Lebensmittel Online: Rechtliche Rahmenbedingungen und Verantwortlichkeiten für den Handel

PrintMailRate-it
Lebensmittel sind wichtige Wirtschaftsgüter. Es bestehen mittlerweile auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene zahlreiche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die Erzeugung, Herstellung, Vertrieb und Vermarktung dieser Produkte regeln. Fragen, die die Lebensmittelbranche betreffen, sind daher umfassend. Wichtig ist es, sich in diesem Zusammenhang 2 Hauptziele des Lebensmittelrechts vor Augen zu halten: den Gesundheits- und den Verbraucherschutz. Stark vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass – um dem Verbraucher ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und ihm die Wahl zu erleichtern – Lebensmittel zum einen sicher sein und zum anderen eine ausreichende Kennzeichnung aufweisen müssen, die zudem nicht irreführend ist – ebenso wenig wie die Werbung hierfür.
 
Hierbei gilt in allen Mitgliedstaaten das EU-rechtlich verankerte Gebot, dass die Unternehmer die Einhaltung der einschlägigen lebensmittelrechtlichen Vorschriften in Eigenverantwortung sicherstellen müssen. Hierfür sind nicht nur rechtliche Kenntnisse notwendig, sondern auch wissenschaftliche Expertise, um technologisch und naturwissenschaftlich komplexe Sachverhalte erfassen und bewerten zu können. Schließlich ist das Lebensmittelrecht stark von der Regulierung auf EU- und internationaler Ebene geprägt, sodass zur Entwicklung innovative Lösungskonzepte Spezialkenntnisse im Europarecht und im internationalen Recht vorteilhaft sind.
 

Großes Potenzial für den Lebensmittel-Onlinehandel

Die Internet-Revolution macht vor Lebensmitteln keinen Halt. Obwohl derzeit nur ein sehr kleiner Prozentsatz des Lebensmittelmarktes im Netz stattfindet, prognostizieren aktuelle Studien, dass der Online-Handel mit Lebensmitteln in den kommenden Jahren sprunghaft zunehmen wird. So geht die im Juli 2015 veröffentlichte Studie der Marktforschungsfirma GfK zum Thema „E-Commerce – Wachstum ohne Grenzen?” davon aus, dass Lebensmittel und Drogeriewaren in den kommenden zehn Jahren doppelt so viel wie bisher zum Online-Umsatz beitragen werden. Angesichts der Attraktivität dieser Einkaufsform für den Verbraucher ist das nicht verwunderlich:
  • Bequeme Bestellmöglichkeit über Computer, Tablet oder Smartphone,
  • Unabhängigkeit von den Öffnungszeiten, etc.
 
Auch profitiert der stationäre Einzelhandel vom Internet-Informationsangebot, da oftmals eine Informationssuche in Online-Shops dem Kauf im Laden vorausgeht. Durch das Online-Geschäft kann man zudem wesentlich mehr Konsumenten erreichen. Dieses Potential sollten Lebensmittelunternehmer daher nutzen, sei es durch Eröffnung eines zusätzlichen Vertriebskanals oder durch reinen Internet-Handel.
 
Gleichzeitig wirft das jedoch auch die Frage nach den rechtlichen Rahmenbedingungen auf. Denn wer seine Produkte im Internet präsentiert und zum Verkauf anbietet, muss genauso wie beim konventionellen Ladenverkauf die hierfür geltenden Regeln beachten – und zwar sowohl zivilrechtlicher Art als auch hinsichtlich produktbezogener Vorschriften. Hierbei gilt in der EU der Grundsatz der Primärverantwortung der Lebensmittelunternehmer: Sie müssen selbst im Rahmen ihrer Möglichkeiten und des Zumutbaren sicherstellen, dass die einschlägigen rechtlichen Anforderungen eingehalten sind. Dies gilt auch für den Online-Handel. Konkret bedeutet dies: Mit Wissen oder bei Grund zur Annahme einer fehlenden Verkehrsfähigkeit darf kein Händler, einschließlich Fernabsatzhändler, Lebensmittel vertreiben. Diesbezüglich haben Unternehmer eine Erkundigungspflicht. Bei Gesetzesüberschreitungen drohen Haftungsansprüche, Beanstandungen und Sanktionen. Ein rechtliches Grundlagenwissen in Bezug auf die Gestaltung einer Internetpräsenz und den Online-Handel mit Lebensmitteln ist daher äußerst wichtig.
 

Regeln für den Online-Lebensmittelhandel: Sicherheit und Kennzeichnungspflichten

Die wesentlichen Fragen, die sich hierbei stellen, sind:
  • Welche Regeln gelten für den Verkauf von Lebensmitteln im Internet und wer ist für deren Einhaltung verantwortlich, insbesondere, welche verpflichtenden Informationen über Produkte müssen online bereitgestellt werden?
  • Welche Sicherheits- und Hygieneanforderungen sind zu beachten?
 
