Das Inflationsausgleichsgesetz – ein steuerlicher Baustein auf dem Weg durch die Krise

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veröffentlicht am 7. Dezember 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Mit dem Gesetz zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Inflationsausgleichsgesetz – InflAusG) versucht der Gesetzgeber, zumindest die steuerlichen Folgen der aktuellen Rekord-Inflation auszugleichen. Er kommt hierbei insbesondere auch den Verpflich­tungen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherstellung des Existenzminimums nach.



Ein Teilbereich des Gesetzes wurde dem Gesetzgeber bereits durch das Bundesverfassungsgericht ins Pflich­ten­heft geschrieben: Zur Sicherstellung des Existenzminimums ist die Bundesregierung zur regelmäßigen Prü­fung und Anpassung derjenigen Beträge verpflichtet, die dieses Existenzminimum von der Besteuerung frei­stellen. Da betrifft den Grundfreibetrag, den Kinderfreibetrag und das Kindergeld. Dem dient der Existenz­minimumbericht der Bundesregierung (zuletzt 5. Steuerprogressionsbericht und 14. Existenzminimum­bericht), der alle zwei Jahre zu erstellen ist und aus dem der Anpassungsbedarf abgeleitet und gesetzgeberisch um­ge­setzt wird. Bei hoher Inflation ergibt sich ein umfangreicheres Anpassungspotenzial. Es ist daher richtig, dass die entsprechenden Anpassungsbeträge für 2023 und 2024 im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nochmals angepasst wurden, um der im Jahr 2022 zu beobachtenden stetigen Steigerung der Inflationsraten Rechnung zu tragen.

Das Hinausschieben der Eckwerte des Einkommensteuertarifs (neben dem Grundfreibetrag die Schwelle zur obersten Progressionsstufe) einschließlich der Freigrenze für die Erhebung des Solidaritätszuschlages dient dagegen dem politisch schon vielfach diskutierten Abbau der sog. kalten Progression. Nominale Einkommens­erhöhungen, die nur den realen Wertverlust aufgrund der Inflation ausgleichen, führen in unserem Einkommen­steuersystem das rein nominale Werte berücksichtigt zu einer relativ höheren Steuerbelastung, da eine höhere Steuerprogression erreicht wird, ohne dass das Einkommen des Steuerpflichtigen real steigt. Im Extremfall droht in Zeiten einer Hochinflation eine stetige Minderung der Leistungsfähigkeit der Steuer­pflichtigen durch den Steuerzugriff des Staates. Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gebietet es daher, übermäßige Folgewirkungen des nominalen Steuersystems gerade in einer Hochinflations­phase auszugleichen, auch um die Leistungsbereitschaft in der Wirtschaft und bei Arbeitnehmern aufrecht zu erhalten. Da aber von einer Verschiebung der Tarifeckwerte auch obere Einkommensgruppen profitieren, und das auch noch absolut in größerem Umfang als Geringverdiener, ist die Maßnahme sozial- und verteilungs­politisch nicht unumstritten. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, zwar auch die Grenze zum Spitzensteuersatz anzupassen, aber die Schwelle für die Erhebung der Reichensteuer zu belassen, um dadurch einen gewissen Ausgleich zu schaffen.

Die Regelungen im Detail:


