100 Prozent Erneuerbare Energien in den USA: Ist das möglich?

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Dieser Aufsatz stellt den Auftakt zu einer Reihe von Beiträgen dar, die das Thema Erneuerbare Energien in den USA näher beleuchten sollen. In den letzten Jahren hat sich in diesem Bereich eine Menge getan. Neben neuen Regelungen und Abkommen auf Bundesebene gibt es eine Vielzahl von Plänen und bereits realisierten Projekten in den einzelnen Bundes­staaten. Dadurch ergeben sich auch Markt­chancen für deutsche Unternehmen. Zu Beginn möchten wir einen Überblick über das Potenzial für die Erzeugung Erneuerbarer Energien in den USA vor dem Hintergrund der Größe und Vielfalt des Landes geben. Darauf folgt eine Darstellung der politischen Rahmen­bedingungen im Hinblick auf Erneuerbare Energien, wobei auch kurz auf das Ergebnis der US-Wahlen vom 8. November 2016 eingegangen wird. Weitere Beiträge werden insbesondere die Situation in einzelnen Bundesstaaten behandeln.

 

Island als Vorbild?

Um sich einer Antwort auf die im Titel gestellte Frage zu nähern, lohnt es sich aus Sicht der USA, zunächst einen Blick über den „großen Teich” nach Island zu werfen. Der Inselstaat ist Vorreiter in Sachen Erneuerbare Energien, ihr Anteil an der Energieproduktion beträgt rund 85 Prozent. Den darüber hinaus erforderlichen Energiebedarf deckt Island (noch) mit fossilen Brennstoffe – im Wesentlichen im Transport­sektor. Ist eine solche Entwicklung auch in den USA denkbar, wo der Anteil der Erneuerbaren Energien 2015 rund 13 Prozent betragen hat? Wäre es sogar möglich, vollständig auf Erneuerbare Energien umzusteigen? Zwei eingangs erwähnte Aspekte möchten wir dahingehend näher untersuchen. Welches Potenzial für die Erzeugung von Erneuerbaren Energien ist in den USA hinsichtlich der geologischen, klimatischen und geografischen Gegebenheiten vorhanden? Zu berücksichtigen ist hierbei die Größe des Landes sowie damit verbundene Transportprobleme bzw. -kosten für die erzeugte Energie. Zudem werden wir darstellen, wie es um die politischen Rahmen­bedingungen im Hinblick auf die Förderung und Nutzung der Erneuerbaren Energien steht.

 

Grundvoraussetzungen für die Nutzung von Erneuerbaren Energien in den USA

Um das Potenzial für die Erzeugung von Erneuerbaren Energien näher zu untersuchen, wird das Territorium der USA (ohne Alaska und nicht zum Festland gehörende Gebiete) in vier Regionen aufgeteilt.

 

     

Abbildung 1: Vier Regionen der USA

 

Das Rocky Mountain Institute, eine Nichtregierungs­organisation mit dem Ziel, die nachhaltige Nutzung von Ressourcen zu fördern, hat unter Berufung auf Studien namhafter Institutionen wie dem MIT (Massachusetts Institute of Technology) das Potenzial für die Erzeugung Erneuerbarer Energien in den USA untersucht. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass das Potenzial Erneuerbarer Energien die von der U.S. Energy Information Administration für das Jahr 2040 prognostizierte Menge an produziertem Strom in den USA um ein Vielfaches übertrifft. Der prognostizierten produzierten Strommenge von 5.060 TWh pro Jahr steht ein Potenzial von 146.854 TWh pro Jahr gegenüber.

Dabei ist hervorzuheben, dass in allen vier Regionen der USA das Potenzial vorhanden ist, den Bedarf durch Erneuerbare Energien um ein Mehrfaches abzudecken. Diese Feststellung ist vor dem Hintergrund von Bedeutung, dass eine Konzentration in einer Region zu möglicherweise unüberwindbaren Transport­problemen und hohen Transportkosten für die Energie führen könnte.

Auf die Regionen verteilen sich die für das Jahr 2040 prognostizierte Stromerzeugung und das Potenzial wie folgt:

 

 

Tabelle 1: Stromerzeugung im Jahr 2040 und Potenzial

 

In Region II hat die Geothermie mit einem Anteil von fast 50 Prozent das größte Potenzial, gefolgt von Solarenergie und Onshore-Windenergie. Region III hat das größte Potenzial im Bereich der Onshore-Windenergie, gefolgt von Geothermie und Solarenergie. Die Regionen I und IV ähneln sich mit dem größten Potenzial für Offshore-Windenergie und Geothermie, gefolgt von der Solarenergie.

Dass das vorhandene Potenzial bei den Erneuerbaren Energien erkannt und vor dem Hintergrund der noch zu erläuternden politischen Rahmenbedingungen auch genutzt werden soll, ergibt sich aus Prognosen der U.S. Energy Information Administration. Die Entwicklung des Anteils der Erneuerbaren Energien und anderer Energieträger am produzierten Strom bis zum Jahr 2040 gibt folgende Tabelle wieder.

