Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen bei WEG-Gemeinschaftseigentum

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​veröffentlicht am 2. Mai 2024




Früher oder später müssen an Gebäuden und Gebäudeteilen Sanierungs- und Erhaltungsarbeiten durchgeführt werden. Die Kosten für derartige Arbeiten können teilweise sehr hoch ausfallen. Handelt es sich um WEG-Gemeinschaftseigentum, das sanierungsbedürftig ist, gilt hinsichtlich der von den Eigentümern zu tragenden Sanierungskosten grundsätzlich der gesetzliche Verteilungsschlüssel. Demnach müssen sich die Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile an den Kosten beteiligen. Der BGH hat nun in seinem jüngsten Urteil vom 22.3.2024 - V ZR 81/23 entschieden, unter welchen Voraussetzungen die Wohnungseigentümer Kosten für Sanierungs- und Erhaltungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum auf einzelne Wohnungseigentümer übertragen können. Wir bringen Ihnen hiermit die Sichtweise der Karlsruher Richter einmal nahe:


Der Fall des BGHs

Zu einer Wohnungseigentumsgemeinschaft gehörte eine Tiefgaragenanlage mit zwanzig sogenannten Kfz-Doppelparkern.1 Die im gemeinschaftlichen Eigentum stehende hydraulische Hebeanlage der Doppelparker ging kaputt, sodass die Doppelparker nicht mehr ordnungsgemäß genutzt werden konnten und nur noch ein Fahrzeug pro Doppelparker abgestellt werden konnte. Vier dieser zwanzig Doppelparker standen im Teileigentum des Klägers. In der Teilungserklärung der Gemeinschaft war geregelt, dass grundsätzlich alle Erhaltungskosten nach den jeweiligen Miteigentumsanteilen von sämtlichen Wohnungs- und Teileigentümern zu tragen sind. Im Juni 2021 beschlossen die Wohnungseigentümer in einer Eigentümerversammlung jedoch eine Änderung der Kostenverteilung dahingehend, dass die Kosten für die Sanierung und Reparatur an den Doppelparkern nicht mehr von allen Wohnungseigentümern, sondern nur von den Teileigentümern der Doppelparker gemeinschaftlich zu tragen sind. Mit dem Beschluss der Gemeinschaft wurde damit der Verteilungsschlüssel geändert. Der Kläger reichte gegen diesen Beschluss eine Anfechtungsklage ein, die in den Vorinstanzen erfolglos geblieben ist. 

Das Urteil des BGHs

Nach der Entscheidung des BGH war der Beschluss über die geänderte Verteilung der für die Doppelparker anfallenden Kosten weder nichtig noch anfechtbar. Die Gemeinschaft war befugt, einen solchen Beschluss zu fassen. Die Wohnungseigentümer dürfen für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der Gemeinschaft eine von dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen. Dies gilt auch dann, wenn durch einen solchen Beschluss der Kreis der Kostenschuldner verändert wird, indem manche Wohnungseigentümer von der Kostentragung gänzlich befreit oder umgekehrt erstmals mit Kosten belastet werden. Es entspricht dem gesetzgeberischen Ziel, dass durch eine solche Beschlusskompetenz die Wohnungseigentümer im Einzelfall einfacher über eine angemessene Kostenverteilung entscheiden können. Der Beschluss der Wohnungseigentümer über die Verteilung der Kosten für den Doppelparker entspricht nach der Entscheidung des BGH auch ordnungsgemäßer Verwaltung. Bei Änderungen des Verteilungsschlüssels haben die Wohnungseigentümer einen weiten Gestaltungsspielraum. Beschließen sie für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der Gemeinschaft eine Änderung der bisherigen Verteilung, dürfen sie jeden Maßstab wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen ist und insbesondere nich​​​t zu einer ungerechtfertigten Bereicherung einzelner Eigentümer führt. Es entspricht jedenfalls dann einer ordnungsgemäßen Verwaltung, wenn die beschlossene Kostenverteilung den Gebrauch oder die Möglichkeit des Gebrauchs berücksichtigt. Im vorliegenden Fall ist dies der Fall, denn durch die neue Kostenverteilungsregelung werden nur die Teileigentümer der Doppelparker belastet, die – anders als die übrigen Wohnungseigentümer - auch einen Nutzen aus der Erhaltung des Gemeinschaftseigentums an den Doppelparker ziehen und denen die Erhaltung wirtschaftlich zugutekommt. Die Mehrbelastung der Teileigentümer im Vergleich zu dem gesetzlichen Verteilungsmaßstab ist durch deren alleinige Gebrauchsmöglichkeit gerechtfertigt. Die Teileigentümer konnten auch nicht darauf vertrauen, dass die gesetzlichen Öffnungsklauseln unverändert bleiben. Vielmehr muss grundsätzlich mit Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen gerechnet werden. 

