Neufassung GEFMA 190 – Auswirkungen auf FM-Verträge

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​veröffentlicht am 2. Mai 2022

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Mit der lang erwarteten Neufassung der GEFMA 190:2022 wurden umfangreiche Erfahrungen bei der Umsetzung der Betreiberverantwortung in der Richtlinie verarbeitet. Dadurch ist ein weiterentwickeltes Konzept zum Umgang mit den Compliance-Anforderungen an den Gebäudebetrieb entstanden. Die neue Richtlinie bietet damit die Chance, Facility Services Verträge künftig unmissverständlicher und damit besser am tatsächlichen Bedarf der Vertragspartner auszurichten. Voraussetzung dafür ist aber auch weiterhin eine fachkundige, sachorientierte und vor allem individuelle Kommunikation zwischen den Parteien.
 

In Bezug auf die Wahrnehmung der Betreiberverantwortung ist seit vielen Jahren eine Vielzahl von Hilfsmitteln und Erfahrungswerten in der Branche verfügbar. Die Richtlinie GEFMA 190 – Betreiberverantwortung im FM aus dem Jahr 2004 war von Anfang an ein wichtiger Bestandteil der Diskussion über die Rechtskonformität des Gebäudebetriebs. Mit der Neufassung der GEFMA 1901 sind zahlreiche Erkenntnisse und Entwicklungen der letzten Jahre aufgegriffen und in die Richtlinie integriert worden. So ist jetzt z. B. eine klarere Unterscheidung zwischen den Aufgaben der beauftragten Dienstleister in Bezug auf den rechtskonformen Betrieb der Technischen Gebäudeausstattung einerseits und den Aufgaben der Auftraggeber in ihrer Rolle als Arbeitgeber (Arbeitsschutz) andererseits möglich. Aber auch die Frage, welche Verbindlichkeit Vorgaben unterschiedlicher Regelwerke für die Compliance im Gebäudebetrieb haben, wird deutlicher. Mit den ebenfalls im GEFMA-Richtlinienwerk verankerten sogenannten Konformitätsleveln können Einsparpotenziale bei Art und Umfang der beauftragten Leistungen eindeutiger erfasst werden oder Sondersituationen wie Kurzarbeit, pandemiebedingte Leistungsanpassungen etc. besser im Rahmen von Service Levels beschrieben werden.

 

Das weiterentwickelte Verständnis der Branche zum Umgang mit der Betreiberverantwortung bildet sich somit im aktuellen Richtlinienwerk der GEFMA sehr gut ab. Konsequenterweise stellt sich damit die Frage, ob und inwieweit sich diese Entwicklungen in den Verträgen über Facility Services und dabei vor allem in den TGM-Verträgen widerspiegeln sollten. Denn klar ist, dass in diesem Bereich nach wie vor Handlungsbedarf besteht.

 

Handlungsbedarf zur Weiterentwicklung von FM-Verträgen besteht nach wie vor

Auch – oder gerade – mehrere Generationen von FM-Musterverträgen haben an der unzureichenden Sensibilität weiter Teile der Branche für die Notwendigkeit individuell angepasster FM-Verträge nichts geändert. Viele Auseinandersetzungen im FM eskalieren, aber kein Streit wird gerichtsanhängig (außer die häufig unangemessen hohen Forderungen wegen unterlassener Instandhaltung von Immobilieneigentümern zum Auslaufen von Sale-and-lease-back-Verträgen). In der Praxis werden Unstimmigkeiten im laufenden Vertragsverhältnis durch Zugeständnisse (mehr bzw. anderes Personal hier, zusätzliche Vergütung dort) außerhalb des bestehenden Vertrags gelöst. Vertragsstrafen oder Bonus-Malus-Regelungen werden häufig nicht genutzt, weil die damit verbundenen Konsequenzen (Vertragsoptimierung durch Weglassen) an anderer Stelle gefürchtet werden. 

 

Erhebungen, wie häufig es zu Störungen bei der Abwicklung von FM-Verträgen kommt, sind bislang nicht ersichtlich. Unsere Beratungspraxis und die Rückmeldungen aus unserem Branchennetzwerk legen allerdings den Schluss nahe, dass Streitigkeiten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer im FM derzeit im Wesentlichen 2 Ursachen haben:

 

