BVG bei SE-Gründung: Bestimmung der Anzahl der Mitarbeitervertreter aus Tschechien

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veröffentlicht am 19. April 2017

 

Wenn mittelständische bis große Familien­unternehmen in Deutschland eine SE gründen, ist fraglich, nach welchem Recht die tschechischen Mitglieder des besonderen Verhandlungs­gremiums (BVG) zu bestimmen sind. Dabei stellen sich Fragen zur Ermittlung der Anzahl der tschechischen Mitglieder dieses Gremiums, sowie wer über die Konstituierung des BVG zu informieren ist, wer die Mitglieder des BVG bestimmt und ob auch Ersatzmitglieder zu wählen sind.
 

 

Wie erfolgt die Ermittlung der Anzahl der Mitarbeiter in Tschechien?

Die Ermittlung der Anzahl der tschechischen Mitglieder des zu konstituierenden BVG einer SE mit Sitz in Deutschland unterliegt tschechischem Recht. Leiharbeiter und geringfügige Beschäftigte (d.h. Arbeit­nehmer, die auf Grund von Verein­barungen über Arbeitstätigkeit oder Arbeits­durchführung beschäftigt sind, entfernt vergleichbar mit geringfügiger Beschäftigung in Deutschland) werden bei der Ermittlung der Anzahl der Mitarbeiter nicht mitgezählt. Die Anzahl der Plätze im Verhandlungsgremium wird so festgelegt, dass auf alle auch angefangenen 10 Prozent der Arbeitnehmer der beteiligten juristischen Personen und der betroffenen Tochter­gesellschaften und Zweig­niederlassungen, die in demselben Mitglieds­staat beschäftigt werden, berechnet aus der Gesamtzahl der Arbeitnehmer der beteiligten juristischen Personen und betroffenen Tochter­gesellschaften und Zweigniederlassungen in allen Mitgliedsstaaten, ein Mitglied des Verhandlungs­gremiums fällt. Die Anzahl der Mitglieder des BVG entspricht der Gesamtzahl dieser Plätze. Es wird von der Anzahl der Mitarbeiter zum Tag der Bekanntgabe des Entwurfs bzw. Antrags auf Gründung einer SE ermittelt.

 

Die Bestellung oder Wahl von Mitgliedern des BVG, das die Arbeitnehmer der beteiligten juristischen Personen, der betreffenden Tochter­gesellschaften und die Arbeitnehmer der betreffenden Zweignieder­lassungen des Unternehmens mit Sitz in der Tschechischen Republik vertritt, richtet sich nach tschechischem Recht, ungeachtet dessen, in welchem Mitgliedstaat die SE ihren eingetragenen Sitz hat oder haben wird. Plätze im BVG, die auf Arbeitnehmer­vertreter aus einem anderen Mitgliedstaat als der Tschechischen Republik entfallen, werden in einer durch die Rechtsordnung dieses Mitgliedstaates bestimmten Weise besetzt. Die die Arbeitnehmer in der Tschechischen Republik vertretenden Mitglieder des BVG werden durch die Arbeitnehmer­vertreter bei einer gemeinsamen Sitzung benannt. Falls bei einem Arbeitgeber keine Arbeitnehmer­vertreter bestellt wurden oder hier nicht tätig sind, wählen die Arbeit­nehmer dieses Arbeitgebers einen Vertreter, der für sie an der gemeinsamen Sitzung teilnimmt. Existiert ein Werks­ausschuss der Basisgewerkschafts­organisation, ist dieser zur Bestimmung der tschechischen Mit­glieder berufen. Neben den Arbeitnehmer­vertretern in der Gewerkschaft bestehen in der Regel in Tschechien keine Betriebsräte. Dies wäre zwar rechtlich möglich, ist aber praktisch unwahr­scheinlich, da sich die Mitarbeiter in der Regel eher für die Gründung eines Werksausschusses entscheiden als für einen Betriebsrat, weil letzterer nach dem tschechischen Recht weniger Rechte hat als Arbeitnehmervertreter der Gewerkschaft. Aber auch deren Rechte sind nicht im Entferntesten mit der Mitbestimmung nach deutschem Betriebsverfassungsrecht vergleichbar, sondern stehen diesem gegenüber weit zurück.

 

Wer ist über ein Umwandlungsvorhaben zu informieren (die Mitglieder des Werksausschusses oder die gesamte Basis-Gewerkschaft)? Wer bestimmt die Mitglieder des besonderen Verhandlungs­gremiums? Müssen Ersatzmitglieder bestimmt werden?

 

Es sind die Mitglieder des Werks­ausschusses zu informieren, wenn der Werks­ausschuss wirksam zustande gekommen ist. Das ordnungsgemäße Zustandekommen des Werks­ausschusses und der Basisgewerk­schafts­organisation richtet sich nach dem Satzungsrecht der jeweiligen Gewerkschaft, das in der Regel Basisgewerkschaftsorganisationen eigene Rechtspersönlichkeit verleiht. Die Basisgewerkschafts­organi­sationen werden als juristische Personen durch ihre satzungsmäßigen Vertreter, in der Regel ein oder zwei Mitglieder des Werksausschusses, der von der Basisgewerkschafts­organisation gewählt wird, vertreten. Der Werksausschuss wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und einen oder mehrere stellvertretende Vorsitzende. Auch die Mitglieder des BVG werden vom Werksausschuss bestimmt, wobei die genaue Vor­gehensweise dabei eine interne Angelegenheit der Gewerkschaft ist und sich nach deren Satzungsrecht richtet. Damit bei Erkrankungen die 2/3-Quote, die für die Konstituierung des BVG nach deutschem Recht gilt, erreicht wird, sollten in jedem Fall auch Ersatz­mitglieder vom Werksausschuss der Basis­organisation bestimmt werden, wozu der Werksausschuss entsprechend fristgerecht aufzufordern ist.

 

Fazit

Die Anzahl der tschechischen Mitglieder eines BVG, das sich bei einer deutschen SE konstituieren muss, richtet sich nach tschechischem Recht. Über ein etwaiges Umwandlungs­verfahren ist der Werks­ausschuss zu unterrichten. Neben dem Werks­ausschuss der zuständigen Basisgewerkschafts­organisation besteht mangels eines existierenden Betriebs­verfassungsrechts in der Regel kein Betriebsrat. Empfehlenswert ist die Bestimmung von Ersatzmitgliedern, damit bei der Konstituierung des BVG nicht die 2/3-Quote verfehlt wird.

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JUDr. Thomas Britz

Attorney at Law (Tschechische Rep.)

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