Suizidgefahr als Härtegrund

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​veröffentlicht am 16.07.2024 | Lesedauer ca. 2 Minuten

BGH, Urteil vom 10. April 2024, Az.: VIII ZR 114/22

Bei der ernsthaften Gefahr eines Suizids des Mieters kann eine nicht zu rechtfertigende Härte vorliegen und der Räumungsanspruch verneint werden.

Zwischen den Beklagten und dem Kläger bestand ein Mietvertrag über eine im Dachgeschoss gelegene Zweizimmerwohnung des Klägers. Nach 12 Jahren erklärte der Kläger mit Schreiben vom 24. Oktober 2019 die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31. Juli 2020 wegen Eigenbedarfs. Dieser Kündigung widersprachen die Beklagten fristgemäß und begründeten dies damit, dass die Kündigung für sie eine besondere Härte darstellt. Aufgrund ihrer gesundheitlichen und finanziellen Situation sei ihnen ein Umzug schlicht nicht möglich. Die Beklagten bekundeten unter anderem eine mögliche Suizidabsicht. Der Kläger erhob schließlich Klage und begehrte darin die Durchsetzung seines Anspruchs auf Räumung und Herausgabe der Mietsache.

Der Bundesgerichtshof verneinte nun letztinstanzlich den Anspruch des Klägers und begründete seine Entscheidung wie folgt: Ein Mieter hat das Recht, einer an sich gerechtfertigten ordentlichen Kündigung des Vermieters zu widersprechen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dabei kommen als Härtegründe nur solche mit einem Umzug verbundenen Nachteile für den gesetzlich geschützten Personenkreis in Betracht. Diese Nachteile müssen sich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben. So können auch Erkrankungen in Verbindung mit weiteren Umständen einen Härtegrund darstellen, wenn etwa der gesundheitliche Zustand einen Umzug nicht zulässt oder im Fall eines Wohnungswechsels zumindest die ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands des erkrankten Mieters oder seines Angehörigen besteht. Der Mieter muss hierfür substanziiert ihm drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahren geltend machen. Bei Fehlen eigener Sachkunde müssen die Tatsacheninstanzen mittels sachverständiger Hilfe ein genaues Bild davon verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen mit einem Umzug verbunden sind. 

Wird – wie im vorliegenden Fall – sogar eine Suizidabsicht im Falle eines unfreiwilligen Verlusts der Wohnung bekundet, ist ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen. Von maßgeblicher Bedeutung ist insbesondere, ob hinsichtlich des drohenden Verlusts der Wohnung Suizidgefahr besteht und die Suizidankündigungen der Beklagten dahingehend als ernst bewertet werden können, dass diese bereits einen konkreten Plan entwickelt und Vorbereitungen in Form einer Ansammlung von Medikamenten getroffen haben. Bei drohenden schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahr ist daher erforderlich, dass Beweisangeboten besonders sorgfältig nachgegangen wird. Bei der Feststellung des Vorliegens einer Härte ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit sich die mit einem Umzug einhergehenden Folgen durch Unterstützung des Umfelds eines Mieters oder durch begleitende ärztliche Behandlungen mindern lassen. Der Mieter muss sich dabei selbst bemühen, das Gesundheitsrisiko zu verringern. Maßgeblicher Zeitpunkt hierfür ist der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung. Die Verweigerung des Mieters, angebotene Hilfe in Anspruch zu nehmen, kann dazu führen, dass ein Härtegrund abgelehnt wird.

Fazit:

​Grundsätzlich können Mieter einer ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses eine besondere Härte für sie, ihre Familie oder einen anderen Angehörigen ihres Haushalts bedeuten würde. Genauso können auch andere Krankheiten eine Härte darstellen. Ob eine Härte vorliegt, ist einzelfallabhängig und muss besonders sorgfältig geprüft werden. Sofern der Mieter widerspricht und seinen Widerspruch mit dem Vorliegen eines Härtegrundes begründet, sollte daher nicht zu vorschnell eine Räumungsklage erhoben werden. Vielmehr empfiehlt es sich bereits im Vorfeld rechtlichen Rat einzuholen.





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