 

 

Tabelle 2: Stromerzeugung durch Erneuerbare Energien (EE) und fossile Energieträger

 

Bis zum Jahr 2025 wird damit ein Anstieg der Produktion bei den Erneuerbaren Energien um rd. 86 Prozent und bis zum Jahr 2040 dann nochmals um rd. 35 Prozent prognostiziert. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bei längeren Prognosezeiträumen die Unsicherheiten zunehmen, ist hier doch ein Trend klar erkennbar: eine Abnahme der Nutzung von Kohle und Öl sowie ein starker Anstieg bei den Erneuerbaren Energien.

 

Politische Rahmenbedingungen

Wie sieht es nun mit den politischen Rahmenbedingungen für die Förderung und Nutzung der Erneuerbaren Energien in den USA aus? Seit dem am 11. Dezember 1997 unterzeichneten und am 16. Februar 2005 in Kraft getretenen Kyoto-Protokoll, welches die USA als einziges Land nicht ratifiziert haben, hat sich einiges getan. Als Meilensteine sind der American Recovery and Reinvestment Act von 2009, der Clean Power Plan von 2015 sowie die Absichtserklärung der NAFTA-Staaten USA, Kanada und Mexiko vom Juni 2016 anzusehen. Die NAFTA-Staaten haben sich darauf geeinigt, bis zum Jahr 2025 50 Prozent der Energieerzeugung mit Erneuerbaren Energien zu bestreiten. Es handelt sich sicherlich um ambitionierte Ziele und nach dem Ergebnis der Präsidentschaftswahlen am 8. November 2016 wird nach den bisherigen Äußerungen von Donald Trump kein glühender Verfechter der Erneuerbaren Energien in das Weiße Haus einziehen. Aber auch wenn mit Scott Pruitt ein Kandidat für die Leitung der Umweltschutzbehörde nominiert wurde, der in seiner Position als Generalstaatsanwalt von Oklahoma durch Klagen gegen diese Behörde von sich Reden gemacht hat, wird die bisherige Entwicklung nicht völlig rückgängig gemacht werden können und die Nutzung von Erneuerbaren Energien wird auch in den USA voranschreiten. Gehemmt werden kann diese Entwicklung wie in anderen Ländern auch vor allem durch die vermeintlich geringeren Gestehungskosten bei den fossilen Energieträgern und dem damit verbundenen Widerwillen der Bevölkerung, einen höheren Preis für Energie zu bezahlen, solange günstigere verfügbar ist.

 

Chancen für deutsche Unternehmen

Angesichts des vorhandenen Potenzials für Erneuerbare Energien wird deutlich, dass die Möglichkeiten für deutsche Unternehmen in den USA unter anderem aufgrund des Erfahrungs­vorsprungs groß sind. Sicherlich haben Unternehmen aus der Branche in den vergangenen Jahren und auch in jüngster Zeit Rückschläge hinnehmen müssen. Zukünftig wird jedoch auch unter Berücksichtigung von Prognosen der US-Behörden die Nutzung von Erneuerbaren Energien einen immer größeren Anteil an der Energie­versorgung haben. Sicherlich sollte man die weitere Entwicklung unter der neuen Regierung sorgfältig beobachten, aber eine vollständige Revidierung der Prognosen und eingeleiteten Entwicklung wäre doch sehr verwunderlich. Marktchancen ergeben sich vor allem in den Segmenten Geothermie, Wind- und Solarenergie. Deutsche Unternehmen sind bereits äußerst erfolgreich in den USA tätig und decken mit Projektentwicklung/Realisierung, Services und Energiehandel wesentliche Teile der Wertschöpfungskette bei den regenerativen Energien ab. Der Markteinstieg in den USA ist sorgfältig zu planen. Unter anderem aufgrund der Tatsache, dass man es mit 50 Bundesstaaten zu tun hat, gibt es hier keine Standardlösung. Schon hinsichtlich staatlicher Förderungen sieht man sich einer Vielzahl von Programmen auf Bundesebene und Bundesstaaten­ebene gegenüber. Neben Steuervergünstigungen auf Bundes­ebene („tax credits”) sei als Beispiel für eine Förderung auf Bundesstaatenebene das Programm „Tax Exemption for Large-Scale Renewable Energy Projects” in Kentucky genannt. Im Rahmen dieses Programms können bis zu 100 Prozent der gezahlten Umsatzsteuer („Sales and Use Tax”) bei der Verwirklichung eines Projekts erstattet werden.

 

Fazit

Die im Titel gestellte Frage kann nach den obigen Ausführungen eindeutig mit ja beantwortet werden. Aufgrund des in den USA vorhandenen Potenzials für Erneuerbare Energien ist es ohne weiteres möglich, die Energieversorgung mit fossilen Brennstoffen vollständig einzustellen. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass in den USA ein Umdenken stattfindet und die Um­stellung auf Erneuerbare Energien an Fahrt aufnimmt. Diese Entwicklung dürfte auch durch die neue Regierung allenfalls zu bremsen, aber nicht mehr aufzuhalten sein, wobei eine vollständige Versorgung mit Erneuerbaren Energien zwar wünschenswert, aber sicherlich noch lange auf sich warten lassen wird. In jedem Fall sind Markchancen für deutsche Unternehmen schon jetzt vorhanden. Der Markteinstieg muss aber sorgfältig geplant werden.

 

zuletzt aktualisiert am 11.01.2017

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Dr. Ullrich Kämmerer

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