Aktuelle Entwicklungen in der polnischen EE-Branche

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​​​​veröffentlicht am 23. Februar 2023



Windkraftanlagen - Liberalisierung der 10H-Regel

Nach vielen Monaten, ja Jahren des Wartens fand im polnischen Sejm die erste Abstimmung über den Entwurf der Regierung zur Änderung des Gesetzes über Windenergieinvestitionen statt. Wie der Premierminister ankündigte, wird die Verabschiedung der Änderungen des Windkraft-Investitionsgesetzes Polen in die Lage versetzen, seinen ersten Antrag auf Zahlungen aus dem EU-Haushalt im Rahmen des "Nationalen Wiederaufbauplans" zu stellen. Der Gesetzentwurf ist daher von zentraler politischer Bedeutung. Der Gesetzentwurf ist sehr umstritten und löst eine lebhafte öffentliche Debatte aus. Es ist davon auszugehen, dass der Senat das Gesetz, selbst wenn es vom Sejm verabschiedet wird, noch einmal gründlich überarbeiten wird. 

Abstand der Windkraftanlage zu Gebäuden

Der Entwurf der Gesetzesänderung sieht eine wichtige Änderung der Vorschriften für die Standortwahl von Windkraftanlagen vor. Auf der Grundlage eines örtlichen Raumordnungsplans kann eine Gemeinde für den Bau einer Windkraftanlage einen Mindestabstand von 700 Metern zur nächstgelegenen Wohn- und Mischbebauung festlegen. Dies ist eine Abweichung von der bisherigen starren Regelung, nach der die Aufstellung einer Windkraftanlage nur in einem Abstand von der zehnfachen Gesamthöhe der Windkraftanlage zu Gebäuden zulässig war. 

Es sei darauf hingewiesen, dass der ursprünglich vorgeschlagene Mindestabstand 500 Meter betrug. Diese Option wurde jedoch im Parlamentsausschuss geändert und auf 700 Meter festgelegt. Die Änderung wird von Experten stark kritisiert.  Schätzungen zufolge könnte dies das Potential der neuen Projekte  um etwa die Hälfte reduzieren. Nach einer vorgestellten Berechnung der Windbranche bedeutet die Änderung des Mindestabstands von 500 Metern auf 700 Meter eine Verringerung der gesetzlich zulässigen Fläche für Aufstellung der Windräder um bis zu 44 Prozent.

Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass nach den vorgeschlagenen Änderungen die Ansiedlung von Windkraftanlagen in Nationalparken, Naturschutzgebieten, Landschaftsparks und Natura 2000-Gebieten verboten ist: Bei der Ansiedlung von Windkraftanlagen in Nachbargebieten muss der Abstand der Anlage zur Grenze des Nationalparks mindestens das Zehnfache ihrer Höhe betragen, während der Mindestabstand zu einem Naturschutzgebiet nur 500 Meter betragen soll. 

Räumliche Planung

Der Entwurf zur Liberalisierung des Abstandsgesetzes, der derzeit im Sejm behandelt wird, geht davon aus, dass Windenergieanlagen nur auf der Grundlage eines lokalen Entwicklungsplans angesiedelt werden können, d.h. er behält das 2016 eingeführte Prinzip bei. Dies wird von den Stadtplanern begrüßt, schränkt jedoch das Potenzial für die Entwicklung der Windenergie erheblich ein. Ein großer Teil Polens ist noch nicht durch lokale Raumordnungspläne abgedeckt; vor 2016 wurden die meisten Windkraftanlagen auf der Grundlage eines Bauvorbescheides errichtet.    

Reservierung eines Teils der Windenergieerzeugungskapazität für kommunale Zwecke

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass der Entwickler einer Investition, die den Bau einer Windkraftanlage beinhaltet, mindestens 10 % der installierten Kapazität der Windkraftanlage, die Gegenstand der Investition ist, für einen Zeitraum von 15 Jahren, gerechnet ab der ersten Energieerzeugung, den Einwohnern der Gemeinde zur Verfügung stellt. 

