Digitalisierungsfortschritt im Gesellschaftsrecht

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 6. November 2024​ | Lesedauer ca. 4 Minuten

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Das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV), welches am 29. Oktober 2024 verkündet wurde, führt ab Januar 2025 neben mehreren Änderungen im Arbeits- und Steuerrecht auch Formerleichterungen im Gesellschaftsrecht ein. Bürokratischer Aufwand soll nach der Gesetzesbegründung insbesondere für die Aktiengesellschaft und die GmbH gemindert werden. 

Weiterer Schritt zur Digitalisierung im Aktiengesetz


Entlastung börsennotierter Gesellschaften bei der Vorbereitung ihrer Hauptversammlung


Die Bekanntmachungspflichten vor einer Hauptversammlung gemäß §§ 124, 124 a Aktiengesetz (AktG) werden durch das BEG IV fortan herabgesenkt. Bei der Einberufung einer Hauptversammlung von börsennotierten Gesellschaften sind eine Reihe von Formalien zu beachten. Ein Verstoß gegen diese Formvorschriften führt grundsätzlich zur Anfechtbarkeit oder sogar zur Nichtigkeit der auf der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse. Sinn und Zweck dieser beiden Normen ist die rechtzeitige und sachgemäße Information der Aktionäre, die ihnen eine Entscheidung ermöglichen soll, ob sie selbst oder durch einen Vertreter an der Hauptversammlung teilnehmen wollen.

Sofern in der Hauptversammlung Beschlüsse über das Vergütungssystem für die Vorstandsmitglieder, über die Vergütung des Aufsichtsrats nach § 113 Abs. 3 AktG oder Beschlüsse über den Vergütungsbericht gefasst werden sollen, wird es künftig ausreichen, die für die jeweiligen Beschlussgegenstände erforderlichen Unterlagen den Aktionären über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich zu machen. Die Pflicht zur Aufnahme des gesamten Wortlauts der Vergütungsunterlagen in die Einladung sowie die Pflicht zur Bekanntmachung der vorgenannten Unterlagen im Bundesanzeiger wird zukünftig entfallen. Umfang und Inhalt der Vergütungsunterlagen werden durch das BEG IV jedoch nicht eingeschränkt.

In der bekanntzumachenden Einberufung der Hauptversammlung ist die Internetseite der Gesellschaft anzugeben, über die die Informationen nach § 124 a AktG und damit künftig auch die Vergütungsunterlagen zugänglich sind. Marktüblich ist die Angabe des gesamten Pfads. Dabei müssen die Unterlagen für die Aktionäre über die angegebene Internetseite leicht auffindbar sein. Die Änderung der §§ 124, 124 a AktG soll in der Praxis den Zeit- und Kostenaufwand für die Einberufung der Hauptversammlung verringern, ohne dass damit ein Informationsdefizit für die Aktionäre entsteht. Auch können zukünftig Fehler vermieden werden, die in der Vergangenheit bei der Veröffentlichung im Bundesanzeiger entstanden sind. 

Gleiches soll auch künftig für den Vergütungsbericht von börsennotierten kleinen und mittelgroßen Gesellschaften (KMUs) gelten, wenn dieser gemäß § 120 a Abs. 5 AktG als eigener Tagesordnungspunkt in der Hauptversammlung zur Erörterung vorlegt wird. 

Die dargestellten Erleichterungen sollen erstmals auf Hauptversammlungen Anwendung finden, zu denen ab Januar 2025 eingeladen wird. Für die Hauptversammlungssaison 2025 finden die Änderungen somit Anwendung.

Beteiligungsmitteilungen fortan via Textform

Wesentliche Komponente des BEG IV ist die Herabsenkung der gesetzlichen Schriftform auf die Textform, sofern der notwendige Schutzstandard der Regelung nicht unterschritten wird. Dies betrifft auch die Mitteilungspflichten aus §§ 20, 21 AktG. 

Ein Unternehmen, das mehr als 25 % des Kapitals an einer deutschen Aktiengesellschaft hält oder über die Kapital- bzw. Stimmrechtsmehrheit verfügt, ist gemäß § 20 AktG verpflichtet, dies der Aktiengesellschaft unverzüglich mitzuteilen. Diese Mitteilungspflicht verpflichtet auch ausländische Unternehmen und ist rechtsformneutral ausgestaltet. Die bisherige Schriftform der Mitteilung wird zukünftig durch die Textform ersetzt. Somit werden zukünftig auch Beteiligungsmitteilungen per E-Mail rechtswirksam möglich sein. Da Aktiengesellschaften bereits gesetzlich verpflichtet sind, entsprechende Mitteilungen digital über die Veröffentlichungsplattform des Bundesanzeigers bekanntzumachen, kann der Mitteilungs- und Veröffentlichungsprozess künftig vollständig auf digitalem Wege erfolgen.

