Aktuelle Änderungen des Arbeitsgesetzbuches in Litauen. Welche Neuerungen kommen auf die Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu?

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veröffentlicht am 24. August 2022 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Mit den Änderungen des Arbeitsgesetzbuches der Republik Litauen (im Folgenden „Arbeitsgesetzbuch”), die am 1. August 2022 in Kraft getreten sind, werden flexiblere Arbeitsmöglichkeiten für Arbeitnehmer und zusätzliche Verpflichtungen für Arbeit­geber eingeführt. Infolgedessen müssen sich sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitge­ber mit den Änderungen vertraut machen, um einen reibungslosen Arbeitsablauf ohne zusätzliche Störungen zu gewährleisten. Wir hoffen, dass dieser Bericht den Arbeit­neh­mern hilft, einen Überblick über die zusätzlichen Rechte – die ihnen zustehen – zu erhalten, und dass er den Arbeitgebern dabei hilft, diese Rechte ordnungsgemäß durchzusetzen.

 

 

Von nun an gilt der Mutter- und Vaterurlaub auch für Eltern, die ein Einzelkind erziehen. Mütter und Väter mit einem Kind unter 12 Jahren haben alle drei Monate Anspruch auf einen arbeitsfreien Tag („Mutterurlaub” und „Vaterurlaub”) oder eine Reduzierung der Arbeitszeit um 8 Stunden für drei Monate. Für Eltern, die zwei Kinder unter 12 Jahren erziehen, sind 2 Tage pro Monat vorgesehen, wenn eines oder beide Kinder eine Behinderung haben. Bis zum 1. August 2022 wurde Arbeitnehmern mit einem einzigen Kind unter 12 Jahren weder ein zusätz­licher freier Tag noch eine Verringerung der Arbeitszeit gewährt. Vor diesem Datum wurde Arbeitnehmern, die zwei Kinder unter 12 Jahren großziehen, wenn eines oder beide Kinder eine Behinderung haben, nur ein freier Tag pro Monat oder eine Reduzierung der Arbeitszeit um zwei Stunden pro Woche gewährt.
 
Teilzeitarbeit. Mit den neuen Änderungen wurde eine Liste von Arbeitnehmern ergänzt, deren Antrag auf Teil­zeitarbeit von ihrem Arbeitgeber bewilligt werden muss. Teilzeitarbeit ist nun auch für Arbeitnehmer möglich, die ein Familienmitglied oder einen bei ihnen lebenden Verwandten pflegen, sowie für Arbeitnehmer mit Kindern unter 8 Jahren.
 
Remote-Arbeit und flexible Arbeitszeiten. Wenn die folgenden Arbeitnehmer Remote-Arbeit beantragen, muss der Arbeitgeber dem Antrag nachkommen, es sei denn, der Arbeitgeber weist nach, dass dies aufgrund betrieblicher Erfordernisse oder der Besonderheiten der Arbeitsorganisation mit übermäßigen Kosten verbun­den wäre:
  • Eine schwangere Frau;
  • Eine Mitarbeiterin, die vor kurzem entbunden hat oder stillt;
  • Ein Arbeitnehmer, der ein Kind unter 8 Jahren erzieht;
  • Ein Arbeitnehmer, der allein ein Kind unter 14 Jahren oder ein behindertes Kind unter 18 Jahren erzieht;
 
Das Gleiche gilt, wenn ein Arbeitnehmer einen Antrag stellt, der sich auf eine ärztliche Bescheinigung über seinen Gesundheitszustand oder auf die Notwendigkeit stützt, ein Familienmitglied oder eine mit ihm zusam­menlebende Person zu pflegen oder zu betreuen. Die aufgeführten Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit selbst zu wählen. Mit der Änderung wurde also die Liste der Arbeitnehmer, deren Antrag auf Remote-Arbeit vom Arbeitgeber akzeptiert werden muss, angepasst. Außerdem wurde die Einschränkung gestrichen, dass diesen Arbeitnehmern das Recht auf Remote-Arbeit nur für mindestens ein Fünftel ihrer Arbeitszeit zusteht.
 
Unbezahlter Urlaub. Die Möglichkeit des unbezahlten Urlaubs wurde nicht nur für Arbeitnehmer eingeführt, die ein krankes Familienmitglied pflegen, sondern auch bei der Pflege der mit dem Arbeitnehmer zusammen­lebenden Person.
 
Unbezahlte Freistellung. Der Arbeitgeber muss einen Antrag des Arbeitnehmers auf unbezahlte Freistellung im Falle einer familiären Notlage, aufgrund von Krankheit oder eines Unfalls, die eine direkte Anwesenheit des Arbeitnehmers erfordert, genehmigen. Bisher sah das Arbeitsgesetzbuch eine solche Möglichkeit nicht vor.
 
„Nein” zu Diskriminierung. Am 1. August 2022 sind neue Bestimmungen in Kraft getreten, die eine Diskri­mi­nie­rung aufgrund des Familienstandes oder der Inanspruchnahme von arbeitsrechtlichen Bestimmungen durch den Arbeitnehmer, wie z. B. flexible Arbeitszeiten oder die Beantragung von Zusatzurlaub, verbieten.
 
„Nein” zu psychischer Gewalt. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Informationen über die Maßnahmen zur Ver­hinderung von psychischer Gewalt am Arbeitsplatz bereitzustellen und aktiv Schritte zur Unterstützung von Personen zu unternehmen, die psychische Gewalt am Arbeitsplatz erfahren haben. Es sei darauf hingewiesen, dass ab dem 1. November 2022 weitere Änderungen in Bezug auf die Prävention von psychischer Gewalt gegen Arbeitnehmer am Arbeitsplatz und darüber hinaus in Kraft treten werden.
 
