Befristete Beschäftigung von Ärzten in Weiterbildung: Mängel in der individuellen Weiterbildungsplanung gehen zulasten des Krankenhauses (LAG Baden-Württemberg, 11. September 2015)

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​veröffentlicht am 15. Dezember 2015

 

Nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG ist die Befristung von Arbeitsverträgen zulässig, wenn die Beschäftigung eines Arztes seiner zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung in bestimmten Fällen gilt. Nach dem Urteil des LAG ist die Befristung aber unwirksam, wenn das Krankenhaus nicht darlegen und beweisen kann, dass bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags ein auf die konkrete Weiterbildung zugeschnittener Weiterbildungsplan erstellt wurde. Dieser Plan müsse nicht schriftlich niedergelegt werden. Es müsse aber objektiv feststellbar sein, wie sich der Arbeitgeber nach den Umständen des Einzelfalls eine zeitlich und inhaltlich strukturierte Weiterbildung vorgestellt hat.

 

Die Klägerin wollte festgestellt wissen, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund einer vereinbarten Befristung geendet habe, sondern unbefristet fortbestehe. Sie und das beklagte Krankenhaus hatten einen befristeten Arbeitsvertrag als teilzeitbeschäftigte Ärztin abgeschlossen. In der Vertragsurkunde wurde angekreuzt, dass die Befristung „zum Erwerb einer Zusatzbezeichnung, eines Fachkundenachweises oder einer Bescheinigung über eine fakultative Weiterbildung” erfolgte. Zudem wurde die Klägerin als Assistenzärztin eingestellt. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Klägerin seit rund 16 Jahren approbierte Ärztin. Im Rahmen von verschiedenen Arbeitsverhältnissen hatte sie u.a. die Gebietsbezeichnung „Fachärztin für innere Medizin” erworben. Die Klägerin hatte sich bei der Beklagten für eine Tätigkeit als Assistenzärztin zur Fortsetzung ihrer Weiterbildung im Schwerpunkt „Gastroenterologie” beworben.
  
Das LAG gab der Klägerin recht und lehnte es ab, auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG (Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung) von einem befristeten Arbeitsverhältnis auszugehen. Viele Punkte waren zwischen der Ärztin und dem Krankenhaus umstritten. Dies ging zulasten des Krankenhauses als Arbeitgeber. Die Darlegungslast für das Vorliegen einer auf die konkrete Weiterbildung zugeschnittenen Weiterbildungsplanung trage der Arbeitgeber. Im Zweifel liegt damit zulasten des Krankenhauses kein Befristungsgrund vor und das Arbeitsverhältnis ist unbefristet.
   

Dem Vorbringen der Parteien könne nicht entnommen werden, dass sie bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags abgeklärt hätten, welche Weiterbildungsinhalte die Klägerin in ihren früheren Arbeitsverhältnissen zum Schwerpunkt „Gastroenterologie" bereits erworben hatte und welche sie noch erwerben muss. Die vom Krankenhaus vorgelegte zeitliche Planung habe ohne eine inhaltliche Strukturierung der Weiterbildung keine ausreichende Basis. Zu einer zeitlichen Weiterbildungsplanung gehöre zwar sicherlich die Aufstellung eines Tagesplans, der dem Arzt in Weiterbildung ausreichend die Gelegenheit zur Weiterbildung gibt. Zu einer zeitlichen Planung gehöre aber auch, dass die Parteien Überlegungen dazu anstellen, in welchen Zeiträumen die erforderlichen Weiterbildungsinhalte erworben werden sollen.
  

Der Arbeitgeber müsse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Rahmen einer Prognose Überlegungen dazu anstellen, welche Weiterbildungsinhalte der betreffende Arzt erwerben möchte und auf welche Weise der Erwerb im Laufe des befristeten Arbeitsverhältnisses stattfinden soll. Welche Anforderungen an diesen Plan zu stellen sind, richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Stehe etwa ein approbierter Arzt zu Beginn seiner Facharztausbildung für Innere Medizin, so möge das vom Krankenhaus vorgelegte Programm für einen Weiterbildungsplan genügen. Gehe es aber um eine Ärztin wie die Klägerin, die bereits vor einigen Jahren die Facharztanerkennung erworben hat und darüber hinaus bereits Weiterbildungsinhalte für den Schwerpunkt „Gastroenterologie” erworben habe, so genüge ein solches allgemeines Programm ersichtlich nicht.

 

Denn um in einem solchen Fall die Weiterbildung zeitlich und inhaltlich zu strukturieren, müsse zu Beginn des Arbeitsverhältnisses festgestellt werden, welche Weiterbildungsinhalte dem betreffenden Arzt noch fehlen und in welchem Zeitraum er sie mutmaßlich in der betreffenden Einrichtung erwerben kann. Ohne eine solche Planung würde die Beschäftigung des Arztes seine Weiterbildung nicht fördern. Die Weiterbildung wäre eine solche „auf das Geratewohl”. Im vorliegenden Fall der ärztlichen Weiterbildung habe sich die Prognose des Arbeitgebers darauf zu erstrecken, der zur Weiterbildung beschäftigte Arzt werde bis zum vorgesehenen Vertragsende die beabsichtigte Weiterbildung entweder abschließen oder zumindest wesentliche Weiterbildungsinhalte erwerben können. Ebenso wie bei den oben genannten Sachgründen muss im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein, dass die angestrebten Weiterbildungsinhalte erworben werden können. Der Arbeitgeber müsse bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags einen auf die konkrete Weiterbildung zugeschnittenen Weiterbildungsplan erstellen. Dieser Plan müsse nicht schriftlich niedergelegt werden, auch wenn sich dies aus Beweisgründen empfehlen wird. Es müsse aber objektiv feststellbar sein, wie sich der Arbeitgeber eine zeitlich und inhaltlich strukturierte Weiterbildung vorgestellt hat.
 
Das LAG richtet sich damit ausdrücklich gegen ein Urteil des AG Mannheim vom 16. Mai 2013. In diesem Urteil hat das Arbeitsgericht Mannheim ausgeführt, ein entsprechendes Programm, das nicht nur inhaltliche, sondern auch zeitliche Abfolgen der Weiterbildungsinhalte regele, müsse entweder in den Vertrag aufgenommen werden oder mit diesem verbunden sein. Diese Auffassung findet nach Ansicht des LAG im Gesetz keine Stütze.

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