Kommunales Beteiligungsmanagement – Wie geht es weiter mit Stadtwerken – Kooperationen oder Stand-alone?

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veröffentlicht am 3. Juli 2023



Stadtwerke und andere Energieversorgungsunternehmen standen in den letzten Jahren und stehen in den kommenden Jahren vor immensen Herausforderungen. Dies betrifft operative und strategische Themen aber auch die wirtschaftliche Entwicklung und die Finanzierung. Neben den aktuellen Themen (Gasmangellage, Energiepreiskrise, Strom- und Gaspreisbremse) stehen zahlreiche mittel- und langfristige Baustellen (z. B. Stromnetzausbau, Aus- und Umbau der Wärmeversorgung, Digitalisierung) auf dem Plan, bei denen Stadtwerke an die eigenen Grenzen stoßen können. Gleichzeitig schlägt der Fachkräftemangel auch auf die Stadtwerke durch und systemkritische Prozesse hängen von wenigen hochqualifizierten Personen ab. Aufgrund dieser vielfältigen Herausforderungen machen sich Stadtwerke zunehmend Gedanken, ob sie den zukünftigen Herausforderungen noch gewachsen sind und wie sie sich zukunftssicherer aufstellen können.


Eine Reihe von Optionen steht zur Verfügung, damit Stadtwerke diesen Anforderungen gerecht werden. Im Kern geht es darum, ob das Unternehmen die Herausforderungen selbst meistert oder ob und in welchem Umfang Kooperationen vorteilhaft sind. Dabei spielen die folgenden Erwägungen eine wesentliche Rolle:





Umsetzung Klimaneutralität

Die klimapolitischen Ziele stellen die klassischen Geschäftsmodelle von Stadtwerken infrage. Das Massengeschäft mit Commodities (Strom- und Gasvertrieb) wird zunehmend durch komplexere Produkte und Dienstleistungen ersetzt und deutlich kleinteiliger als bisher. Die Kapitalintensität wird zunehmen, sodass die Finanzierungsbedarfe für den Auf- und Ausbau der klimaneutralen Infrastruktur und sonstiger Investitionen zunehmen werden.

Zunehmende Investitionen werden im Bereich des Ausbaus erneuerbarer Stromerzeugung, der Stromnetze und der Wärmeversorgung erforderlich sein, aber auch Contractinglösungen, dezentrale Quartiersprojekte und Mobilitätsinfrastruktur sind Handlungsfelder, bei denen Stadtwerke gefordert sein werden, ihren Beitrag zu leisten.

Um die Anforderungen des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen und die ambitionierten Klimaziele in Deutschland zu erreichen, reicht es nicht aus, auf kommunaler Ebene pauschale Klimaziele zu definieren, sondern ein detailliertes Maßnahmenpaket muss hinterlegt werden, damit diese Ziele auch realistisch erreicht werden können und die zugehörigen Finanzmittel zur Verfügung stehen.

Investitionen und Finanzierung

In der Vergangenheit hatten Stadtwerke im Rahmen der Innenfinanzierung üblicherweise ausreichend Investitionsmittel zur Verfügung, um die nötigen Erneuerungsinvestitionen und teilweise auch Erweiterungsinvestitionen zu tätigen. Der Zustand und die Altersstruktur der Anlagen war insoweit ausreichend, dass keine größeren Ausfälle zu verzeichnen waren. Über die Jahre sind die Anlagen aber tendenziell älter geworden und mit den neuen Anforderungen zum Monitoring und zur Steuerung der Anlagen sowie der erforderlichen Kapazitätserweiterungen stehen nun wesentlich umfangreichere Investitionen an, die schwerlich aus dem Unternehmen selbst heraus finanziert werden können.

Da die Spielräume für zusätzliche Darlehen oft begrenzt sind, werden zunehmend die Möglichkeiten zur Gewinnthesaurierung eruiert oder auch diskutiert, ob die Gesellschafter zusätzliches Eigenkapital bereitstellen können. Wenn die kommunalen Gesellschafter selbst klamm sind und sich bspw. selbst in einem Haushaltssicherungsverfahren befinden, müssen vermehrt alternative Finanzierungsmöglichkeiten entwickelt werden, um die anstehenden Investitionen finanzieren zu können.

Aufbau neuer Geschäftsfelder

Geschäftsfelder mit hohen Ergebnisbeiträgen (z. B. Gasvertrieb, Gasnetz) werden in Zukunft durch neue komplexere Tätigkeitsfelder ersetzt werden müssen. Hierzu muss noch entsprechendes Know-how aufgebaut werden oder auch qualifiziertes Personal eingestellt werden, um die gewünschten Leistungen bereitstellen zu können. Eine stärkere Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren (z. B. Handwerkern) oder auch Dienstleistern (z. B. Servicepartnern) ist damit i. d. R. verbunden. Letztlich ist für den Aufbau neuer Geschäftsfelder viel Know-how und Engagement erforderlich, wobei sich insbesondere kleinere Stadtwerke die Frage stellen, ob sie diese Aufgaben alleine stemmen können oder diese nur mit Partner erfolgreich umgesetzt werden können.