Grundsätzlich gilt, dass der Lebensmittel-Online-Händler dieselben lebensmittelrechtlichen Regeln einhalten muss wie ein „Tante-Emma-Laden”. So bestimmt die EG-Lebensmittel-Basisverordnung Nr. 178/2002, dass Lebensmittel, die nicht sicher sind, nicht in Verkehr gebracht werden dürfen – auch nicht online. Um entscheiden zu können, ob dies der Fall ist, gibt das Gesetz Prüfparameter an die Hand. Mittlerweile existieren zudem zahlreiche spezifische Bestimmungen, die die Beschaffenheit besonderer Kategorien regeln und bei deren Einhaltung die Lebensmittelsicherheit als gewährleistet gilt. Hierzu zählen bspw. Regelungen über Vitamine, Mineralien und andere ernährungsphysiologische Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen (z.B. mit Probiotika angereicherte Joghurts) sowie über Zusatzstoffe (z.B. Farbstoffe, Süßungsmittel) wie auch Sondervorschriften über Nahrungsergänzungsmittel (z.B. konzentrierte Vitamin- und Mineralstoffmischungen in Pulverform) und sog. neuartige Lebensmittel (z.B. Chia-Samen-Frühstücksmüsli).
 
Die Hauptverantwortung für die verkehrsfähige Zusammensetzung eines Lebensmittels und dessen hygienisch einwandfreie Verarbeitung liegt beim Hersteller bzw. beim Importeur von Lebensmitteln aus Drittstaaten, so auch wenn herstellereigene Lebensmittel online vermarktet werden. Aber auch wenn Händler in eigenen Online-Shops von anderen hergestellte Lebensmittel zum Kauf anbieten (z.B. Online Supermärkte), sollten sie die lebensmittelrechtliche Unbedenklichkeit zumindest stichprobenweise überprüfen und sich vom eigenen Lieferanten die Verkehrsfähigkeit durch geeignete Nachweise bestätigen lassen.
 
Auch das Hygienerecht ist für den Lebensmittel-Onlinehandel relevant: So dürfen bspw. online bestellte Lebensmittel wie Käse, Fisch oder Tiefkühlpizza nicht verdorben beim Verbraucher ankommen, weil etwa die Kühlkette unterbrochen wurde. Um das zu vermeiden, muss auch der Online-Handel ein an HACCP-Kriterien orientiertes Eigenkontrollsystem etablieren. Es kann zudem vorkommen, dass Internet-Händler, deren Lebensmittel sich als unsicher (d.h. gesundheitsschädlich oder verkehrsuntauglich) herausstellen, in Rücknahmefällen, z.B. wenn es infolge der durch den Hersteller erfolgten Rücknahme oder eines Rückrufs notwendig ist, das Angebot der betroffenen Lebensmittelcharge unverzüglich aus dem Online-Shopping-Portal löschen müssen. Daher müssen auch Lebensmittelunternehmer, die ihre Waren im Internet anbieten, deren Rückverfolgbarkeit sicherstellen.
 
Ebenso wichtig sind die Produktinformationspflichten: Grundprinzip ist, dass der Verkäufer von Waren über das Internet den Kunden vor Abschluss des Vertrages über die wesentlichen Produktmerkmale informieren muss. Besondere Informationspflichten regelt die EU-Lebensmittelinformations-Verordnung Nr. 1169/2011, die für den Online-Verkauf von vorverpackten Lebensmitteln dieselben Kennzeichnungspflichten vorsieht wie für den Ladenverkauf. Dies bedeutet, dass alle Informationen, deren Angabe auf Lebensmitteletiketten verpflichtend sind (mit Ausnahme des Mindesthaltbarkeitsdatums oder des Verbrauchsdatums) schon vor Abschluss des Kaufvertrages im Internet vom Anbieter bereitgestellt werden müssen und zwar vollständig, lesbar und in der Sprache des Vermarktungsstaates (bloße Produkt-Präsentationen ohne Kaufangebot im Internet sind davon ausgenommen). Die Verantwortung hierfür liegt beim Eigentümer der Webseite.
 
Die Vorschriften sollten vom Online-Handel ernst genommen werden, da im Falle von Überschreitungen Beanstandungen und Verbote drohen. So hat das LG Berlin bspw. in seinem Urteil vom 12. Juni 2015 eine einstweilige Verfügung bestätigt, wonach dem Betreiber eines Online-Portals untersagt wurde, vorverpackte Lebensmittel anzubieten, ohne hierfür bestimmte verpflichtende Information, u.a. über allergene Zutaten, auf dem Online-Portal anzugeben.
 

Überwachung des Lebensmittel-Onlinehandels

Rein rechtlich gibt es keine Unterschiede in der Kontrolle von Online-Shops und konventionellen Lebensmittelunternehmen. Auch Lebensmittel-Online-Händlern obliegt daher die Pflicht zur Registrierung bei der zuständigen Überwachungsbehörde, womit sie automatisch der amtlichen Lebensmittelkontrolle unterliegen. Freilich stellt der Internethandel, bei dem Betriebe nur virtuell erreichbar sind, für die Lebensmittelkontrollbehörden eine besondere Herausforderung dar. Darauf hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) reagiert und eine gemeinsame Zentralstelle „Kontrolle der im Internet gehandelten Erzeugnisse des LFGB und Tabakerzeugnisse”, kurz G@ZIELT, eingerichtet. Der Fokus liegt auf der Identifizierung von Angeboten risikobehafteter Lebensmittel, die die Verbraucher evtl. gesundheitlich schädigen oder täuschen können sowie auf nicht registrierten Lebensmittelunternehmen. Die Rechercheergebnisse werden den zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden der Länder gemeldet, die dann Maßnahmen gegenüber den betroffenen Lebensmittelunternehmern ergreifen können.
 
Unser Fazit: Eine Überwachung des Internethandels mit Lebensmitteln findet statt. Die Spielregeln sind auch hier einzuhalten, was der jeweilige Lebensmittelunternehmer in Eigenverantwortung sicherzustellen hat.
 
zuletzt aktualisiert am 02.12.2015
Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu