Rückblick: Der Round Table Wesentlichkeitsanalyse des ESG Tag 2023 – Ihre Fragen im Fokus

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veröffentlicht am 10. November 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 
Am 12. Oktober 2023 fand zum zweiten Mal der ESG Tag von Rödl & Partner in hybrider Form statt. Teil unseres Nachmittagsprogramms war dabei ein Round Table zum Thema Wesentlichkeitsanalyse, in dem wir gemeinsam mit den Teilnehmern einen Best Practice-Ansatz erarbeitet und individuelle Fragen diskutiert haben.  

Im Rahmen dieses Artikels möchten wir die aufgekommenen Fragen noch einmal aufgreifen und unsere Antworten mit Ihnen teilen.  
 

 

Antworten 


Kann die finanzielle Wesentlichkeit nur von internen Stakeholdern bewertet werden?

Gemäß den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) ist ein Nachhaltigkeitsaspekt unter finanziellen Gesichtspunkten wesentlich, wenn er wesentliche finanzielle Auswirkungen auf das Unternehmen nach sich zieht oder wenn diese nach vernünftigem Ermessen zu erwarten sind. Dies ist der Fall, wenn sich aus einem Nachhaltigkeitsaspekt Risiken oder Chancen ergeben, die einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung, die Finanz- und Ertragslage, den Cashflow, den Zugang zu Finanzmitteln oder die Kapitalkosten des Unternehmens haben. 

Da interne Stakeholder üblicherweise einen besseren Überblick und ein fundierteres Wissen über entsprechende Risiken und Chancen im individuellen Unternehmenskontext haben, sind diese üblicherweise besser für die Bewertung der finanziellen Wesentlichkeit geeignet. Dennoch können auch ausgewählte externe Stakeholder geeignet sein, die finanzielle Wesentlichkeit zu bewerten, sofern sie Kenntnisse über die genannten Belange haben. 

Um ein möglichst aussagekräftiges Ergebnis im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse zu erhalten, ist es bei der Bewertung jeglicher Themen (finanziell oder impact) wichtig, Stakeholder zu befragen (intern oder extern), die sich mit den entsprechenden Themen auskennen und eine qualitative Einschätzung abgeben können.  


Was muss bezüglich der Dokumentation der Wesentlichkeitsanalyse beachtet werden (beispielsweise für die Prüfung im Jahresabschluss)? 

Da Nachhaltigkeitsberichte im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) prüfungspflichtig sind, muss die Konzeptionierung und Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse entsprechend dokumentiert sein, um einer Prüfung standzuhalten. Da die Wesentlichkeitsanalyse ein zentrales Element des Nachhaltigkeitsberichts ist und der Inhalt der Berichterstattung maßgeblich von ihr abhängt, wird die Wesentlichkeitsanalyse voraussichtlich häufig ein Prüfungsschwerpunkt sein.  

Bei der Dokumentation der Wesentlichkeitsanalyse sollte sichergestellt sein, dass die Anforderungen der ESRS erfüllt werden. Diese sind im Falle der Wesentlichkeitsanalyse in ESRS 1 Punkt 3 (+zugehörige Anwendungsanforderungen) und ESRS 2 IRO-1 & IRO 2 (+zugehörige Anwendungsanforderungen) zu finden. Grundsätzlich sollte die Dokumentation so ausgearbeitet sein, dass ein Dritter bei einer späteren Prüfung nachvollziehen kann, wie die Wesentlichkeitsanalyse abgelaufen ist, wer in welche Schritte involviert war, welche und auf welcher Grundlage Entscheidungen getroffen wurden und wie sichergestellt wird, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind.  

Auch im Nachhaltigkeitsbericht ist das Verfahren zur Ermittlung und Bewertung der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen im Rahmen des ESRS 2 IRO-1 offenzulegen. 
 
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Wieviel Zeit sollte man für die Erstellung einer Wesentlichkeitsanalyse einplanen? 

Die für eine Wesentlichkeitsanalyse benötigte Zeit kann nicht pauschalisiert werden, da diese stark von unternehmensspezifischen Faktoren wie Größe, Struktur, Ablauforganisation, Dezentralisierung oder Komplexität des Unternehmens abhängt. Auch das Ambitionsniveau an die Erstellung und die Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse haben einen großen Einfluss auf den zeitlichen Rahmen der Durchführung.  

