Die Bezirksprovision eines Bezirksvertreters: Abdingbarkeit nach deutschem und EU-Recht

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„Hätte ich vorher gewusst, wie alles enden wird, hätte ich es nie angefangen.” Wenn ein Unternehmer den Vertretungs­auftrag eines Handels­vertreters auf einen Bezirk begrenzt, hat das zur Folge, dass der Handels­vertreter Anspruch auf Provision hat – auch für durch den Unter­nehmer selbst akquirierte Kunden. Ist das gewollt? Diese Frage muss sich der Unternehmer vor Vertragsschluss stellen und für eine klare Regelung sorgen.

 

Die Bezirksprovision

Darf der Handels­vertreter vertraglich nur in einem bestimmten Bezirk tätig werden, ist er nach deutschem Recht ein sog. „Bezirksvertreter". Nach der gesetzlichen Grundvorstellung kann er auch Provisionen für solche Geschäfte verlangen, an deren Abschluss er nicht mitgewirkt hat – die sog. „Bezirksprovision”. Für die Entstehung des Anspruchs auf die Bezirksprovision ist nicht die (Mit-)Kausalität eines Verhaltens des Bezirksvertreters für den Geschäftsabschluss erforderlich, geschweige denn ein im Zusammenhang mit dem Geschäft stehendes Verhalten. Bezirksprovision bedeutet demnach, dass der Handelsvertreter eine Provision für in dem Gebiet getätigte Geschäfte erhält, unabhängig von seinem Tätigwerden.
  

Abdingbarkeit der Bezirksprovision nach deutschem Recht

Die Regelung des § 87 Abs. 2 des Handels­gesetzbuches (HGB), die die sog. Bezirksprovision vorsieht, ist dispositiv. Nach deutscher Rechtsprechung ist es herrschende Meinung, dass – zumindest durch Individual­vereinbarung – eine abweichende Regelung getroffen werden kann, wonach der Handelsvertreter Provision nur für solche Geschäfte erhält, die er auch vermittelt hat.
     

BGH zur Handelsvertreter-Richtlinie

Der Bundes­gerichts­hof hat in seinem Beschluss vom 24. April 2014 (VII ZR 163/13) entschieden, dass sich auch aus der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechts­vorschriften der Mitgliedstaaten betreffend der selbständigen Handels­vertreter („Handelsvertreter-Richtlinie”) für die Dispositionsfreiheit bei der Regelung von Bezirksprovisionen nichts Gegenteiliges ergibt.
      

In genannter Entscheidung verklagte eine ehemalige Handelsvertreterin die Verlegerin einer kostenlosen Werbe­zeitschrift im Wege der Stufenklage auf Auskunft über und Zahlung von Provisions­ansprüchen für Aufträge von Kunden, welche diese erteilt haben, ohne dass die Handels­vertreterin sie vermittelt hatte.
      

Die Parteien hatten der Handels­vertreterin vertraglich einen Bezirk für die Vertretung zum Zwecke der Akquisition von Zeitungsanzeigen und Werbebeilagen übertragen sowie in einer Ergänzungs­vereinbarung für die Vermittlung von Anzeigen und Beilagen für ein weiteres Anzeigenblatt. Eine Vertrags­klausel legte fest, dass die Handels­vertreterin Provision nur für die von ihr während der Vertragsdauer mit Kunden in ihrem Bereich ordnungsgemäß abgeschlossenen Geschäfte erhält. 
      

Abdingbarkeit der Bezirksprovision nach EU-Recht

Laut BGH steht Artikel 7 Abs. 2 erster Gedanken­strich der Handels­vertreter-Richtlinie einer von der Bezirksprovision des Bezirks­vertreters abweichenden Regelung nicht entgegen. Diese Bestimmung regelt kongruent zu § 87 Abs. 2 HGB, dass ein Bezirks­vertreter für ein während des Vertrags­verhältnisses abgeschlossenes Geschäft mit einem Kunden des Bezirks auch ohne sein Zutun Provision erhält.
      

Die Richtlinie bestimmt nicht, dass eine von der Bezirks­provision abweichende Bestimmung nicht getroffen werden kann. Im Gegensatz dazu ist in anderen Bestimmungen der Richtlinie explizit geregelt, dass von ihnen nicht durch Vereinbarung zum Nachteil des Handels­vertreters abgewichen werden kann. Das gilt etwa für die Regelung zur Entstehung der Provision nach Artikel 10 sowie zum Erlöschen des Provisions­anspruches nach Artikel 11. Im Umkehr­schluss ist demnach davon auszugehen, dass Art. 7 Abs. 2 der Handels­vertreter-Richtlinie genau wie § 87 Abs. 2 HGB abbedungen werden kann.
      

Der BGH weist in dem Zusammenhang darauf hin, dass es eine Vorfassung der Handels­vertreter-Richtlinie gegeben habe, wonach die Regelung zur Bezirksprovision zwingend ausgestaltet war, soweit sie für den Handelsvertreter vorteilhaft ist. Die Vorfassung ist jedoch nicht in Kraft getreten. Die jetzige Fassung sieht eine derartige Regelung eben nicht vor.
  

Privatautonomie

Die Entscheidung stellt klar, dass es in der Privat­autonomie der Vertrags­parteien liegt, ob der Bezirksvertreter Anspruch auf die Bezirksprovision hat oder nicht. Möchte der Unternehmer das nicht, dann ist die Regelung vertraglich abzubedingen oder etwa die Provisions­höhe an diesen Umstand anzupassen. Das HGB und die Handelsvertreter-Richtlinie stimmen hierin überein. Wird die Regelung nicht abbedungen, absichtlich oder unabsichtlich, fällt die Bezirks­provision an.
  

Fazit

Genau wie das deutsche Recht, sieht das EU-Recht vor, dass für den Bezirksvertreter grundsätzlich eine Bezirks­provision anfällt. Auch nach EU-Recht ist der Anfall der Bezirksprovision durch Vereinbarung der Vertragsparteien abdingbar. Dem Unternehmer ist zu raten, sich im Fall der Bezirks­vertretung vor Vertragsschluss mit dem Thema auseinanderzusetzen. Gestaltungs­möglichkeiten sind vorhanden – man muss sie nur kennen.
      

zuletzt aktualisiert am 27.07.2016

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Frank J. Bernardi

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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