Rückwirkende Erhöhung des Tarifs der TV-Ärzte/VKA löst Berücksichtigung im Jahresabschluss 2024 aus

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​​​​​​veröffentlicht am 27. Februar 2025


Die große Tarifkommission des Marburger Bundes hat dem Sondierungsergebnis mit der VKA zugestimmt und die Arbeitskampfmaßnahmen im TV-Ärzte/VKA-Bereich beendet. Der Tarifabschluss sieht eine Gehaltserhöhung von insgesamt 8 Prozent bis 2026 vor, mit Erhöhungen von 4 Prozent rückwirkend ab Juli 2024. Im Folgenden wird auf die Erfassung einer sonstigen Verbindlichkeit zum 31. Dezember 2024 eingegangen.


Nach Zustimmung der großen Tarifkommission des Marburger Bundes zum Sonderergebnis mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) vom 13. Januar 2025 sind die Tarifverhandlungen im Geltungsbereich des Tarifvertrages TV-Ärzte/VKA beendet. Dies verkündet die Pressemitteilung des Marburger Bundes vom 11. Februar 2025. Ergebnis ist die Ausarbeitung eines Änderungstarifvertrages auf Grundlage des Sondierungsergebnisses. Vorgesehen ist eine rückwirkende Tariferhöhung der Gehälter der Ärztinnen und Ärzte zum 1. Juli 2024, eine Tariferhöhung um 2 Prozent ab dem 1. August 2025 sowie eine dritte Tariferhöhung um 2 Prozent ab dem 1. Juni 2026.1


Dieser Tarifvertrag gilt für Ärztinnen, Ärzte sowie Zahnärztinnen und Zahnärzte, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber stehen, der Mitglied eines Verbandes der VKA (Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) ist, sofern sie in einem der folgenden Institute beschäftigt sind:


  • ​​Krankenhäuser (einschließlich psychiatrischer Kliniken und psychiatrischer Krankenhäuser), 
  • Medizinische Institute von Krankenhäusern/Kliniken (zum Beispiel Pathologische Institute, Röntgeninstitute oder Institutsambulanzen), 
  • Sonstige Einrichtungen und Heime (wie Reha-Einrichtungen), in denen die betreuten Personen stationär oder teilstationär ärztlich behandelt werden, sofern die ärztliche Behandlung in den Einrichtungen selbst erfolgt.

Begründet die rückwirkende Erhöhung des Tabellenentgeltes für Ärztinnen und Ärzte zum 1. Juli 2024 eine Rückstellungsbildung für das Geschäftsjahr 2024 oder gar eine Bildung einer sonstigen Verbindlichkeit zum 31. Dezember 2024?


Rückstellungen sind gem. § 249 Abs. 1 S. 1 HGB für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden. Eine Verbindlichkeit kann dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewiss sein. Dies kann auch schon vorliegen, wenn sie aufschiebend oder auflösend bedingt ist und hinsichtlich des Eintritts der Bedingung Ungewissheit besteht.

Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist zu bilden, wenn eine sicher oder wahrscheinlich be- oder entstehende Verpflichtung gegenüber einem anderen am Bilanzstichtag rechtlich entstanden oder wirtschaftlich verursacht war und mit einer Inanspruchnahme ernsthaft zu rechnen ist.2

Was bedeutet Ungewissheit? Sofern sich eine Angelegenheit – die Höhe oder das Bestehen einer Verbindlichkeit betreffend – noch in Klärung befindet und nicht abschließend beurteilt werden kann, liegt Ungewissheit vor.3

Ob das Bestehen oder Entstehen der Verbindlichkeit „wahrscheinlich” ist, lässt sich insoweit definieren, dass der Kaufmann mit einer Inanspruchnahme ernsthaft zu rechnen hat. Dass eine Ungewissheit über den genauen Zeitpunkt der Inanspruchnahme besteht, ist hierbei nicht von Bedeutung. Ist anzunehmen, dass dem Gläubiger sein Anspruch bekannt ist – was sich z. B. aus einer vertraglichen Verpflichtung ergibt – ist regelmäßig davon auszugehen, dass mit einer Inanspruchnahme gerechnet werden kann, wenn das Be- oder Entstehen der Verpflichtung wahrscheinlich ist.4 In der Regel wird eine Rückstellung als wahrscheinlich angesehen, wenn mehr dafür als dagegen spricht, dass der Sachverhalt eintritt.