Beendigung des Arbeitsvertrags auf Initiative des Arbeitnehmers ohne wichtigen Grund. Es wird klar­ge­stellt, dass ein Arbeitnehmer nur dann das Recht hat die Kündigung innerhalb von drei Arbeitstagen nach dem Tag an dem sie ausgesprochen wurde zurückzuziehen, wenn der Vertrag noch nicht beendet ist. Wird der Ar­beits­vertrag innerhalb von drei Arbeitstagen beendet, kann der Arbeitnehmer seine Kündigung nur mit Zustim­mung des Arbeitgebers zurückziehen.
 
Beendigung des Arbeitsvertrags auf Initiative des Arbeitnehmers aus wichtigen Gründen. Arbeitnehmer, die eine mit ihnen zu Hause lebende Person betreuen, die einen besonderen Bedarf nach ständiger Pflege oder einen besonderen Bedarf nach ständiger Betreuung (Assistenz) hat, können ihren Vertrag nun auch aus diesen Gründen kündigen. Damit gilt dieser Kündigungsgrund nicht nur für Arbeitnehmer, die ein Familienmitglied pflegen, sondern auch bei der Betreuung/Pflege einer bei ihnen lebenden Person.
 
Beendigung des Arbeitsvertrags auf Initiative des Arbeitgebers ohne Verschulden des Arbeitnehmers. Es wurde hinzugefügt, dass im Falle einer Kündigung des Arbeitsvertrags aus den oben genannten Gründen die Kündigungsfristen für diejenigen Arbeitnehmer verdreifacht werden, die eine Bescheinigung über eine Krank­heit vorlegen, die in der Liste der schweren Krankheiten aufgeführt ist, welche durch Verordnung des Gesund­heits­ministers der Republik Litauen erlassen wurde.
 
Hinweis auf Arbeitsbedingungen. Die vom Arbeitgeber den Arbeitnehmern vor Aufnahme ihrer Tätigkeit zur Verfügung gestellten Informationen wurden um folgende Punkte ergänzt: das Recht auf Schulungen, sofern der Arbeitgeber diese anbietet; die Bezeichnungen der Sozialversicherungsträger, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis Sozialversicherungsbeiträge erhalten; und, sofern der Arbeitgeber dafür zuständig ist, Infor­mationen über andere vom Arbeitgeber angebotene Sozialversicherungsleistungen. Der Arbeitsvertrag wurde auf Grundlage dieser Änderung des Artikels des Arbeitsgesetzbuches geändert.
 
Probezeit. Die Änderungen des Arbeitsgesetzbuches sehen vor, dass bei befristeten Arbeitsverträgen mit einer Laufzeit von weniger als sechs Monaten die Probezeit in einem angemessenen Verhältnis zur Vertragsdauer stehen muss (d. h. weniger als drei Monate). Bei einem befristeten Arbeitsvertrag kann also nur dann eine Probezeit von drei Monaten vereinbart werden, wenn der Vertrag eine Laufzeit von sechs Monaten oder mehr hat.
 
Informationspflicht des Arbeitgebers für Arbeitnehmer, die länger als 28 Tage entsandt sind. Von nun an muss ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber über die Höhe der Tagegelder und der Kostenerstattung für die tatsächlichen Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten im Zusammenhang mit der Entsendung (falls zutreffend) sowie über die Links zur offiziellen Website des Aufnahmestaats, die Informationen für entsandte Arbeitnehmer enthält, in den folgenden Fällen informiert werden. Wenn der Arbeitnehmer im Rahmen eines vom Arbeitgeber mit einem Kunden in einem anderen Land geschlossenen Dienstleistungs- oder Bauvertrags für eine befristete Tätigkeit in ein anderes EU- oder EWR-Land entsandt wird, der Arbeitnehmer in einer Zweig­stelle, Agentur, Konzerngesellschaft oder einer anderen Arbeitsstätte der juristischen Person des Arbeitgebers tätig ist oder der Arbeitnehmer als Leiharbeitnehmer arbeitet.
 
Zeitarbeitsunternehmen. Die Zeitarbeitsunternehmen sind verpflichtet der staatlichen Arbeitsinspektion der Republik Litauen (im Folgenden: staatliche Arbeitsinspektion) oder einer von ihr beauftragten Institution monat­lich Informationen über die Beschäftigung durch Zeitarbeitsunternehmen und die Anzahl der Zeit­ar­beit­nehmer gemäß dem von der Regierung der Republik Litauen festgelegten Verfahren zu übermitteln. Darüber hinaus sind die Zeitarbeitsunternehmen verpflichtet, Zeitarbeitnehmer für mindestens 3 aufeinanderfolgende Kalendermonate zu beschäftigen. Wichtig dabei ist, dass die staatliche Arbeitsinspektion das Recht hat das Unternehmen von der Liste der Zeitarbeitsunternehmen zu streichen, sofern das Unternehmen die oben genann­ten Pflichten nicht erfüllt.
 
Es liegt auf der Hand, dass die neuen Änderungen den Schutz der Arbeitnehmerinteressen, insbesondere der familiären Interessen, erweitern und einen starken Schwerpunkt auf die Gewährleistung des psychologischen Wohlbefindens der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz legen. Auch wenn es auf den ersten Blick den Anschein hat, dass sich die diskutierten Änderungen des Arbeitsgesetzbuchs weitgehend ausschließlich auf die Interessen der Arbeitnehmer konzentrieren, besteht kein Zweifel daran, dass alle Änderungen langfristig für die Arbeit­ge­ber von Vorteil sein werden. Denn wenn sich die Arbeitnehmer am Arbeitsplatz wohl und sicher fühlen, wird ihre Leistungsfähigkeit verbessert und ihre Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber erhöht. 

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