Die Kunst der Adaption

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veröffentlicht am 1. Juni 2021 / Lesedauer ca. 3 Minuten
 

„Globisch” ist eine Bezeichnung für das im weltweiten Austausch von Menschen aus unterschiedlichsten Ländern gesprochene Englisch. Es ist die Sprache der Glo­ba­lisierung; und eine der Voraussetzungen für fast alle, die auf internationalen Märkten agieren, Geschäftspartner suchen, Verhandlungen führen. Ein deutschsprachiger Prospekt oder eine für das heimische Publikum gestrickte Internetseite sind für viele potenzielle Kunden im Ausland ein ebensolches Rätsel wie ein japanischer. Also braucht man Englisch, zumindest in seiner globischen Form.

Dr. Marcus Knupp (GTAI) kommentiert

Dr. Marcus Knupp (Jahrgang 1966) ist Dipl.-Volkswirt und Dipl.-Geograph. Er widmet sich seit 2003 der Außenwirtschaftsförderung. Nach Einsätzen in Nahost, der Türkei und Frankreich ist er seit 2017 Korrespondent für das südliche Afrika bei „Germany Trade & Invest” (GTAI), der Außenwirtschaftsagentur der Bundesrepublik Deutschland.
  

 

Nun gibt es auf der Welt ohne Beachtung der zahlreichen Dialekte und Varianten rund 7.000 Sprachen. Darin schwingen unterschiedliche gedankliche Konzepte, Bewertungs- und Denkstrukturen. Auf die Ökonomie übertragen heißt das: Jeder Markt ist anders. Und Menschen in allen Weltgegenden haben für den eigenen Markt seit jeher Lösungen sowie Produkte entwickelt und hergestellt, die den regionalen Gegebenheiten, den lokalen Bedürfnissen und den eigenen Fähigkeiten entsprechen. Ergebnis war jeweils eine überschaubare Palette mehr oder weniger gut angepasster Waren. Verständigung in der Landessprache, um im Bild zu bleiben, mit geringem Input an Ideen von außen.
 
Treten verschiedene Regionen in Kontakt, kommunizieren und tauschen Güter aus, ändert sich diese Situation. Den Konsumierenden steht nun potenziell eine größere Auswahl an Gütern zur Verfügung. Mehr Wettbewerb und das Ausnutzen von Kostenvorteilen führen zudem oft zu niedrigeren Preisen. Den Produzierenden öffnen sich zusätzliche Absatzgebiete. Größere Stückzahlen ermöglichen in vielen Fällen eine rationellere Fertigung und damit eine bessere Wettbewerbsposition.
 
Soviel sei in Grundzügen zu den Charakteristika einer lokalen und einer globalen Wirtschaft gesagt. Die Realität ist meistens komplizierter. Zu den Bedürfnissen und Vorlieben der Verbraucher kommen Standards und Vorschriften, Patente und Gebrauchsmuster, lokale Handels- und Rechtsbestimmungen. Protektionis­tische Politik, Zoll- und Einfuhrregime modifizieren den rein ökonomischen Austausch und beschränken den globalen Marktzugang. Neben Ressourcen, Faktorkosten sowie weichen Standortfaktoren entscheiden Local-Content-Regeln über die Wahl des Produktionsstandorts.
 
Transnationale Unternehmen betreiben Fertigungsbetriebe in vielen Ländern. Zum Teil werden die Filialen vor Ort als lokale Unternehmen wahrgenommen. Produktportfolio und Produkteigenschaften unterscheiden sich oft von Markt zu Markt  –  mal grundsätzlich, mal nur in Details. Über das Internet können nicht nur IT-Konzerne ihre Dienste (fast) weltweit anbieten. Potenziell kann heute nahezu jedes Unternehmen einen globalen Kun­den­kreis ansprechen bzw. für ihn sichtbar werden. Auch der Standort von Fabriken ist weniger aussagekräftig als früher. Viele industrielle Produkte bestehen aus Teilen und Komponenten unterschiedlichster Herkunft.
 
Weltweit lässt sich in den letzten Jahrzehnten zudem eine Konvergenz von Konsummustern beobachten. Das heißt, die konsumierten Waren werden einander tendenziell ähnlicher. Immer mehr Menschen sprechen Globisch. Für Unternehmen bedeutet das: zusätzliche Nachfrage aus neuen Märkten im Sinne der Glo­ba­li­sierung. Es kann aber auch dazu führen, dass die eigenen Produkte sich mehr und mehr an einem globalen Durchschnitt orientieren und damit weniger passgenau für den einzelnen Markt sind.
 
Was ist also global und was lokal? Die Grenzen verschwimmen. Schon in den 1990er-Jahren hat der Soziologe Roland Robertson den Begriff Glokalisierung für diesen Zwischenzustand eingeführt. Ein klassisches Beispiel ist die lokale Fertigung von auf den jeweiligen Markt zugeschnittenen Fahrzeugmodellen durch einen global agierenden Automobilkonzern, der dabei auf einheitliche Komponenten zurückgreift und so die daraus resultierenden Einsparungen nutzen kann. Die technische Entwicklung, v.a. in Bereichen wie Kommunikation und Logistik, hat seither eine Vielzahl weiterer denkbarer Formen von Glokalisierung geschaffen und gleichsam eine größere Zahl von Landessprachen ins Spiel gebracht. Bei ihrer Anpassung an die lokale Nachfrage setzt Glokalisierung im ursprünglichen Sinn an, eventuell produziert in speziell dieser Form im Absatzland.
 
Dabei gilt als Maxime: Das Wissen ist vor Ort. Je genauer Anbieter den lokalen Bedarf verstehen, desto passender kann das Angebot sein. Der Schlüssel dazu liegt manchmal im Produkt, manchmal aber auch in den Vertriebswegen oder bei Marketing und Kommunikation. Insbesondere Aspekte wie After-Sales-Service und Schulungen werden im lokalen Kontext relevant. Bisweilen ist die Lösung erstaunlich (und) einfach. Für einige afrikanische Länder können nach hiesiger Sicht „veraltete“ technische Geräte genau richtig sein. Die bewährte Technik ist oft robuster und kann v. a. mit lokalen Mitteln in Stand gehalten oder repariert werden. Techno­logisch verspieltere Märkte brauchen dagegen hauptsächlich die letzte elektronische Steuerung mit modischem Interface.
 
Die eigene Technologie bleibt dabei die gleiche. Sie wird jedoch gleichsam in verschiedene Sprachen über­setzt. Die Sprachen zu verstehen, ist eine wichtige Voraussetzung, um sich auf dem Feld der Glokalisierung erfolgreich zu bewegen. Das zielgenaue Angebot kombiniert mit der auf Dauer angelegten lokalen Verankerung ist der Ansatz, um sich gegenüber oft billigeren Einheitsprodukten zu etablieren. Gerade an der Stelle können die deutschen Mittelständler punkten.

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