Rechtliche Grundlage

Die Kosten der Gemeinschaft werden unter den Wohnungseigentümern grundsätzlich nach Eigentumsanteilen verteilt. Zu den Kosten der Gemeinschaft gehören insbesondere Verwaltungskosten, Kosten des gemein-
schaftlichen Gebrauchs des Gemeinschaftseigentums sowie die Kosten der Erhaltung des Gemeinschaftseigentums. Damit ist nach § 16 Abs. 2 S. 1 WEG ein gesetzlicher Verteilungsschlüssel nach Miteigentumsanteilen vorgegeben. 

Ein solcher gesetzlich vorgegebener Verteilungsschlüssel gewährleistet prinzipiell ein hohes Maß an Rechtssicherheit. Allerdings bedeutet dies nicht zugleich auch Verteilungsgerechtigkeit. Daher können nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG in Eigentümerversammlungen von diesem Grundsatz abweichende Beschlüsse gefasst werden. Den Eigentümern wird also die Beschlusskompetenz eingeräumt, die Verteilung von einzelnen Kosten oder von bestimmten  Arten von Kosten zu ändern. Es ist nur eine punktuelle Änderung konkret zu bestimmender Kosten und Kostenarten möglich und keine generelle Änderung des in der Gemeinschaft geltenden Verteilungsschlüssels. 

Formelle Voraussetzungen für die Beschlussfassung

Der Beschluss zur abweichenden Kostenverteilung kommt mit einfacher Stimmenmehrheit der in der Eigentümerversammlung abgegebenen Stimmen zustande. Inhaltlich muss der Beschluss auf eine Kostenverteilungsänderung gerichtet sein, inhaltlich bestimmt genug bezeichnet und transparent sein. 

Materielle Voraussetzungen für die Beschlussfassung

Über die geänderte Kostenverteilung entscheiden die Eigentümer nach billigem Ermessen. Die beschlossene neue Kostenverteilung muss den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen. Es sind alle Umstände abzuwägen, die für und gegen eine geänderte Kostenverteilung sprechen. Die Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Wohnungseigentümer müssen angemessen berücksichtigt werden. Die Änderung des Verteilungsschlüssels darf nicht zu einer unangemessenen und unbilligen Benachteiligung Einzelner führen. Die Beschlusskompetenz betrifft das „Wie” der Kostenverteilung und nicht das „Ob” einer Kostentragungspflicht einzelner Eigentümer. 

Ein sachlicher Grund für die Abweichung vom gesetzlichen Verteilerschlüssel ist nicht erforderlich. Das Erfordernis eines sachlichen Grundes hat jedoch im Rahmen der allgemeinen Missbrauchskontrolle eine Bedeutung. Beachtet werden muss zudem, dass das „Ob” einer Änderung und das „Wie” der geänderten Kostenverteilung nicht willkürlich sein dürfen.

Fazit

​Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen in Gemeinschaften der Wohnungseigentümer kommen nicht immer allen Eigentümern zugute. Manche Eigentümer ziehen aus den durchgeführten Arbeiten größere Vorteile als andere. Mit der Entscheidung des BGH wird zur Schaffung von mehr Fairness und Rechtssicherheit innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft beigetragen. Die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung bei Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum wird gestärkt. Die Gemeinschaft erhält bei der Verteilung von Kosten mehr Gestaltungsfreiraum. Hierdurch kann sie flexibler auf die konkreten Umstände des Einzelfalls reagieren. 

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1 Bei diesen sog. Doppelparkern handelt es sich um eine besondere Art von Garage, bei der zwei Autos mithilfe einer steuerbaren Plattform übereinander geparkt und mittels Steuereinheit bedient werden können.​


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