, wenn der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss. Da sich die mit der Organschaft verbundene Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger finanziell belastend auswirken kann, müssen die Voraussetzungen der Organschaft rechtssicher bestimmbar sein Deshalb erfordert die organisatorische Eingliederung im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der juristischen Person als Organgesellschaft. Unterstellt aber die juristische Person gemäß § 291 AktG in direkter (bei Aktiengesellschaften) oder analoger Anwendung im GmbH-Recht die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen als dem Organträger, begründet schon der Beherrschungsvertrag die organisatorische Eingliederung. Zwar berechtigt auch die mit der finanziellen Eingliederung einhergehende Stellung als Mehrheitsgesellschafter gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung des beherrschten Unternehmens und in Vollzug dieses Rechts zur Erteilung von Weisungen zwecks Ausführung der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung. Dieses Weisungsrecht erfüllt aber nach ständiger Rechtsprechung nicht das selbständige Tatbestandsmerkmal der organisatorischen Eingliederung.


Anderes gilt für die weitergehenden Rechte aus einem Beherrschungsvertrag; sie führen zur organisatorischen Eingliederung, weil sich das Weisungsrecht nach § 308 AktG nicht nur auf die Überwachung beschränkt, sondern darüber hinaus auf die Leitung der Gesellschaft (vgl. § 76 Abs. 1 AktG) bezieht.

 

Anmerkung: Die organisatorische Eingliederung mittels eines Beherrschungsvertrages setzt dessen Wirksamkeit voraus. Dies geschieht mit Eintragung ins Handelsregister; der Eintragung kommt konstitutive Wirkung zu.

 

III. Praxistipp: Vorsorgliche Überprüfung der bisherigen Organschaften ist angezeigt

Im Gegensatz zum reinen Weisungsrecht eines Mehrheitsgesellschafters, das grundsätzlich nur die Möglichkeit eröffnet, einzelne laufende Angelegenheiten an sich zu ziehen, umfasst ein Weisungsrecht aus § 308 AktG die Geschäftsführung, die organschaftliche Vertretung sowie Maßnahmen im Innenverhältnis der Gesellschaft unter Einschluss der Rechnungslegung. Es ist dringend angeraten zu überprüfen, ob die aktuellen Beherrschungsmöglichkeiten im Rahmen von organisatorischen Eingliederungen in der konkreten Ausgestaltung eher dem § 308 AktG oder dem § 46 GmbHG entsprechen.

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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