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veröffentlicht am 25. April 2019
Der langfristige Erfolg und Fortbestand eines Familienunternehmens setzt oftmals nicht nur die Beachtung der Grundsätze der Unternehmensführung (Corporate Governance) voraus, sondern kann darüber hinaus auch einen vorgegebenen Ordnungsrahmen für die Familie erfordern. Durch transparente, nachvollziehbare und nachprüfbare Regeln kann der Zusammenhalt innerhalb der Familie und die Bindung an das Familienunternehmen gefördert werden. Die Verknüpfung und Regelung verschiedener Teilbereiche in einem Regelwerk und die Einbeziehung weiterer Familienmitglieder, die nicht oder zumindest noch nicht Gesellschafter sind, kann das Geheimrezept eines generationsübergreifenden erfolgreichen Familienunternehmens sein.
Family-Charta ist kein rechtlich definierter Begriff. Eine solche Vereinbarung wird oftmals auch Familien-Verfassung, Familien-Kodex, Familienleitbild, Family Business Governance-Verfassung, Familien-Protokoll oder Inhaberstrategie genannt. Letztlich verbindet diese Vereinbarungen immer eines: es handelt sich um eine in erster Linie moralisch verpflichtende Regelung für die Mitglieder einer Unternehmerfamilie. Inwieweit eine solche Family-Charta darüber hinaus rechtliche Bindungswirkung entfalten kann und soll, hängt vom Einzelfall und der individuellen Vereinbarung ab.Häufig enthalten solche familieninternen Vereinbarungen Inhalte, die vertraulich und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Den Familiengesellschaftern ist oft nicht daran gelegen, sämtliche Interna im Gesellschaftsvertrag zu regeln, der rechtsformabhängig im Handelsregister hinterlegt und damit öffentlich einsehbar sein kann.
Mitunter die schwierigste Aufgabe einer Unternehmerfamilie dürfte der Erhalt des Familienunternehmens über viele Generationen hinweg sein. Gerade daher ist die Zielsetzung einer Family-Charta häufig die Nachhaltigkeit des Familienunternehmens bzw. diese Nachhaltigkeit zu bewahren. Durch eine Family-Charta werden gemeinsam im Familienverbund individuelle Ziele und Grundwerte für die Zusammenarbeit im Unternehmen und im Verhältnis zwischen Unternehmen und Familie festgelegt. Die Ziele sollten sich dabei im Leitbild des Unternehmens wiederfinden. Neben dem Erhalt des Unternehmens selbst ist mitunter der Verbleib der Kontrolle über das Unternehmen in der Hand der Familie über mehrere Generationen hinweg eines der wichtigsten Ziele.
Um eine nachhaltige Unternehmensentwicklung zu sichern, ist ein Abwägungsprozess von entscheidender Bedeutung. Dabei kommt es vor, dass sich individuelle Ziele für das Unternehmen im Gesamtbild widersprechen. In derartigen Fällen sollten die subjektiven und emotionalen Interessen der Familie und die objektiven Interessen des Unternehmens aufeinander abgestimmt werden. Dazu sollte eine Priorisierung der Ziele erfolgen und dafür die unterschiedlichen Ziele gegeneinander abgewogen werden. Bei der Erstellung der Family-Charta ist es daher sinnvoll, alle Beteiligten einzubeziehen, um eine größtmögliche Akzeptanz und Unterstützung im Familienverbund zu erreichen. Die Family-Charta sollte in einer einfachen, klaren und verständlichen Sprache weitestgehend ohne Fachbegriffe abgefasst sein, sodass sich alle Familienmitglieder mit dem Regelungswerk abgeholt fühlen. Dennoch empfiehlt es sich, eine exakte und gerichtsfeste Formulierung zu verwenden, zumindest an den Stellen, an denen die Family-Charta rechtliche Bindungswirkungen entfalten soll.Aufgrund der möglichen Wechselwirkungen ist es sinnvoll und geboten, keine Regelungen zu treffen, die typischerweise anderen Vereinbarungen – wie der Satzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag oder weiteren Nebenvereinbarungen – vorbehalten sind und nur dort geregelt werden können. Denkbar ist es jedoch, in der Family-Charta grundsätzliche Richtlinien festzulegen und schließlich auf entsprechende Regelungen in Satzung oder Gesellschaftsvertrag zu verweisen.Wegen der komplexen Gestaltungsmöglichkeiten und den möglichen Auswirkungen für die Beteiligten sowie den gesetzlich vorgegebenen Schranken ist die rechtliche Prüfung daher schon im Erstellungsprozess der Family-Charta sinnvoll.
Im Folgenden wird überblicksweise dargestellt, welche Themenkomplexe bei der Erstellung einer Family-Charta bzw. vorab zu berücksichtigen sind. Aufgrund der Komplexität und der kontrastreichen Vielfalt von Unternehmen und Familienkreisen tauchen immer wieder neue Fragestellungen auf, weshalb die im Folgenden Dargestellten nur beispielhaft sein können.
Dabei ist jedoch genau zu beachten, dass einige der Punkte nur in der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag verbindlich geregelt werden können. In solchen Fällen muss das Geheimhaltungsinteresse der Familiengesellschafter zurücktreten. Es muss daher stets eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Regelwerke erfolgen, um diese miteinander in Einklang zu bringen und die gewünschte Bindungswirkung zu erzielen.
So sind z.B. Anteilsübertragungen von Familienmitgliedern des betreffenden Unternehmens häufig Ursprung eines Familienstreits. Daher können zwar auch diesbezüglich Regelungen getroffen werden, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen Familienmitglieder ihre Anteile veräußern dürfen oder nicht. Hierbei ist es jedoch geboten, eine gleichlaufende Regelung in der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag des jeweiligen Familienunternehmens aufzunehmen, denn nur so ist neben der moralischen Verpflichtung gegenüber der Familie auch eine gesellschaftsrechtlich abgesicherte Verpflichtung gegeben.
Aufgrund der Individualität jeder Familie und den daraus resultierenden vielfältigen Anforderungen ist im Einzelfall zu entscheiden, ob und mit welchem Inhalt eine Family-Charta sinnvoll ist. Im Hinblick auf das Hauptziel Konfliktprävention und Bindung im Familienverbund ist die Family-Charta ein sinnvolles Mittel, um klare und nachvollziehbare Regelungen für die Familienmitglieder zu treffen.Sie bietet der Familie die Möglichkeit, sich ungezwungen und ohne jeglichen Druck über Ziele, Werte und Regeln auszutauschen. Um die Umsetzung des Regelwerkes auch rechtlich abzusichern, empfiehlt es sich, einzelne Regelungen zusätzlich in darauf aufbauenden, rechtlich verbindlichen Verträgen – wie bspw. der Satzung, einem Ehevertrag, einem Erbvertrag oder Ähnlichem – festzulegen, auf die in der Family-Charta nochmal verwiesen wird. Die Family-Charta zieht damit die Klammer um alle das Unternehmen und die Familie betreffenden Leitbilder und Regelungen. Dadurch wird neben der moralischen Verpflichtung gegenüber der Familie und dem Unternehmen aus der Family-Charta im Gesamtkontext eine rechtlich verbindliche Verpflichtung geschaffen.
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