Interoperabilität zwischen den ESRS und bestehenden Nachhaltigkeitsberichtsstandards und Gesetzen

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​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 22. August 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten

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Im Rahmen des Europäischen Green Deals wurden die Anforderungen bezüglich der Nachhaltigkeits­bericht­​erstattung überarbeitet. Bereits seit dem 01.01.2024 sind kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden verpflichtet, gemäß den neuen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) zu berichten. Um den betroffenen Unternehmen die Umstellung von bisher genutzten Berichtstandards und -formaten auf die ESRS zu vereinfachen, haben andere Standardsetter allgemeine Informationen oder sogar konkrete Hilfe­stellungen wie Korrespondenzmappings bezüglich der Interoperabilität mit den ESRS veröffentlicht. Auch mit dem deutschen Lieferketten­sorgfalts­pflichten­gesetz (LkSG) und die Corporate Sustaina­bility Due Diligence Directive (CSDDD) gibt es Überschnei­dungen. Dieser Artikel soll die wesentlichen Aspekte jener Standards und ihre Interoperabilität mit den ESRS verdeutlichen. 
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ESRS und GRI 

​Die GRI-Standards ermöglichen es Unternehmen weltweit, freiwillig ihre Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft zu erheben und offenzulegen. Mit Richtlinien für ökonomische, ökologische und soziale Aspekte bieten sie eine Basis für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Über 10.000 Unternehmen weltweit berichten in Übereinstimmung mit oder unter Bezugnahme auf GRI, was ihn zum am häufigsten verwendeten Standard im Bereich Nachhaltigkeitsberichterstattung macht. 

Die GRI-Standards dienten laut European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) als Orientierungshilfe für die Erstellung der ESRS. Am 05.09.2023 veröffentlichten die EFRAG und die GRI dementsprechend ein Joint Statement of Interoperability, in dem festgehalten wird, dass durch die enge Zusammenarbeit ein hoher Grad an Interoperabilität zwischen den beiden Standards insbesondere im Bereich der Berichterstattung über die wesentlichen nachhaltigkeitsbezogenen Auswirkungen erreicht wurde.  

Grundsätzlich können etwa bereits gemäß GRI identifizierte materielle Auswirkungen als Ausgangspunkt für die Identifizierung der damit verbundenen Risiken und Chancen genutzt werden. Zudem können die GRI zur Identifizierung weiterer Longlist-Themen herangezogen werden (ergänzend zu den durch ESRS 1 AR 16 vorgegebenen Themen). Unternehmen, die aktuell nach GRI berichten, sind in Summe also bereits teilweise auf die Berichterstattung nach ESRS vorbereitet. Trotzdem sollten Unternehmen den Aufwand der Umstellung nicht unterschätzen. So besteht der größte Unterschied der beiden Berichtsstandards in der Wesentlichkeitsanalyse, die in den ESRS im Zuge der Einführung der doppelten Wesentlichkeit auf die Financial Materiality ausgeweitet wurde. Dadurch müssen nun auch finanzielle Chancen und Risiken betrachtet werden, die im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten von außen auf das Unternehmen einwirken.  

Trotz derartiger Unterschiede gelten Unternehmen, die nach ESRS berichten, als Unternehmen, die „unter Bezugnahme auf“ (with reference to) die GRI-Standards berichten.  

Aufgrund der geografischen Begrenzung des ESRS auf die EU kann es in Einzelfällen für Unternehmen Sinn ergeben, neben dem verbindlichen ESRS zusätzlich nach GRI zu berichten. Ebenso ist es möglich, bei der Berichterstattung nach ESRS auf einzelne Elemente der bestehenden GRI-Berichterstattung zurückzugreifen. Als Hilfestellung dient hierbei der seit November 2023 existierende Entwurf für einen GRI-ESRS Interoperability Index


ESRS und ISSB 

Sowohl die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) als auch die vom International Sustainability Standards Board (ISSB) entwickelten Sustainability Disclosure Standards (ISSB SDS) zielen darauf ab, einheitliche Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen zu etablieren. Das ISSB wurde von der IFRS-Stiftung ins Leben gerufen, um globale Standards zu schaffen, die in den ISSB SDS mündeten und einen Rahmen für die Berichterstattung über Nachhaltig­keits­praktiken festlegen. Die bis dato entstandenen IFRS S1 (General Requirements for Disclosure of Sustainability-related Financial Information) und S2 (Climate-related Disclosures) gelten seit dem 01.01.2024.  