Da das Einbeziehen von Stakeholdern ein elementarer Bestandteil der Wesentlichkeitsanalyse ist und das Bearbeiten und Rücksenden von Befragungen zeitlich nicht unterschätzt werden sollte, ist zu empfehlen, den Zeitrahmen für eine Wesentlichkeitsanalyse großzügig anzusetzen. Auch andere Elemente der Wesentlichkeitsanalyse, wie die Konzeptionierung oder das Aufklären und Schulen der Stakeholder bezüglich der Wesentlichkeitsbewertung, sollte zeitlich nicht unterschätzt werden.  

Da die Wesentlichkeitsanalyse einen entscheidenden Eckpfeiler für die gesamte Berichterstattung bildet und wertvolle Erkenntnisse für das Unternehmen ermöglichen kann, lohnt es sich in diesem Schritt besonders, die nötige Zeit zu investieren. 


Welche wesentlichen Fragen sollte die Wesentlichkeitsanalyse klären?  

Eine Wesentlichkeitsanalyse im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung dient dazu, unternehmensspezifisch die Themen und Aspekte zu identifizieren, die für das Unternehmen und / oder seine Stakeholder relevant sind. Dadurch können Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung auf ihre individuellen Schlüsselthemen fokussieren und transparent über für sie relevante Themen berichten. Aus der Wesentlichkeitsanalyse sollte daher deutlich werden, welche nachhaltigkeitsbezogenen Themen einen signifikanten Einfluss auf die Geschäftstätigkeiten des Unternehmens haben (finanzielle Wesentlichkeit) und auf welche nachhaltigkeitsbezogenen Themen das Unternehmen einen signifikanten Einfluss ausübt (Impact Wesentlichkeit). 

Darüber hinaus können die Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse unternehmensintern strategisch genutzt werden, da durch diese ein Verständnis generiert wird, welche Themen für Stakeholder von Bedeutung sind und im Zusammenhang mit welchen Themen das Unternehmen Chancen und Risiken aufweist. 
 

Wie oft muss man eine Wesentlichkeitsanalyse durchführen?  

In der CSRD wird festgelegt, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Rahmen des ESRS jährlich erfolgen muss. Dementsprechend muss das Unternehmen für jeden Bericht seine wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen ermitteln.  

Kommt das Unternehmen jedoch aufgrund angemessener Belege zu dem Schluss, dass das Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse des vorangegangenen Berichtszeitraums für den aktuellen Berichtszeitpunkt gültig bleibt, können diese Ergebnisse genutzt werden. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn das Unternehmen zu der Einschätzung gelangt, dass es keine wesentlichen Veränderungen in der organisatorischen und betrieblichen Struktur des Unternehmens sowie bei externen Faktoren gegeben hat und die unternehmensspezifischen Auswirkungen, Risiken und Chancen somit gleichgeblieben sind. Eine entsprechende Entscheidung muss allerdings nachvollziehbar belegt, dokumentiert und offengelegt werden. 
 

Wie schätzen Sie die Relevanz des GRI zukünftig ein? Sollte noch gesondert nach GRI berichtet werden, wenn man nach ESRS reported? 

GRI wird es schwerer haben im europäischen Raum weiter Fuß zu fassen, da hier allein aufgrund der regulatorischen Verpflichtungen die ESRS der Goldstandard werden. Europäischen Unternehmen steht es natürlich frei zusätzlich zu GRI-Themen zu berichten. 

Letztlich ist es auch ein Ressourcenthema – die Erstanwendung der ESRS bindet viele Ressourcen, was weniger Kapazitäten für die Berichterstattung nach freiwilligen Standards bedeutet. Viele GRI-Anforderungen gehen bereits in den ESRS auf. Kernelement sowohl bei GRI als auch ESRS ist die Wesentlichkeitsanalyse. Diesbezüglich ist zu erwähnen, dass die Definition für die Wesentlichkeit der Auswirkungen (impact materiality) in beiden Rahmenwerken übereinstimmt und eine entsprechende Wesentlichkeitsanalyse nach GRI daher als Ausgangspunkt für die doppelte Wesentlichkeitsanalyse nach ESRS dienen kann. 