Fachkräftemangel

Der demografische Wandel ist in Deutschland nicht mehr nur in Regionen mit Bevölkerungsrückgang von Bedeutung. Fachkräfte fehlen in vielen deutschen Regionen und das betrifft inzwischen auch in zunehmendem Maße Stadtwerke und andere Energieversorgungsunternehmen. Stellenbesetzungen verzögern sich, weil sich keine geeigneten Bewerberinnen und Bewerber finden. Das Funktionieren der Prozesse und der Organisation hängt an wenigen Personen mit Schlüsselqualifikationen, für die nicht immer eine Vertretung bei Urlaub oder Krankheit verfügbar ist. Wenn diese Personen für eine längere Zeit ausfallen, soll es schon dazu gekommen sein, dass Prozesse zum Erliegen gekommen sind, weil niemand im Hause die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter ersetzen konnte.

Wenn durch Kooperationen oder auf anderem Wege Redundanzen oder Vertretungsregelungen geschaffen werden können, wäre die Organisation risikoaverser aufgestellt.

Aufgrund dieser zahlreichen Herausforderungen für Stadtwerke wird zunehmend die Frage gestellt, 

  • ob in den derzeitigen Strukturen und Organisationen diese Anforderungen bestmöglich erfüllt werden können,
  • ob strukturelle Veränderungen vorteilhaft wären,
  • ob Kooperationen oder Beteiligungslösungen angestrebt werden sollten oder
  • wie Know-how-Aufbau und personelle Veränderungen im eigenen Unternehmen adäquat umgesetzt werden können.

Das Diagramm auf der nächsten Seite zeigt eine Übersicht möglicher Kooperationsformen abhängig von der Wertschöpfungsstufe sowie Breite bzw. Tiefe der Zusammenarbeit.
 
Sofern sich ein Stadtwerk selbst zutraut, die Herausforderungen anzunehmen, die Veränderungen im eigenen Hause aktiv zu gestalten, die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzunehmen und neue Aktivitäten selbst zu entwickeln, spricht vieles dafür, dies auch im eigenen Unternehmen anzugehen. Qualifiziertes Personal muss eingestellt werden und die Investitionen und die zugehörige Finanzierung müssen mit den eigenen Gesellschaftern abgestimmt und insgesamt gestemmt werden. Denn jede Kooperation und jede Beteiligung bedeutet auch, sich in neue Abhängigkeiten zu begeben und Entscheidungskompetenzen an Dritte abzugeben. 




Nichtsdestotrotz nimmt die Zahl der Stadt- und Gemeindewerke zu, die selbst den laufenden operativen Betrieb oder auch Sonderthemen wie Energiepreisbremsen oder Energiekrise nur mit viel Engagement Einzelner gestemmt bekommen oder bei denen der Fachkräftemangel bei Schlüsselpositionen nicht mehr wegzudiskutieren ist. Hier sollte ernsthaft darüber nachgedacht werden, ob die neuen Geschäftsfelder in Richtung Klimaneutralität mit Partnern aufgebaut werden oder für Kerntätigkeiten (z. B. Netzbetrieb) stärker mit Dienstleistern oder auch Kooperationspartnern zusammengearbeitet werden sollte, um den laufenden Betrieb risikoärmer und wirtschaftlicher aufzustellen.

Zur Frage, ob Stand-alone oder in Kooperationen besser ist, gibt es keine eindeutigen pauschalen Antworten. Viele Stadtwerke sind grundsätzlich gut aufgestellt, die Anforderungen der Zukunft anzugehen und neue Aktivitäten wirtschaftlich zu entwickeln. Allerdings nimmt die Zahl der Unternehmen zu, die sich diesen komplexen Anforderungen nicht mehr alleine gewachsen fühlen und über Kooperationen nachdenken. Hier gibt es vielfältige Lösungen, die sehr vom Einzelfall abhängen und individuell zu betrachten sind. Die besten, nachhaltigsten und ausgewogensten Lösungen lassen sich aus einer Situation der Stärke heraus entwickeln und nicht erst dann, wenn Defizite bereits offensichtlich sind.

Für Kommunen und kommunale Gesellschafter von Stadtwerken stellt sich daher die Frage, wie diese die Stadtwerke bei diesem Transformationsprozess unterstützen können. Wichtig ist hier insbesondere die finanziellen Spielräume der eigenen Beteiligung zu erhöhen, indem Gewinnthesaurierungen ausgeweitet werden oder auch zusätzliches Eigenkapital zur Verfügung gestellt wird. Auch sollten Kommunen grundsätzlich offen für den Ausbau von Kooperationen ihrer Beteiligungsunternehmen sein. Denn Kooperationen können dazu beitragen, die wirtschaftliche Basis zu verbreitern, Synergien zu heben und die Abhängigkeit von Schlüsselressourcen zu reduzieren. Letztlich müssen die Kommunen mit eigenen Stadtwerken oder mit Beteiligungen an regionalen Energieversorgungsunternehmen einen Beitrag leisten, dass diese sich den immensen Herausforderungen stellen können, die notwendig sind, damit die Dekarbonisierung und die Transformation in eine klimaneutrale Wirtschaft und Gesellschaft Wirklichkeit werden.



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