Ein wesentlicher Unterschied liegt im Anwendungsbereich und der Zielgruppe: Die ISSB SDS sind globale Standards, die branchenübergreifend und international anwendbar sind, während die ESRS auf europäischen Gesetzen basieren und sich demnach auf die Europäische Union konzentrieren. Die ISSB SDS sind bisher freiwillig, solange kein gesetzliches Rahmenwerk sie als verpflichtend vorschreibt, während die ESRS aufgrund ihrer Einbindung in die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtend sind. Zwar stellen beide Standards auf die Entscheidungsrelevanz bei der Identifizierung der Risiken und Chancen ab, allerdings werden bei den ESRS für die Evaluierung sowohl Investor-, als auch Stakeholderinteressen mit einbezogen, wohingegen die ISSB SDS diese lediglich auf die der InvestorInnen limitiert. Ein weiterer Unterschied zeigt sich in der Wesentlichkeitsanalyse: Die ISSB SDS konzentrieren sich auf finanzielle Wesentlichkeit hinsichtlich nachhaltigkeits- und insbesondere klimabezogener Aspekte, während die ESRS das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit anwenden, das neben finanziellen Risiken und Chancen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten auch die Auswirkungen des Unternehmens auf Mensch und Umwelt umfasst. 

Trotz dieser Unterschiede gibt es Überschneidungen zwischen ESRS und ISSB SDS. Grundsätzlich haben beide Standards ähnliche Ansätze zur Bestimmung der Wesentlichkeit von Informationen und zur Art und Weise, wie diese Informationen präsentiert werden sollen. Daher können Unternehmen konsistente Berichte erstellen, die den Anforderungen beider Standards entsprechen. Darüber hinaus wurde z.B. die Definition der finanziellen Wesentlichkeit der ISSB von den ESRS übernommen. Somit können Unternehmen dieselben internen Prozesse nutzen, um Risiken und Chancen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsthemen zu identifizieren. Demnach lassen sich ähnliche Methoden und Ressourcen verwenden, um die erforderlichen Informationen bereitzustellen. Dies macht es effizienter, beiden Standards gerecht zu werden, da nicht separate Ansätze oder Systeme erforderlich sind. 

Des Weiteren betreffen die Überschneidungen zwischen den ISSB- und ESRS-Standards hauptsächlich die Offenlegungsanforderungen insbesondere im Bereich Klima. Der ESRS deckt dabei die Anforderungen des ISSB z.T. (insbesondere IFRS S2) vollständig ab. Es müssen ebenso klimabezogene Risiken und Chancen identifiziert und Auswirkungen auf die finanzielle Lage des Unternehmens, die Anpassungsstrategien sowie die potenziellen finanziellen Auswirkungen klimabezogener Maßnahmen offengelegt werden. Die Berichterstattung orientiert sich dabei an den Empfehlungen der TCFD (Task Force on Climate-related Financial Disclosures). 

Zusammengefasst kann gesagt werden, Unternehmen, die nach den ESRS-Richtlinien berichten müssen, weitgehend die gleichen Daten offenlegen werden wie jene, die den ISSB-Standards folgen. ​


ESRS und TNFD 

Die TNFD ist ein Rahmenwerk zur Veröffentlichung von naturbezogenen Themen im Unternehmens­kontext und zur Entwicklung eines entsprechenden Risikomanagementsystems. Im September 2023 wurde das finale Rahmenwerk veröffentlicht.  

Seit 2022 gibt es zwischen der EFRAG und der TNFD bereits bezüglich der (Weiter-) Entwicklung der Berichtsstandards regen Austausch. Dementsprechend haben die Institutionen gemeinschaftlich Informationen bezüglich der Interoperabilität der Standards veröffentlicht. So gibt das im Juni 2024 veröffentlichte Korrespondenzmapping einen Überblick darüber, wie die Datenpunkte zwischen den beiden Berichtsstandards miteinander zusammenhängen. Alle 14 im Rahmen des TNFD zur Veröffent​­lichung vorgesehenen Angabepflichten sind im ESRS abgedeckt. So findet sich beispielsweise die Angabepflicht „Strategie A: Beschreibung der naturbezogenen Abhängigkeiten, Auswirkungen, Risiken und Chancen, welche vom Unternehmen über einen kurz-, mittel- und langfristigen Zeitraum identifiziert wurden“ (TNFD) in ESRS 2 SBM-3 und ESRS 2 IRO-1 wieder. 

Dabei ähnelt sich der grundsätzliche Aufbau der Standards. Sowohl die ESRS als auch die TNFD organisieren sich über vier Dimensionen, welchen die einzelnen Angabepflichten und ihre Datenpunkte zugeordnet werden: Governance, Strategie, Risikomanagement sowie Kennzahlen und Ziele. Diese Struktur orientiert sich an den Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) und ermöglicht eine klare Vergleichbarkeit der Berichterstattung. 

