Energiewirtschaft: Zunehmender Wettbewerb und nicht absehbare Auswirkungen der Energiewende

PrintMailRate-it

Interview mit Thomas Wust
 

veröffentlicht am 28. Juni 2017

 

 

 

Herr Wust, Sie leiten zusammen mit Ihrem Kollegen Herrn Dr. Reiner Gay das Beratungs­feld Energiewirtschaft bei Rödl & Partner. Geben Sie uns bitte einen Überblick über Ihre tägliche Arbeit und die aktuellen Hot Topics.

Unser Beratungs- bzw. Mandantenumfeld ist aktuell von einer sehr dynamischen Entwicklung erfasst. Angetrieben wird dies auf internationaler Ebene vom Bestreben zur Verbesserung des Klimaschutzes – hier ist als Basis das Pariser Klimaschutzabkommen als Nachfolger des Kyoto-Protokolls zu nennen. Die damit angestrebte Energiewende hat nicht nur international, sondern auch national enorme Auswirkungen für kommunale Energieversorger, Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen, Industrieunternehmen, öffentliche Körperschaften von Bund über Länder bis hin zu Städten und Gemeinden sowie Betreibern von Kraftwerken.


Durch das „weg von” fossilen und dem „hin zu” regenerativen Brennstoffen entstehen neben den klassischen Energieversorgern neue Wettbewerber, die vorher in dieser Form nicht absehbar waren. Jedoch eröffnet das auch den kommunalen Gebietskörperschaften und ihren Tochtergesellschaften erhebliche Chancen, ihre Steuerbelastung zu optimieren. Zu denken ist hierbei insbesondere an die Möglichkeit der Schaffung eines sog. steuerlichen Querverbundes oder auch der Beteiligung an erneuerbaren Energie­projekten wie bspw. Off- oder Onshore-Windparks oder -Solarparks.

 

Sie sprechen das Thema des steuerlichen Querverbundes an. Geben Sie uns bitte einen kurzen Einblick, welche Fragestellungen typischerweise an Sie herangetragen werden und was Sie den Mandanten raten?

Unter dem Begriff des steuerlichen Querverbundes ist der Zusammenschluss zwischen verschiedenen Betrieben gewerblicher Art mittels einer technisch wirtschaftlichen Verflechtung zu verstehen. Den Hauptanwendungsfall bildet die Zusammenfassung von einem Hallen- oder Freibad mit einem Energie­ver­sorgungs­unternehmen mittels eines Blockheizkraftwerkes. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat die einzelnen Voraussetzungen mit einem Schreiben vom 11. Mai 2016 neugefasst und hierbei aus Sicht der Praxis teilweise erhebliche Vereinfachungen geschaffen. So ist bspw. nunmehr auch die Nutzung eines mobilen Blockheizkraftwerkes zulässig, wodurch erhebliches Gestaltungspotenzial bei den kommunalen Gebietskörperschaften entsteht.

  

Des Weiteren hat erst im März diesen Jahres die Oberfinanzdirektion (OFD) Karlsruhe aufbauend auf dem vorgenannten BMF Schreiben eine Arbeitshilfe zu dem Thema verabschiedet. Hierbei hat die OFD Karlsruhe insbesondere deutlich gemacht, dass nicht für jedes Bad ein gesondertes Blockheizkraftwerk erforderlich ist, sondern dass bereits ein einziges Blockheizkraftwerk ausreichend sein kann, um die Verluste sämtlicher Bäder einer kommunalen Gebietskörperschaft mit den Ergebnissen des Energieversorgers verrechnen zu können. Auch stellt die OFD Karlsruhe klar, dass diese Grundsätze ebenso auf andere Einrichtungen, wie bspw. Sporthallen und Kongresshallen, anwendbar sind, sodass sich auch daraus ganz neue Gestaltungs­optionen ableiten lassen.

 

Weiterhin treibt auch die Einführung eines Tax Compliance Management System auf kommunaler Ebene den Markt um.

Das Bundesministerium der Finanzen hat den Anwendungserlass zur Abgabenordnung vor dem Hintergrund der zunehmenden Abgabe fehlerhafter Steuererklärungen erheblich verschärft. Damit nicht automatisch jede objektive Unrichtigkeit von Seiten der Finanzverwaltung den Verdacht einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung nach sich zieht, fordert das BMF die Einrichtung eines „innerbetrieblichen Kontrollsystems”, das die Erfüllung der steuerlichen Pflichten sicherstellen soll.
 

Unter dem Begriff des „innerbetrieblichen Kontrollsystems” versteht man nach den Grundsätzen des Instituts für Wirtschaftsprüfer (IDW) einen auf Einhaltung der Steuergesetze sowie der Steuerrecht­sprechung gerichteten Teilbereich eines Compliance Managements Systems (CMS). Da die kommunalen Gebietskörperschaften i.d.R. bisher nicht über ein solches CMS verfügen, müssen sie ein solches erst implementieren. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Tätigkeiten der kommunalen Gebiets­körper­schaft zutreffend als Betrieb gewerblicher Art qualifiziert sind und auch die damit einhergehenden steuerlichen Pflichten beachtet werden. Da die Finanzverwaltung die Doppik voraussetzt und das Gros der kommunalen Gebietskörperschaften derzeit jedoch noch das kamerale System befolgen, müssen bei der Implementierung des CMS die sich daraus ergebenden Unterschiede ebenfalls berücksichtigt werden.

 

Das bedeutet, dass zwar die Anforderungen an die kommunalen Gebietskörperschaften stetig zunehmen, aber sich im Umkehrschluss auch erhebliche Gestaltungspotenziale zeigen?

Das ist zutreffend. Den kommunalen Gebietskörperschaften wird zunehmend mehr abverlangt als vor einigen Jahren. Begründet wird das zum einen damit, dass der privatwirtschaftliche Wettbewerber auf eine Gleichstellung der kommunalen Gebietskörperschaften mit ihnen insistiert und zum anderen mit dem wachsenden Druck der EU-Kommission. Hier ist bspw. nur die Einführung des § 2b UStG zu nennen, der den § 2 Abs. 3 UStG auf Drängen der EU-Kommission ersetzt.
 

Damit einhergehen jedoch auch erhebliche Gestaltungspotenziale, die es aus Sicht der kommunalen Gebietskörperschaften zu heben gilt.

Kontakt

Contact Person Picture

Thomas Wust

Steuerberater

Partner

+49 911 9193 3629

Anfrage senden

Wir beraten Sie gern!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu