„Drei sind einer zu viel“ – warum der Vertragsarzt nicht mit mehr als einem vollen Versorgungsauftrag an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen kann

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​​​​veröffentlicht am 30. Januar 2025


Dem Landessozialgerichtlichen Urteil lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
Ein Facharzt für Urologie, der bereits über zwei hälftige Versorgungsverträge verfügte, beantragte eine weitere Teilzulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, die der zuständige Zulassungsausschuss jedoch ablehnte. Die durch die Tochter beantragte Anstellung des Vaters mit dem bedarfsplanerischen Anrechnungsfaktor 0,5 wurde ebenfalls abgelehnt. Zur Begründung führte der Zulassungsausschuss u.a. aus, dass gegen die Zulassung des Facharztes erhebliche Bedenken bestünden, da eine dritte Teilzulassung neben zwei bereits bestehenden Teilzulassungen nicht möglich sei.
 
Gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses legte der Facharzt Widerspruch ein. Dieser wurde vom Berufungsausschuss mit der Begründung zurückgewiesen , dass der klagende Arzt nach § 20 Ärzte-ZV als ungeeignet anzusehen sei, da er eben schon zwei hälftige Teilzulassungen, und damit in Addition eine volle Zulassung innehabe.
Aus den Regelungen des § 95 Abs. 1 SGB V und der §§ 19, 19a Ärzte-ZV ergebe sich, dass ein Arzt insgesamt nur mit einem vollen Versorgungsauftrag an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen kann. Wenn der Arzt vorab auf eine seiner beiden Teilzulassungen verzichtet hätte, wäre die weitere Teilzulassung möglich.
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Daraufhin stellte der Prozessbevollmächtigte des Arztes den Antrag, den Arzt unter dem Vorbehalt zuzulassen, dass er innerhalb der Aufnahmefrist auf einen seiner bisherigen hälftigen Versorgungsverträge verzichte.
 
Doch auch diesen Antrag lehnte der Berufungsausschuss mit der Begründung ab, dass eine Zulassung unter einer Bedingung ebenfalls nicht in Betracht komme.
 
Gegen diese Entscheidung legte der Arzt Klage zum Sozialgericht München ein.
 
Das SG München schloss sich der Auffassung des beklagten Berufungsausschusses, dass der klagende Arzt nach § 20 Ärzte-ZV als ungeeignet anzusehen sei, an. Für das Gericht ergab sich die mangelnde Eignung aus dem Umstand, dass der Arzt aufgrund der bestehenden Teilzulassungen nicht in dem seinem Versorgungsumfang entsprechenden Umfang zur Verfügung stehen könne und bezog sich in seiner Begründung u.a. auf das Urteil des BSG vom 16.12.2015, B 6 KA 19/15 R, wonach neben einer vollen Zulassung kein Raum mehr für eine weitere Zulassung bzw. Teilzulassung sei.
 
Eine Zulassung zugunsten des Arztes verbunden mit einer Nebenbestimmung sei ebenso nicht zulässig. Gemäß § 20 Abs. 3 Ärzte-ZV könne ein Arzt, bei dem Hinderungsgründe nach § 20 Abs.1 und 2 vorlägen, zwar unter der Bedingung zugelassen werden, dass der seiner Eignung entgegenstehende Grund spätestens drei Monate nach dem Zeitpunkt beseitigt wird, in dem die Entscheidung über die Zulassung unanfechtbar geworden ist. Allerdings bestehe der Normzweck gerade darin, vor allem angestellten Zulassungsbewerbern zu ermöglichen, auf eine Kündigung ihres aktuellen Arbeitsverhältnisses vor und während des Zulassungsverfahrens zu verzichten und die Kündigung erst auszusprechen, wenn der Zulassungsbescheid vorliege. Da der Arzt jedoch nicht angestellt werden soll, sondern in eigener Vertragsarztpraxis tätig werden möchte, liege ein vom Normzweck gedeckter Fall nicht vor. Zudem habe der Arzt auch nicht erklärt, auf welche Teilzulassung er verzichtet, sodass es schon an einem substantiierten Antrag mangele. Die Zulassungsgremien seien diesbezüglich auch nicht befugt gewesen, den Vertragsarztsitz festzulegen, auf den der Arzt verzichten soll.
 