Anpassung des Einkommensteuertarifs

Nach der bereits unterjährig vorgenommenen Erhöhung des Grundfreibetrags durch das Steuerentlastungs­gesetz 2022 – rückwirkend zum 1. Januar 2022 – erfolgen beim Einkommensteuertarif zum Ausgleich der sog. kalten Progression und zur Sicherstellung des steuerfreien Existenzminimums weitere Anpassungen. Der Grund­frei­be­trag für Alleinstehende steigt für 2023 um 561 Euro auf 10.908 Euro, bei Zusammenveranlagung steigt der Grundfreibetrag auf 21.816 Euro. Für das Jahr 2024 ist eine weitere Erhöhung des Grundfreibetrags auf dann 11.604 Euro bei Einzelveranlagung bzw. auf 23.208 Euro bei Zusammenveran­lagung vorgesehen. Auch die Grenze für den Spitzensteuersatz verschiebt sich: 2023 von bisher 58.597 Euro zu versteuerndem Ein­kom­men auf 62.810 Euro bei Einzelveranlagung bzw. auf 125.620 Euro bei Zusammenveranlagung und 2024 auf 66.761 Euro bei Einzelveranlagung bzw. auf 133.522 Euro bei Zusammenveranlagung. Keine Anpassung erfolgt bei der Grenze für die sog. Reichensteuer.


Erhöhung des Kindergelds und des Kinderfreibetrags

Das Kindergeld beträgt ab 2023 je Kind 250 Euro monatlich. Damit entfällt die Unterscheidung bei der Höhe des Kindergelds nach erstem, zweitem, drittem sowie viertem und weiteren Kindern (bisher: 219 Euro für das erste und zweite Kind, 225 Euro für das dritte Kind sowie 250 Euro (hier erfolgt keine Änderung!) für das vierte und weitere Kinder).

Der Kinderfreibetrag, der den Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf beinhaltet, wird rückwirkend zum 1. Januar 2022 um 160 Euro auf 8.548 Euro (Gesamtbetrag für beide Elternteile) erhöht. Diese Erhöhung wirkt sich nicht mehr beim Lohnsteuerabzug aus, kann jedoch über die Einkommensteuer­erklärung für 2022 geltend gemacht werden (wirkt sich in den Fällen aus, in denen die steuerlichen Aus­wir­kung­en des Kinderfreibetrags günstiger sind, als das Kindergeld). Zum 1. Januar 2023 steigt der Kin­der­frei­be­trag um weitere 404 Euro auf 8.952 Euro und zum 1. Januar 2024 nochmals um weitere 360 Euro auf dann 9.312 Euro.


Anpassungen beim Solidaritätszuschlag

Die Freigrenze, bis zu der kein Solidaritätszuschlag anfällt, wird in zwei Schritten 2023 und 2024 ebenfalls angepasst. Für 2023 wird damit bis zu einer zu zahlenden Lohn- oder Einkommensteuer in Höhe von 17.543 Euro bei Einzelveranlagung (bisher 16.956 Euro) bzw. von 35.086 Euro bei Zusammenveranlagung kein Soli­dari­täts­zu­schlag erhoben. 2024 erhöht sich die Freigrenze nochmals auf dann 18.130 Euro zu zahlende Lohn- oder Einkommensteuer bei Einzelveranlagung bzw. 36.260 Euro bei Zusammenveranlagung.

Hinweis: Ob die Erhebung des Solidaritätszuschlags nach dem Auslaufen des Solidarpaktes 2019 und darüber hinaus nur noch für ca. 10% der bestverdienenden Steuerpflichtigen zulässig ist, darüber wird das Bun­des­ver­fassungs­ge­richt in mündlicher Verhandlung am 17. Januar 2023 verhandeln. Mit einem Urteil wird Ende Januar 2023 gerechnet.



Fazit

Durch das Inflationsausgleichsgesetz machen Bundesregierung und Gesetzgeber einen Schritt zum zumindest steuerlichen Ausgleich der Inflationsfolgen, indem sie den Steuertarif so anpassen, dass das Existenzminimum nunmehr inflationsbereinigt freigestellt wird und die Folgen der kalten Progression - Ausnahme: Reichensteuer! - ausgeglichen werden. Auch Solidaritätszuschlag und Kindergeld bzw. Kinderfreibetrag sind in das Maß­nah­men­pa­ket einbezogen. Von der weiteren Entwicklung der Inflationsrate in 2023 wird abhängen, ob dieses ge­setz­ge­be­ri­sche Ziel erreicht wird oder sich zeitnah weiterer Handlungsbedarf ergibt.

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