Eine Ursache ist sicher der massive Fachkräftemangel auf Dienstleisterseite, der mit vertraglichen Regelungen kaum in den Griff zu bekommen ist und deshalb an anderer Stelle behandelt werden muss.  Die andere, ganz häufig zu beobachtende Ursache ist jedoch, dass vielfach unterschiedliche Vorstellungen über das vereinbarte Leistungssoll bei den Parteien herrschen. Letzteres ist das Ergebnis von unterschiedlichen Erwartungen oder Interpretationen bezüglich der vertraglichen Vereinbarungen. Naheliegenderweise erwartet der Auftraggeber vom Auftragnehmer dabei meist mehr, als dieser vermeintlich bei Angebotsabgabe in den (endverhandelten) Preis einkalkuliert hat. Häufig werden in diesem Zusammenhang ambitionierte Einkaufsabteilungen für eventuelle Schieflagen verantwortlich gemacht. Das geht aber in den meisten Fällen an der Sache vorbei, weil das Problem eben vielfach gerade nicht am Preis als solchem liegt, sondern an der jeweiligen Preisposition mit dem verbundenen Leistungsinhalt. Wären hier die jeweiligen Erwartungen klarer kommuniziert und folglich Missverständnisse weniger wahrscheinlich, würden Schieflagen bei der Vertragsabwicklung bereits in den Preisverhandlungen transparent werden.

 

Moderne FM-Verträge als Chance

FM-Verträge können gerade auf der Grundlage des weiterentwickelten Konzepts zur Wahrnehmung der Betreiberverantwortung, wie es in der überarbeiteten Fassung der GEFMA 190 beschrieben ist, helfen, die Erwartungshaltung der Vertragsparteien besser zu synchronisieren. Das setzt allerdings voraus, dass bei der Vertragserstellung bestimmte Klauseln oder Anhänge intensiver diskutiert werden als bisher. Dabei können selbstverständlich auch künftig Musterverträge oder die Nutzung von Vertragsgeneratoren2 sehr hilfreich sein. Sie sollten lediglich besser an die Erwartungshaltung der jeweiligen Vertragsparteien angepasst werden.

 

In der Praxis bedeutet das, dass sich zunächst die Auftraggeber über die potenziellen Szenarien ihrer Nachfrage klar werden sollten. Rechnet der Auftraggeber z. B. mit schwankendem Bedarf an FM-Leistungen während der Laufzeit etwa wegen konjunktureller Entwicklungen, Lieferengpässen, umfangreichen Modernisierungsmaßnahmen, Abverkauf von Objekten oder weiterhin mit Folgen der Pandemie etc., kann das im FM-Vertrag berücksichtigt werden. Alle diese Fälle können bei der Konzeption einer Ausschreibung vorgedacht und ihre Konsequenzen bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden. Denn solche Themen sind tatsächlich mehr Fragen der vertraglichen Regelungen (Preisanpassung, Haftungsverlagerung, Personalvorhaltung etc.) und weniger Teil der meist vom FM-Consultant entwickelten Leistungsbeschreibung.

 

Weiterhin sollten sich die Auftraggeber Klarheit darüber verschaffen, ob die potenziellen Szenarien womöglich einen Einfluss auf die gewünschte Leistungstiefe haben. Sollen etwa in Zeiten von Kurzarbeit ausschließlich Leistungen erbracht werden, die gesetzlich zwingend gefordert sind und in „normalen” Zeiten auch Leistungen, die weniger rechtlich gefordert sind, sondern eher auf einen reibungslosen Betrieb einzahlen? Oder ist es im Gegenteil so, dass z. B. in Zeiten von Kurzarbeit liegen gebliebene Aufgaben nachgeholt werden und damit ein erhöhter Einsatz vom TGM-Dienstleister erwartet wird?

 

Fazit – GEFMA 190:2022 unterstützt die Gestaltung besserer FM-Verträge.

Selbstverständlich können nicht alle denkbaren Entwicklungen während der Laufzeit eines FM-Vertrags vorausgedacht und in Verträgen umgesetzt werden. Aber auf der Grundlage des weiterentwickelten Konzepts der Betreiberverantwortung in der aktuellen GEFMA 190:2022 können zumindest gut durchdachte Anforderungen und Szenarien der Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer im FM jetzt noch klarer beschrieben und vereinbart werden. Wenn eine gute Konzeptionierung der FM-Ausschreibung erfolgt und darauf aufbauend effektive, aber dennoch individuelle Verträge erstellt werden, sind gute Voraussetzungen für eine reibungslose Vertragsabwicklung im Sinne der effektiven Wahrnehmung der Betreiberverantwortung geschaffen. Wenn dann auch noch eine hohe Bereitschaft zum anhaltenden und konstruktiven Dialog zwischen den Parteien besteht, sind entscheidende Hürden für die Compliance im Gebäudebetrieb und die Nutzerzufriedenheit genommen.

 

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1 Siehe auch „Betreiberverantwortung 2.0 im FM” in Der Facility Manager März 2022.
2 Siehe auch „Erfolgstool „Vertragsgenerator” – (Miet-)Verträge rechtssicher und per Mausklick generieren” in Fokus Immobilien November 2022.

 


 

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