Des Weiteren führte das SG aus, dass es sich bei § 20 Abs. 3 Ärzte-ZV um eine Nebenbestimmung iSv § 32 Abs. 1, 2 Nr. 2 SGB X handele, die im Ermessen der Zulassungsgremien stehe. Der Grundsatz, dass vor dem Hintergrund von Art.12 GG die Zulassung unter eine Nebenbestimmung nicht versagt werden kann, gelte nicht für Fälle, in denen einer der Zulassungsbewerber bereits über eine Vollzulassung verfüge und es weitere Bewerber gebe, denen die Zulassung oder Anstellungsgenehmigung auch ohne eine Auflage erteilt werden könne, da er dann weniger schutzbedürftig sei. In solchen Fällen sei nämlich der Grundrechtsschutz der anderen Bewerber vorrangig zu berücksichtigen, weshalb ein Ermessensfehler oder gar Ermessensnichtgebrauch des beklagten Berufungsausschusses nicht ersichtlich sei.
 
Aus diesen Gründen sei auch keine Auswahlentscheidungen erforderlich gewesen.
 
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger sodann die Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht.
 
Zur Begründung trug er vor, dass die Beschränkung auf einen vollen Versorgungsauftrag seine Berufsfreiheit unverhältnismäßig einschränke. Er führte an, dass die Regelung gegen den Gleichheitssatz verstoße, da sie ihn im Vergleich zu anderen Ärzten benachteilige.
 
Der Beklagte beantragte, die Berufung zurückzuweisen und argumentierte, dass die rechtlichen Bestimmungen klar vorsehen, dass ein Arzt nicht mehr als einen vollen Versorgungsauftrag haben könne. Die Beschränkung diene der Sicherstellung einer ausgewogenen medizinischen Versorgung und verhindere eine Überkonzentration von Zulassungen bei einzelnen Ärzten. Eine zusätzliche Teilzulassung wäre nur möglich gewesen, wenn der Kläger auf eine der bestehenden Teilzulassungen verzichtet hätte, was er nicht konkretisiert hatte.
 
Das LSG wies die Berufung mit Beschluss vom 21.10.2024, L 12 KA 17/23, zurück.
 
Das LSG bestätigte, dass ein Arzt nicht mehr als einen vollen Versorgungsauftrag haben kann. Eine zusätzliche Teilzulassung wäre nur möglich gewesen, wenn der Kläger auf eine bestehende Teilzulassung verzichtet hätte. Diesbezüglich verweist das LSG auf die Entscheidungen des BSG, dass einem Arzt nicht mehr als eine Zulassung mit vollem Versorgungsauftrag zugeordnet werden kann; Beschluss vom 3.12.2010, B 6 KA 39/10 B; 9.1.2011, B 6 KA 44/10 B.  Nach der Auffassung des BSG, stehe der Annahme, dass ein Arzt über mehr als einen Versorgungsauftrag verfügen könne, bereits die umfassende Inpflichtnahme durch einen vollen Versorgungsauftrag sowie Gesichtspunkte der Bedarfsplanung und der vertragsärztlichen Honorarverteilung entgegen.
 

Hintergrund:

Nach § 19a Ärzte-ZV ist der vollzugelassene Arzt verpflichtet, seine vertragsärztliche Tätigkeit in Vollzeit auszuüben, was nicht zwingend einen Umfang von 40 Stunden voraussetzt.
 
Da der Vertragsarzt jedoch auch die Versorgung von Notfällen und saisonbedingtes höheres Patientenaufkommen sicherstellen muss, könne sich der Vertragsarzt nicht an dieser Mindestsprechstundenzahl orientieren. Hinsichtlich der Bedarfsplanung seien Verzerrungen zu vermeiden, die entstehen können, wenn ein Arzt in einem Planungsbereich mit relativ wenigen Versorgungsaufträgen in einer Arztgruppe 1,5 Versorgungsverträge an sich zieht und somit sämtliche Patienten zu ihm zwingt die von den verbleibenden Vertragsärzten mangels Kapazität nicht mehr versorgt werden können.
 
Die Beschränkung auf einen vollen Versorgungsauftrag sei daher verhältnismäßig und verfassungsgemäß, da sie keine unverhältnismäßige Einschränkung der Berufsfreiheit darstelle und den Gleichheitssatz nicht verletzte.
 

Was bedeutet das für die Praxis? 

Die Entscheidung ist keine Überraschung, da die Frage nach der „Mehrfach“-Zulassung schon mehrfach höchstrichterlich entschieden worden ist. Da das LSG allerdings die rechtlichen Grenzen für die Zulassung von Ärzten zur vertragsärztlichen Versorgung unterstreicht und die Notwendigkeit klarer Regelungen zur Sicherstellung einer ausgewogenen medizinischen Versorgung betont, haben wir die Entscheidung zum Anlass genommen, dieses alt bekannte Thema noch einmal aufzurollen.

 
Bei Fragen rund um zulassungsrechtliche Themen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. ​



AUTORINNEN

Franca Heuser
Carina Richters


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Prof. Dr. Martin Rehborn

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

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