Schadenersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung hinsichtlich zweier gleichartiger Anlagemodelle: Anrechnung von Vorteilen aus weiterem Geschäft (BGH III ZR 497/16)

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Leitsatz:

Jedenfalls wenn der Anleger auf der Grundlage eines einheitlichen Beratungsgesprächs zwei verschiedene, ihrer Struktur nach aber gleichartige Anlagemodelle gezeichnet und dabei eine auf demselben Beratungsfehler beruhende einheitliche Anlageentscheidung getroffen hat, muss er sich, sofern er eines der beiden Geschäfte im Wege des Schadensersatzes rückabwickeln will – etwa weil sich ein Geschäft positiv und das andere negativ entwickelt hat – , auf den Zeichnungsschaden aus dem verlustbringenden Geschäft die Gewinne aus dem positiv verlaufenden Geschäft anrechnen lassen. 

In seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2018 hat sich der BGH mit der höchstrichterlich bislang noch nicht entschiedenen Frage auseinandergesetzt, ob bei taggleich erfolgter Empfehlung und Zeichnung zweier Beteiligungen an jeweils unterschiedlichen geschlossenen Immobilienfonds die aus der einen Beteiligung erwachsene Rendite mit den aus der anderen Beteiligung erwachsenen Verlusten zu verrechnen seien.

Der Entscheidung liegt ein Fall zu Grunde, in welchem sich der Kläger an einem niederländischen geschlossenen Immobilienfonds beteiligte und am selben Tag auch Anteile an einem kanadischen Immobilienfonds erwarb. Hierbei folgte der Kläger im Wesentlichen den Anlagevorschlägen eines damals für die Beklagte tätigen Anlagevermittlers. Der Kläger behauptete, dass der Anlagenvermittler im Rahmen dieses Beratungsgespräches nicht über die Risiken im Zusammenhang mit den gezeichneten Anlagen aufgeklärt, sondern vielmehr die Anlagen als „absolut sicher” dargestellt habe. Der niederländische Fonds entwickelte sich in der Folgezeit jedoch negativ, während der kanadische Fonds erhebliche Gewinne abwarf. Der Kläger begehrte nun mit seiner Klage die Rückzahlung der Einlage in den niederländischen Fonds gegen die Rückgabe seiner erworbenen Beteiligung sowie die Verpflichtung, ihn von allen Schäden und Nachteilen aus dieser Beteiligung freizustellen.

Die Klage wurde vom BGH teilweise abgewiesen.

In seiner Entscheidung hatte sich der BGH insbesondere mit der Frage auseinanderzusetzen, wie die Anrechnung von Renditen aus einem anderen Investment auf den geltend gemachten Schaden zu beurteilen sei.

Eine Anrechnung ist grundsätzlich nach den Grundsätzen der sog. Vorteilsausgleichung möglich, wenn die anzurechnenden Vorteile in einem adäquaten Zusammenhang mit dem Schadensereignis stehen, wobei der Schädiger nicht unbillig entlastet werden darf.

Der Senat vertritt im vorliegenden Fall den Standpunkt, dass insgesamt betrachtet, eine Verklammerung der erworbenen Beteiligungen vorliegt, die zu einem adäquaten Zusammenhang zwischen Vorteil (Rendite) und Schadensereignis (Verlust aus der Beteiligung) führt. Der Senat stellt hier für eine Beurteilung auf die im Einzelfall maßgeblichen Umstände ab. Dabei fällt im vorliegenden Fall vor allem der Umstand ins Gewicht, dass beide Immobilienfonds Gegenstand eines einheitlichen Beratungsgesprächs waren, dem ein umfassender Vorschlag des Beraters zu Grunde lag. Dieses Beratungsgespräch führte in der Folge maßgeblich zu einer Verklammerung dieser beiden Anlageentscheidungen. Auch stellten sich die in ihrer Struktur gleichartigen und in ihren Risiken vergleichbaren Investments aus Sicht des BGH letztlich als „Paket” dar, sodass im Ergebnis nur eine, aus mehreren Komponenten bestehende, einheitliche Anlageentscheidung getroffen wurde. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Anlagen für sich betrachtet nicht voneinander abhingen und die Beteiligungserklärungen separat unterzeichnet wurden. Hinzu kommt weiterhin, dass der Anlageberater bei dem Beratungsgespräch eine beide Anlagen gleichermaßen betreffende Aufklärungspflichtverletzung begangen hat.

Eine Annahme einer Verklammerung allein aufgrund der Gleichförmigkeit der Pflichtverletzung reiche aber, wie bereits im Zusammenhang mit Swap-Geschäften entschieden (vgl. BGH ZR III 497/16 Rn. 24, 29, mit weiteren Nachweisen), nach Ansicht des Gerichts nicht aus.

Aus der Kumulation der vorgenannten Umstände hinsichtlich der Vertragsabschlüsse folgt, dass auch die Rückabwicklung der beiden zeitgleich abgeschlossenen Geschäfte nicht getrennt voneinander erfolgen darf. Somit ist bei einer wertenden Betrachtung die Entwicklung beider Fonds im Sinne einer Gesamtsaldierung in die Schadensberechnung einzubeziehen.

Zudem stellte der Senat fest, dass durch die Anrechnung der Gewinne die Beklagte im vorliegenden Fall nicht unbillig entlastet würde. Eine nähere Begründung führte das Gericht jedoch nicht an.

Im Ergebnis nahm der BGH eine Verrechnung der Verluste des Klägers aus der Beteiligung an dem niederländischen Fonds mit den Gewinnen aus der Beteiligung an dem kanadischen Fonds vor. Hierbei überstiegen die Gewinne die Verluste, sodass im Ergebnis insgesamt die Klage teilweise abzuweisen war. 
 

Praxisfolgen:


Die Frage zur Anrechnung von Renditen aus einem anderen Investment wurde bislang sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur nicht einheitlich beurteilt. Mit der jüngsten Entscheidung des dritten Senats des BGH liegt zwar erstmals eine Entscheidung in Bezug auf Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds vor, jedoch stellt der BGH mit dieser Entscheidung einmal mehr heraus, dass es noch immer auf eine wertende Betrachtung des (komplexen) Einzelfalls ankommt und eine generalisierende Betrachtung für diese (meist komplexen) Fallgestaltungen nicht geeignet ist. Jedoch gibt das Gericht der Anlagepraxis einige nützliche Kriterien für die Annahme einer Verklammerung von Anlageentscheidungen an die Hand.

Dagegen lässt der BGH in seiner Entscheidung leider die – durchaus nicht uninteressante – Frage offen, wann eine unbillige Entlastung des Schädigers vorliegt.

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Dr. Christian Conreder

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