Die Form der Mitteilungspflichten gemäß § 21 AktG, welche Beteiligungen erfasst, die von einer deutschen Aktiengesellschaft an einer anderen deutschen Kapitalgesellschaft gehalten werden, wird ebenfalls von der Schriftform auf die Textform herabgesenkt. Überschreitet oder unterschreitet die Beteiligung an der anderen Kapitalgesell-schaft die Schwelle von 25 % oder wird eine Mehrheitsbeteiligung erworben oder verloren, muss die Aktiengesellschaft dies der Kapitalgesellschaft unverzüglich – fortan nur noch in Textform - mitteilen.

Auch die erweiterten Mitteilungspflichten gemäß § 328 AktG von wechselseitig beteiligten Unternehmen über die exakte Höhe ihrer Beteiligungsquote sowie jede Veränderung derselben, sind fortan in Textform möglich. 

Formerleichterung bei Zeichnung durch Abwickler

Die Zeichnungsvorschriften der Abwickler ändern sich insofern, als keine händische Unterschrift nach § 269 Abs. 6 AktG mehr erforderlich ist. 

Mitteilung über Ende der Eingliederung in Textform 

Befinden sich nicht mehr alle Aktien der eingegliederten Gesellschaft in der Hand der Hauptgesellschaft, so hat die Hauptgesellschaft dies der eingegliederten Gesellschaft zukünftig nur noch via Textform mitzuteilen, § 327 Abs. 2 AktG. 

Anpassungen im GmbH-Gesetz

Formerleichterung bei mehrheitlicher Beschlussfassung im Umlaufverfahren

Für die Beschlussfassung außerhalb von Gesellschafterversammlungen im Umlaufverfahren wird nun gesetzlich verankert, dass nicht nur bei einer einstimmigen Beschlussfassung, sondern bei einer Mehrheitsentscheidung (§ 48 Abs. 2 Var. 2 GmbHG) die Stimmabgabe in Textform genügt, wenn sämtliche Gesellschafter hiermit einverstanden sind. Bei dieser Änderung handelt es sich nach der Gesetzesbe-gründung allerdings nur um eine Klarstellung, da die überwiegende Literatur bereits bislang – und insofern abweichend vom Wortlaut – auch für mehrheitliche Beschluss-fassungen im Umlaufverfahren die Textform für ausreichend erachtet hat.

Öffentliche Versteigerung von Geschäftsanteil durch Notar 

Die Möglichkeit einer GmbH, zum Zwecke der Aufbringung des Stammkapitals einen kaduzierten Geschäftsanteil gemäß § 23 GmbHG versteigern zu lassen, wird fortan auch durch eine öffentliche Versteigerung durch Notare möglich sein. 

Formerleichterung für Liquidatoren

Für die gesetzlichen Vertreter einer aufgelösten GmbH wird ebenfalls das bisherige Schriftformerfordernis gemäß § 68 Abs. 2 GmbHG herabgesenkt. Eine Namensunterschrift ist nicht mehr erforderlich. 

Formerleichterungen im Umwandlungsgesetz

Das BEG IV erleichtert zudem den Gläubigerschutz bei Verschmelzungsvorgängen. Die Gläubiger sämtlicher beteiligter Rechtsträger können für nicht fällige Forderungen zukünftig einen möglichen Anspruch auf Sicherheitsleistung gemäß § 22 UmwG in Textform geltend machen. 

Für die Pflicht zur Durchführung einer Verschmelzungsprüfung bei einem eingetragenen Verein, reicht fortan das Verlangen von mindestens 10 % der Mitglieder in Text-form gemäß § 100 Satz 2 UmwG (n. F.). Das Verlangen per Schrift- oder elektroni-schen Form ist nicht mehr von Nöten. 

Formerleichterungen im Genossenschaftsgesetz

Für Genossenschaften werden ebenfalls etliche Schriftformerfordernisse auf die Text-form herabgesenkt. Insbesondere kann eine Satzung der Genossenschaft in Zukunft wirksam auch in Textform gemäß § 5 GenG abgeschlossen werden. Daneben sind die Beitrittserklärung, die Erteilung von Stimmvollmacht sowie die Kündigung durch Textform möglich, es sei denn die Satzung sieht explizit die Schriftform vor. 


Formerleichterung für Gläubigerschutz in SE-Ausführungsgesetz​

Den Gläubigern einer deutschen SE, die ihren Sitz ins Ausland verlegt, wird besonderer Schutz gemäß § 13 SEAG zuteil. Die SE muss den Gläubigern, die ihre Ansprüche innerhalb von zwei Monaten nach Offenlegung des Verlegungsplans nach Grund und Höhe anmelden, Sicherheit für noch nicht fällige Forderungen leisten. Für die An-spruchsanmeldung bedarf es zukünftig nur noch der Textform gemäß § 13 Abs. 2 SEAG. 

Erweiterung von Notarbefugnissen

Durch eine Ergänzung des § 24 Abs. 2 Bundesnotarordnung wird klargestellt, dass Notare, die Erklärungen im Zusammenhang mit einer Unternehmensgründung beurkunden oder beglaubigen, befugt sind, für die Beteiligten Anzeigen zu erstatten, Mitteilungen vorzunehmen und Anträge zu stellen, die im Zusammenhang mit der Gründung stehen.​

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