Zugesagt haben beide Standardsetter, dass intensiv an der Interoperabilität zwischen GRI und ESRS gearbeitet wird, um Unternehmen die Umsetzung zu erleichtern und größtmögliche Vergleichbarkeit zu gewährleisten. So berichten beispielsweise Unternehmen, die die ESRS anwenden, laut einer gemeinsamen Verlautbarung der EFRAG und GRI offiziell “in Anlehnung an” (with reference to) die GRI-Standards. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie die Integration der beiden Standards in der Praxis von Unternehmen und Rezipierenden der Nachhaltigkeitsberichterstattung angenommen und umgesetzt wird. 
 

Auf welcher Ebene soll die Identifikation der IROs stattfinden (auf Themenebene, Unterthemenebene oder Unterunterthemenebene)? 

Die Identifikation der Impacts, Risks and Opportunities (IROs) ist ein Schlüsselelement der Wesentlichkeitsanalyse. Durch die Identifizierung und Formulierung von IROs werden die von den ESRS festgelegten Themen, Unterthemen und Unterunterthemen unternehmensspezifisch. Da die Bewertung wesentlicher Themen auf Grundlage der IROs erfolgen muss, ist es sinnvoll, möglichst detaillierte IROs zu formulieren.   

Die durch die ESRS vorgegebene Themenliste dient hierbei als Basis und muss um unternehmensspezifische Themen, Unterthemen, Auswirkungen, Chancen und Risiken ergänzen werden. Auf welcher Ebene es sinnvoll ist IROs zu identifizieren kann dabei unternehmensabhängig von Thema zu Thema unterschiedlich sein. Während bei einigen Themen möglicherweise IROs auf Themenebene identifiziert werden, kann es bei anderen Themen sein, dass die Unterunterthemen nicht granular genug sind und diese weiter spezifiziert oder ergänzt werden müssen.  

Grundlegend gilt: Je präziser die IROs formuliert sind, desto hochwertiger werden auch die Bewertungen im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse ausfallen, da so unter anderem sichergestellt werden kann, dass die bewertenden Stakeholder ein möglichst einheitliches Verständnis der konkreten Auswirkung, des Risikos oder der Chance haben. 


Müssen Zahlen, zu denen es keine Angaben gibt, geschätzt werden?  

Unter gewissen Umständen können quantitative Parameter und Geldbeträge, einschließlich Informationen zur vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette, nicht direkt gemessen werden. In diesen Fällen schätzt das Unternehmen die zu übermittelnden Informationen unter Verwendung angemessener und belastbarer Informationen wie Sektordurchschnitten oder Näherungswerten.  

Die Einbeziehung von Schätzungen oder Näherungswerten darf allerdings nicht dazu führen, dass die Informationen nicht den qualitativen Merkmalen von Informationen gemäß ESRS entsprechen. 

Auf welcher Ebene sind Größenmerkmale anzuwenden (Konzernebene oder Einzelunternehmensebene)?  

Die Größenkriterien, ob ein Unternehmen unter die CSRD fällt und somit nach ESRS berichten muss, sind grundsätzlich auf jedes Unternehmen anzuwenden (also sowohl auf den Konzern als auch auf einzelne Unternehmen). Ist der Konzern also berichtspflichtig, muss auf Konzernebene verpflichtend ein Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht werden.  Gleichzeitig ist auch jedes Einzelunternehmen, das in den Anwenderkreis der CSRD fällt, zur Berichterstattung nach ESRS verpflichtet. Als Alternative zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts auf Einzelunternehmensebene kann jedoch auch auf das sogenannte Konzernprivileg zurückgegriffen werden: Ein Unternehmen ist dann von der eigenen Berichtspflicht befreit, wenn es in die CSRD-Berichterstattung der Muttergesellschaft, also des Konzerns, einbezogen ist. Zu beachten ist allerdings, dass das Konzernprivileg nicht in Anspruch genommen werden kann, wenn das einbezogene Tochterunternehmen sowohl groß als auch kapitalmarktorientiert ist. 

Fällt der gesamte Konzern nicht unter die CSRD / ESRS, weil z.B. das Mutterunternehmen im EU-Ausland sitzt und somit erst zu einemspäteren Zeitpunkt berichtspflichtig wird, müssen Einzelunter­nehmen, die auf Basis der Größenkriterien bereits unter die CSRD fallen, einen eigenen Nachhaltig­keitsbericht veröffentlichen, sofern dies nicht freiwillig auf Konzernebene erfolgt. 

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