Wenn eine ungewisse Verbindlichkeit zum Bilanzstichtag rechtlich wirksam entstanden und/oder wirtschaftlich verursacht wurde, ist diese zu passivieren. Der genaue Zeitpunkt der rechtlichen Entstehung kann u. a. durch Rechtsgeschäft oder auch Gesetz genau festgelegt werden. Es müssen sämtliche die Leistungspflicht auslösende Tatbestandsmerkmale erfüllt sein. Von einer wirtschaftlichen Verursachung ist nach Rechtsprechung des BFH auszugehen, wenn der Tatbestand, in dessen Rechtsfolge die Verbindlichkeit entsteht, im Wesentlichen vor dem Bilanzstichtag verwirklicht wird und das rechtliche Entstehen nur noch von unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängig ist.5 

Weiterhin ist nach Rechtsprechung und Literatur davon auszugehen, dass eine Verbindlichkeit nach wirtschaftlicher Verursachung dann schon zu passivieren ist, wenn diese vor der rechtlichen Entstehung liegt.6

Sofern dennoch Zweifel bestehen, ist auf das Vorsichtsprinzip zurückzugreifen, wonach die ungewisse Verbindlichkeitsrückstellung zu passivieren ist.

Aufgrund der rückwirkenden Tariferhöhung ab dem 1. Juli 2024 liegt die wirtschaftliche Verursachung mit der bereits getätigten Arbeitsleistung bzw. deren Vergütung im Geschäftsjahr 2024. Die vorläufige Entgelttabelle, gültig ab dem 1. Juli 2024, ist auf den Seiten des Marburger Bundes einsehbar.

Die Höhe des Betrages lässt sich aufgrund der geplanten Tariferhöhung von 4 Prozent genau bestimmen. Weiterhin ist die Anzahl der Beschäftigten zum 31. Dezember 2024 genauestens bekannt. Jedoch ist der Betrag im Grunde nach ungewiss, bis der Tarif endgültig verabschiedet ist. Im Ergebnis muss eine Rückstellung gebildet werden. Die Tatbestandsmerkmale einer Rückstellungsbildung sind so lange erfüllt, bis die finale Verabschiedung des Tarifs vor dem Datum der Aufstellung des Jahresabschlusses liegt. Ist die finale Verabschiedung des Tarifs erfolgt und wird der Jahresabschluss erst nach diesem Datum aufgestellt, ist eine sonstige Verbindlichkeit zu bilden, da auch nun der Betrag dem Grunde nach nicht mehr ungewiss ist.




Quellen:

1 Große Tarifkommission stimmt für Annahme des Tarifabschlusses mit der VKA | Marburger Bund Bundesverband

2 Vgl. Beck Bil-Komm./Schubert HGB § 249 Rn. 16.

3 Vgl. Beck Bil-Komm./Schubert, HGB § 249 Rn. 25.

4 Vgl. MüKoHGB/Ballwieser HGB § 249 Rn. 22; BFHE 142, 226 = BStBl. II 1985, 44; BFHE 169, 423 = BStBl. II 1993, 153; BFHE 191, 517 = BStBl. II 2000, 612.

5 BFH 13.5.1998 DStRE 1999, 6 mwN; zu weiteren Kriterien Weber-Grellet in Schmidt; § 5 Anm 386.​

BFHE 97, 164 = BStBl. II 1970, 104; BFHE 150, 140 = BStBl. II 1987, 848. Zur Diskussion dieser Frage vgl. I. Senat des BFHE 196, 216 = DB 2001, 1698; Weber-Grellet BB 2003, 37; Weber-Grellet DB 2002, 2180; Siegel DStR 2002, 1636; Wüstemann BB 2002, 1688; Moxter DStR 2004, 1057 (und 1098); Wassermeyer WPg 2002, 10; Gosch DStR 2002, 977 und für eine Zusammenfassung BeBiKo/Schubert Rn. 34–36.



AUTOREN

Julia Panke-Rahlenbeck
Daniel Finsterer


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