Ein zentraler Bestandteil der TNFD ist der LEAP-Ansatz (Locate, Evaluate, Assess, Prepare), der Unternehmen anleitet, ihre naturbezogenen Risiken und Chancen systematisch zu identifizieren und zu bewerten. Dieser Ansatz fördert ein klareres Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Unternehmen und natürlichen Ressourcen und kann auch gemäß ESRS angewendet werden, um die Materialitäts­bewertung zu unterstützen. Bezüglich des Ansatzes der Wesentlichkeitsanalyse setzen beide Rahmen­werke auf die doppelte Materialität. Grundsätzlich fordern beide Berichtsstandards dabei die Veröffentlichung von Auswirkungen, Risiken, Chancen und Abhängigkeiten. 
 

ESRS und LKSG 

Am 25. Juli 2024 trat die CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive​, folgend CS3D genannt) in der Europäischen Union in Kraft. Sie zielt maßgeblich auf die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt ab. Die EU-Mitgliedstaaten sind nun verpflichtet, die CS3D innerhalb von zwei Jahren, bis zum 26. Juli 2026, in nationales Recht zu überführen. In Deutschland wird dies voraussichtlich durch eine Anpassung des deutschen Lieferketten­sorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) geschehen.  

Neben dem Aspekt, dass es sich bei den ESRS um Standards, beim LkSG jedoch um nationales Gesetz bzw. der CS3D um das europäische Pendant handelt, liegt der Fokus bei den Letztgenannten darauf, dass Unternehmen zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten entlang ihrer Lieferkette bzw. der gesamten Wertschöpfungskette (CS3D) verpflichtet sind. Diese Pflichten umfassen im LkSG die Einrichtung eines Risikomanagements, regelmäßige Risikoanalysen, Präventivmaßnahmen, ein Beschwerdeverfahren, Abhilfemaßnahmen sowie Dokumentations- und Berichtspflichten an die BAFA. Die CSDDD geht darüber hinaus und fordert Unternehmen auf, aktive Sorgfaltspflichten entlang ihrer gesamten Wertschöp­fungs­kette zu erfüllen. Dies beinhaltet die Identifikation, Prävention, Minderung und Behebung von negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt.  

Die Interoperabilität zu den ESRS zeigt sich jedoch in der gemeinsamen Zielsetzung beider Regelwerke: Die Förderung nachhaltiger Geschäftspraktiken. Während die ESRS die Grundlage für eine transparente Berichterstattung schaffen, stellen das LkSG und die CSDDD sicher, dass diese Berichte durch konkrete Maßnahmen und Sorgfaltspflichten unterstützt werden. So ergeben sich bspw. Überschneidungen bei bestimmten Datenpunkten wie ESRS 2 (Allgemeine Angaben), ESRS E2 (Umweltverschmutzung), ESRS S1 (Arbeitskräfte des Unternehmens), ESRS S2 (Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette) und ESRS S3 (Betroffene Gemeinschaften).  

Unternehmen profitieren demnach dahingehend von einer harmonisierten Herangehensweise, dass Daten, die für die ESRS-Berichterstattung gesammelt werden, auch zur Erfüllung der LkSG-/ CSDDD-Anforderungen genutzt werden können. Darüber hinaus sei darauf hingewiesen, dass laut derzeitigem Regierungsentwurf​ eine Berichterstattung gemäß CSRD die Berichtspflicht nach dem LkSG an das BAFA ersetzen soll.  


Fazit  

​Im Kontext der Nachhaltigkeitsberichtserstattung gibt es eine Vielzahl an Berichtsstandards und Rahmen­werken. Im Zuge der CSRD und den aus dieser hervorgehenden verpflichtend anzuwendenden ESRS ist es sinnvoll, die unterschiedlichen Rahmenwerke zu harmonisieren und Kohärenz zu fördern. Dazu stellen viele Initiativen und Rahmenwerke Informationen in unterschiedlichen Umfängen zur Verfügung. In einigen Fällen existieren bereits detaillierte Korrespondenzmappings hinsichtlich einzelner Datenpunkte. Diese Hilfestel­lungen sind vor allem für Unternehmen von Belang, welche bereits standardbezogene Nachhaltig­​keits­berichte veröffentlicht haben und sich nun mit einer Umstellung auf die ESRS befassen müssen. Gerade diese Unternehmen sollten auf dem aktuellen Stand bleiben, was das Interopera­bilitäts­mapping betrifft, um frühzeitig Prozesse und Strukturen anpassen zu können.  

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