Gemäß der Novelle muss der Erzeuger innerhalb von 30 Tagen nach Rechtskraft der Entscheidung über die Baugenehmigung die Gemeinde, den Bürgermeister oder den Stadtpräsidenten über die wichtigsten Parameter des Kraftwerks, einschließlich der höchstzulässigen Leistung, informieren. Sobald diese Daten vorliegen, wird die Gemeinde ihren Einwohnern die Möglichkeit geben, "Strom zu abonnieren", allerdings nicht mehr als 2 kW pro Einspeisepunkt. Innerhalb von 90 Tagen nach Abschluss der Registrierung unterzeichnet der Entwickler einen Vertrag mit einem virtuellen Prosumenten, der sich aus den Einwohnern der Gemeinde zusammensetzt, die sich registriert haben.  Die Kosten für die Übernahme eines Anteils an der installierten Leistung der Windkraftanlage sind das Produkt aus diesem Anteil, ausgedrückt in kW, und den Kosten für den Bau der Windkraftanlage, die nach der gesetzlichen Formel berechnet werden. 

Die vorgenannten Bestimmungen über die Bereitstellung eines kommunalen Anteils an der Windenergiekapazität gelten nicht für Projekte, für die vor dem 2. Juli 2024 ein Planfeststellungsbeschluss ergangen ist.

Geplante Liberalisierung der Regeln für den Bau von Direktleitungen und Ermöglichung des so genannten "Kabelpoolings".

Nach einer langen Vorbereitungszeit soll sich der polnische Parlament mit Änderungen des Gesetzes zur Liberalisierung des Direktleitungsbaus befassen. Der Verfasser der Änderungsentwürfe ist das Ministerium für Klima und Umwelt. 

Eine Direktleitung ermöglicht es, Energie z. B. aus einer Windkraftanlage unter Umgehung des öffentlichen Stromnetzes an einen Verbraucher (z. B. eine Fabrik, Büros, Lager) zu liefern. Die Lösung wäre für inländische Unternehmen von großer Bedeutung. Dies würde ihnen die Möglichkeit geben, günstigen Strom direkt von dem Erzeuger zu erwerben, ohne dabei die Netzentgelte entrichten zu müssen. Die derzeitigen Vorschriften in diesem Bereich machen solche Projekte in der Praxis unmöglich. Daher die Notwendigkeit von Veränderungen.

Mit der Novelle des Energiegesetzes sollen endlich die Bestimmungen geändert werden, die in der Praxis die Realisierung von Direktleitungen verhindern und damit eine fehlerhafte Umsetzung von EU-Richtlinien darstellen. Die Ermöglichung von Direktleitungen wird sich auf die Entwicklung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen auswirken, das Stromsystem entlasten (insbesondere die überlasteten Verteilungsnetze) und die Wettbewerbsfähigkeit polnischer Unternehmen stärken. 

Bei dem sogenannten „Cable pooling“ sind die Gesetzgebungsarbeiten weniger weit fortgeschritten, aber es ist geplant, die rechtliche Möglichkeit zu schaffen, dass sich zwei unabhängige EE-Erzeugungsquellen einen Stromanschluss teilen können. Diese Lösung ist für Erzeugungsquellen mit unterschiedlichen Erzeugungsprofilen bestimmt und ermöglicht insbesondere den Anschluss von Fotovoltaikanlagen an die derzeit von Windparks genutzten Anschlüsse und umgekehrt. Die von der Wind- und Photovoltaikindustrie befürwortete Lösung würde dem Mangel an verfügbaren Anschlusskapazitäten, insbesondere für Photovoltaikanlagen, abhelfen. Es wird geschätzt, dass die Einführung von Kabelpooling-Bestimmungen den Anschluss mehrerer GW neuer Projekte ermöglichen wird, ohne dass das Stromnetz in größerem Umfang ausgebaut werden muss.

Die oben genannten Änderungen sind notwendig, um die weitere Entwicklung der EE in Polen zu ermöglichen. Polen liegt im europäischen Vergleich auf dem sechsten Platz von hinten liegt, wenn es um den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung geht. Nach Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat werden im Jahr 2021 nur 17,1 Prozent unseres Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien stammen.


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