Europäische Aktiengesellschaft – Struktur für internationale Unternehmen schaffen

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Viele mittelständisch geprägte Unternehmen sind weltweit tätig. Besteht eine internationale Tätigkeit im Europäischen Wirtschaftsraum, kann die Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft, der Societas Europaea (SE) eine sinnvolle Alternative sein.
 
Die Societas Europaea (SE) bietet den in der Europäischen Union ansässigen Unternehmen eine einheitliche Rechtsform, die in allen Staaten der EU/EWR den im Wesentlichen gleichen Regelungen entsprechen. Ein zentraler Punkt bei der Gründung der SE ist die Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Rechtsgrundlage der SE ist die EG-Verordnung 2157/2011 und die Richtlinie 2001/86/EG. In Deutschland trat im Dezember 2004 das SE-Einführungsgesetz in Kraft. Daneben finden die nationalen Regelungen zur Aktiengesellschaft (AG) Anwendung.
 
Die SE kann dualistisch oder monistisch organisiert sein. Das dualistische System entspricht dem deutschen System bei einer AG mit Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat. Das monistische System entspricht dem angelsächsischen System mit einer Hauptversammlung und dem Verwaltungsrat, der über geschäftsführende und nichtgeschäftsführende Direktoren verfügt. Die geschäftsführenden Direktoren unterliegen – im Gegensatz zum Vorstand – den Weisungen des Verwaltungsrats.
 

Gründungsformen

Verschmelzung

Eine SE kann dadurch gegründet werden, dass zwei Aktiengesellschaften aus unterschiedlichen Staaten der EU/EWR verschmelzen. Die Verschmelzung kann zur Aufnahme oder zur Neugründung erfolgen.
 

Holding-Gesellschaft

Eine SE kann durch zwei Gesellschaften aus unterschiedlichen Staaten der EU/EWR, als gemeinsam SE-Holding dieser Gesellschaften gegründet werden.
 

Tochter-SE

Zwei Gesellschaften aus unterschiedlichen Staaten der EU/EWR können gemeinsam eine Tochter-SE gründen.
 

Umwandlung

Eine SE kann durch Umwandlung einer bereits bestehenden Aktiengesellschaft in eine SE gegründet werden. In diesem Fall muss die SE seit mindestens zwei Jahren bestehen und zumindest eine Tochtergesellschaft in einem anderen Staat der EU/EWR haben.
 

Beteiligung der Mitarbeiter

Unabhängig von der Gründungsform müssen die Mitarbeiter am Gründungsprozess beteiligt werden. Dies erfolgt durch die Bildung des „Besonderen Verhandlungsgremiums”. Das Gremium setzt sich aus Vertretern der Mitarbeiter der einzelnen an der SE-Gründung beteiligten Unternehmen zusammen und hat die Aufgabe, mit dem (künftigen) Leitungsorgan der SE die Art der Mitbestimmung auszuhandeln. Soweit eine Einigung nicht fristgerecht erreicht werden kann, gibt es eine „Auffanglösung”. Danach sollen die strengsten derzeit bei einem beteiligten Unternehmen geltenden mitbestimmungsrechtlichen Regelungen zur Anwendung kommen. Hierdurch soll zum einen der Einigungsdruck auf die Leitungsorgane erhöht, zum anderen eine „Flucht aus der Mitbestimmung” verhindert werden. Die einmal getroffene Einigung bleibt sonach unabhängig von der Mitarbeiterzahl bestehen.
 

Fazit

Zunächst haben überwiegend große Konzerne ihre gesellschaftsrechtliche Struktur auf die SE umgestellt, z.B. MAN und Allianz. Aber diese Rechtsform kann auch für mittelständische Unternehmen interessant sein. Durch die Gründung einer SE können Unternehmen in Europa als rechtliche Einheit/Holdinggesellschaft agieren und somit Verwaltungsaufwand verringern und das internationale Ansehen festigen. Des Weiteren wird die Sitzverlegung innerhalb Europas unter Wahrung der Identität ermöglicht. Familienunternehmer können z.B. durch die Wahl des monistischen Systems weiterhin ihren Einfluss auf die Gesellschaft behalten.
 
Die Rechtsform der SE ist durch ihre internationale Anerkennung überdies auch dem Kapitalmarkt leichter zugänglich und fördert Vertrauen, wohingegen die bei mittelständischen Unternehmen beliebte GmbH & Co. KG oft als zu komplex angesehen wird. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer ist durch die Vereinbarung mit dem Besonderen Verhandlungsgremium festgeschrieben und wird durch eine Überschreitung der in Deutschland sonst geltenden Schwellenwerten nicht berührt.
 
Auf der anderen Seite bedeutet die Gründung einer SE zunächst einen organisatorisch und kostenmäßig nicht ganz unerheblichen Aufwand. Die Formalia einer SE sind – wie bei einer AG – streng einzuhalten. Dennoch ist die SE insbesondere für international tätige Unternehmen eine interessante Alternative zur AG und sollte daher von allen Unternehmen, die den Wechsel ihrer Rechtsform in eine AG in Betracht ziehen, in Erwägung gezogen werden.
 
zuletzt aktualisiert am 08.04.2015

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Michael Wiehl

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht

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